Revision 67