Revision 25 vom 2010-06-05 06:52:40

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Datenbanken BKA

Rechtsgrundlagen

Highlights daraus:

§ 11 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 3 BKAG: Bundesweite Verfügbarkeit personenbezogener Fallinformation nur bei Straftaten erheblicher Bedeutung.

§ 11 Abs. 6 i.F. von 2008: Alle Zugriffe auf INPOL müssen protokolliert werden (vorher nur jeder zehnte; das BKA will allein für diese Aufgabe laut BTD 16/09588 einen "Protokollserver" für 300 kE kaufen).

§ 8 Abs. 2 BKAG: Speicherung personenbezogener Daten auch Verdächtiger (nicht nur Beschuldigter) ist zulässig, wenn anzunehmen ist, dass künftig einmal Verfahren zu führen sein werden.

Bemerkenswert (wenn auch nicht direkt aus dem BKAG) ist der Umstand, dass laut den Ergebnissen einer Umfrage (Ratsdockument 5450/09 2009 die BRD das einzige Land der AFSJ war, die Datenbanken für "Gewalttäter" (bzw. "Troublemaker") hatte und neben Dänemark das einzige Land, das Definitionen für diese Begriffe für sich reklamierte.

Überblick

Das BKA ist traditionell der größte Datenmoloch auf polizeilicher Seite in der BRD. Eine schöne Übersicht über die Datenbanken, die das BKA betreibt, enthält die Bundestagsdrucksache 16/2875.

Die wichtigste Datenbank des BKA und gleichzeitig älteste von Sicherheitskräften in der BRD betriebene Datenbank ist INPOL.

INPOL ist aus rechtlichen Gründen aufgeteilt in eine große Zahl (deutlich über 100, die 2006 vollständige Liste ist in der oben zitierten Drucksache enthalten) Unterdateien. Zu den für unsere Zwecke relevanteren gehören (wenn zu einer Datei noch keine eigene Seite existiert, liegt das nur daran, dass wir noch kein weiteres Material haben -- eure Beiträge sind willkommen):

  • Verbunddatei KAN -- der Kriminalaktennachweis, das Herzstück der Datenbank und zwischenzeitlich deutlich mehr als nur ein Nachweissystem

  • Verbunddatei Datenbank Innere Sicherheit -- ehem. APIS; die Datei über Staatsfeinde ist der große Klassiker von INPOL.

  • Verbunddatei bzw. Zentraldatei AFIS -- Automatisiertes Fingerabdruck-Identifizierungssystem

  • Verbunddatei DAD -- DNS-Auskunftsdatei, "Gendatenbank"

  • Amtsdatei Global -- Auswertedatei über KritikerInnen der "Globalisierung"

  • Verbunddatei FIT -- Fundstellennachweis islamischer Terrorismus

  • Verbunddatei ViCLAS -- Violent Crime Analysis System

  • ehemalige Verbunddatei Schläfer

  • Verbunddatei APOK -- Aufklärung/vorbeugende Bekämpfung im Bereich organisierte Kriminalität (Okt 2006: 280000 Datensätze)
  • Verbunddatei APR -- Aufklärung/Verhütung von Straftaten im BtmG-Bereich (Okt 2006: 550000 Datensätze)
  • Verbunddatei "Datenbank für digitalisierte Fingerabdrücke-A" -- Fingerabdrücke vom BAMF (d.h. wohl von allen AsylbewerberInnen); eine analoge Datei mit ca. 1.3 Millionen Einträgen existiert für Fingerabdrücke, die von Polizei und Co aufgenommen wurden. Wie das Verhältnis dieser Dateien zu AFIS ist, ist nicht ganz klar (vermutlich speichert AFIS nicht den kompletten Fingerabdruck, sondern nur die extrahierten Merkmale).

  • Verbunddatei DOMESCH -- zur Bekämpfung von "Schleusungs- und Dokumentenkriminalität" (Okt 2006: 1200000 Einträge -- diese Zahl ist wohl nur zu erklären, wenn man vermutet, dass gestohlen gemeldete Reisedokumente o.ä. hier gespeichert sind)
  • Verbunddatei ERKENNUNGSDIENST

  • Verbunddatei FDR -- "Falldatei Rauschgift"

  • Verbunddatei FUSION -- "Bekämpfung der Rockerkriminalität" (no shit! eingerichtet nicht etwa 1960, sondern 2000, und 2006 auf knapp 40000 Datensätze angewachsen. Rocker?)
  • Verbunddatei "Gewalttäter links" -- Eingerichtet Jan 2001, enthielt 2006 lediglich gut 1000 Datensätze; 2009 1866 DS (nach Bt-DS 16/13563). aaO: Schreiben durch LKÄr, Staatschutz und natürlich das BKA, Abruf durch alle.

  • Verbunddatei "Gewalttäter politisch motivierte Ausländerkriminalität" -- Eingerichtet Jan 2001, enthielt 2006 lächerliche 300 Datensätze, 2009 nur noch 154 (Bt-DS 16/13563); offenbar operieren die Polizeien in dem Bereich bevorzugt mit der Zentraldatei DABIS.

  • Verbunddatei "GEWALTTÄTER RECHTS" -- Eingerichtet Jan 2001, enthielt 2006 rund 1800 Datensätze
  • Verbunddatei "GEWALTTÄTER SPORT" -- Eingerichtet Jan 2001, enthielt 2006 rund 10000 Datensätze, 2009 dann 11245 (Bt-DS 16/13563) und ist mithin die populärste der GEWALTTÄTER X-Dateien. War im Vorfeld der WM ziemlich in der Diskussion und plagt vor allem aktive Fans ("Ultras"); die Datei ware 2006f Gegenstand eines Prozesses, in dem das Konstrukt der Verbunddateien insgesamt wackelte.

  • Verbunddatei HAFTDATEI -- Verzeichnis der Personen, die sich in "behördlichem Gewahrsam" befinden sollen. 2006 waren etwa 100000 Datensätze enthalten. Um die Haftdatei gab es vor allem Skandale wegen verzögerter Löschung mit denkbar katastrophalen Folgen.
  • Verbunddatei KINDERPORNOGRAFIE -- enthielt 2006 rund 320000 Einträge. Interessant mag diese Datei sein, weil auch Menschen, die sich für anonyme Kommunikation im Netz einsetzen, dort landen könnten (z.B. Betrieb von TOR-Servern oder Freenet-Knoten)
  • Verbunddatei NSIS-PERSONENFAHNDUNG -- effektiv ein Spiegel der entsprechenden Daten aus SIS, 2006 ca. 1.3 Millionen Datensätze

  • Verbunddatei NSIS-SACHFAHDNUNG -- effektiv ein Spiegel der entsprechenden Daten aus SIS, 2006 ca. 15.5 Millionen Datensätze

  • Verbunddatei PERSONENFAHNDUNG -- Fahndung nach Personen zur Festnahme, Ingewahrsamnahme, Aufenthaltsermittlung, polizeilichen Beobachtung; dazu Überwachung bei Führungsaufsicht (Bewährungsauflagen!) und nach zollrechtlichen Bestimmungen. 2006 ca. 900000 Datensätze (vermutlich größtenteils aus Führungsaufsicht)
  • Verbunddatei SACHFAHNDUNG -- seit 1985, 2006 waren 10.6 Millionen Datensätze gespeichert (gibt es da keine Speicherfrist?)
  • Rund 20 weitere Verbunddateien zu Rauschgift, Falschgeld, Geldwäsche, Korruption (diese 2006 mit lächerlichen 7000 Einträgen), vermissten Personen, Prostitution, Landesverrats, Spionage, 129b [ausländische Terrorgruppen], Computersabotage usf.
  • Zentraldatei G8 -- Sammlung und Auswertung von Informationen zur Bekämpfung des Widerstands gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm. Eingerichtet 2006, im Oktober 2006 gerade mal 162 Datensätze
  • Zentraldatei IgaSt -- Sammlung und Auswertung zur Bekämpfung des Widerstands gegen "Globalisierung". Eingerichtet 2003.

  • Zentraldatei ABC -- Kriminalität, die im Zusammenhang mit ABC-Waffen und ihrer Herstellung stehen könnten (2006: 4000 Einträge)
  • Zentraldatei BKA-Aktennachweis -- Nachweis der Kriminalakten bei BKA, quasi die Zentralversion von KAN (2006: 2.4 Millionen Datensätze)
  • Zentraldatei DABIS -- eingerichtet 2002, dient der "Bekämpfung islamistischen Terrorismus. 2006 Nachweis von 22000 Personen und knapp 4000 (!) Organisationen.

  • Zentraldatei DAREX -- Auswertedatei zur Verfolgung der Verbreitung aus politischen Gründen zensierter Medien (von Handschriften bis DVDs)
  • Zentraldatei FIU-Datei -- Sammlung und Auswertung von Meldungen nach dem Geldwäschegesetz.

  • Zentraldatei InTE-Z -- Bekämpfung des "internationalen Terrorismus", 2006 sind knapp 8000 "Objekte" und 17000 "Beziehungen" gespeichert
  • Zentraldatei LANDESVERRAT -- Erst 2006 eingerichtet, als längst niemand mehr Geld aus Moskau bekommen hat. Startete aber schon mit 180000 Datensätzen.
  • Zentraldatei PERSONENLISTE ST-32 -- Übersicht über "aktuelle Gefährder" im bereich des "islamistischen Terrorismus". 2006 eingerichtet.
  • Zentraldatei ReKa -- "Rechtsextremistische Kameradschaften". 2001 eingerichtet.

  • Noch etwa 15 weitere Zentraldateien mit teilweise eher abseitigen Zwecken oder Namen ("Operation Icebreaker", eine Datei zu offenen Haftbefehlen in der "Region Thailand"). Darunter sind auch TANFOGLIO zum Umbau von Schreckschusspistolen zu scharfen Wafen oder CAMOUFLAGE generell zum Umbau von Waffen. Der Wildwuchs deutet auf konfligierende Bürokratien innerhalb der EU-Polizeibehörden hin. Wer weiß mehr?
  • Dazu kommen fast 100 Amtsdateien, in die sich das BKA nur ungern reingucken lässt. Ihre Zwecke umfassen von Mord und Totschlag über §129, §129a, §129b, Schleusung, Nineeleven, Rauschgift, Geldwäsche, Untreue, Menschenhandel, Menschenraub, Kreditbetrug, Kindesmissbrauch, Personenschutz bis hin zu Urheberrecht und Anlagebetrug alles, was man sich so vorstellen kann.

Weiteres

ZaRD (BKA)

Zentrale anlassunabhängige Recherche in Datennetzen. Zunächst eine "menschliche Netzstreife" mit deutlichem Fokus auf Pornografie und verwandte Verbrechen -- nach Kinderpornografie an zweiter Stelle waren bei den Verdachtsmeldungen 2001 aber immerhin schon "Staatschutzdelikte" mit 8.2% bzw. 89 Meldungen. Ganz offensichtlich konzentriert sich ZaRD aber auf halbwegs öffentliche Quellen (Usenet, IRC, WWW, Filesharing in dieser Reihenfolge). Angesichts der im Vergleich zu den tatsächlichen einschlägigen Delikten winzigen Zahl von 1086 Meldungen fragt mensch sich allerdings, was die Leute tun und wonach sie suchen. Immerhin lassen etwa die Vorträge bei einer Infoveranstaltung des BKA im Februar 2000 schon ahnen, dass die ZaRD-Leute Größeres vorhaben.

Im September 2004 kündigt das BKA aber an, auch hier mit Datenbanktechnik Doppelermittlungen vermeiden zu wollen -- die Datenbank soll mit Zoll, BGS und LKAs geteilt werden -- ob an den Einsatz von INPOL gedacht wird, ist nicht klar ("anlassunabhängig" mag ein Problem sein). Besonders neckisch aus Datenschutzsicht ist der Plan von ZaRD-Chef Wolfgang Schreiber, die "Idee auch international" zu "entwickeln".

Auftrags-DV

Ein pikanter Aspekt der vom BKA immer wieder betriebenen Zentralisierung der polizeilichen DV ist die Auftrags-DV des BKA für die Länder, d.h. Länderdaten werden für die Länder beim BKA gespeichert. Diese Praxis war zunächst befristet, wurde aber im Oktober 2000 gegen die Bedenken der Datenschutzbeauftragten vom BMI auf Dauer genehmigt ("Kostenersparnis"). Ob das BKA auch diese "geliehenen" Daten für Teil von INPOL hält, ist nicht bekannt.

Skandale

AusländerInnen im KAN

Im 25. TB des LfD BaWü, 2.1/2 wird von einer Untersuchung von Ausschreibungen von AusländerInnen aus BaWü berichtet, die im Zusammenhang mit der Prüfung von 96er-Ausschreibungen in SIS vergenommen wurde. Dabei kam unter anderem heraus:

  • Zu vielen der Ausschreibungen zur Festnahme gab es keinen richterlichen Haftbefehl
  • Ausschreibende Behörden hatten häufig keine Speicherfristen angegeben, die eingebenden Behörden hatten dann einfach völlig absurde 10 Jahre eingetragen

Anekdoten aus der FDR

Der 97er-Bericht des LfD BW berichtet von folgenden Einträgen in FDR:

  • über einen Ulmer Studenten in der FDR immer noch gespeichert, daß er m September 1990 auf dem Gelände der Universität Ulm einmal Haschisch geraucht haben soll;
  • über einen 29 Jahre alten Straßenwart in der FDR immer noch registriert, daß er im Sommer 1990 in Ulm einmal eine Haschischzigarette erworben haben soll;
  • über einen 37 Jahre alten Feinmechaniker in der FDR immer noch gespeichert, daß er im Sommer 1992 in Esslingen einmal Haschisch erworben haben soll;
  • über einen amerikanischen Soldaten in der FDR immer noch festgehalten, daß er vor mehr als 10 Jahren einmal Haschisch besessen haben soll;
  • über eine 35 Jahre alte Hotelfachfrau in der FDR immer noch registriert, daß sie im Oktober 1988 einmal Betäubungsmittel (Heroin) erworben haben soll.

Dass diese Datensätze nicht gelöscht wurden, lag offenbar daran, dass sie aus PAD kamen und dass die entsprechenden PAD-DSe nach einer Umstellung der Speicherfrist gelöscht wurden, ohne an die entsprechend in INPOL gespeicherten Daten zu denken (vielleicht ist hier die Einfachspeicherung in INPOL-neu doch ein Segen?). Dazu kam, dass Auszüge aus FDR, die das LKA vom BKA bekam, offenbar auch unvollständig waren.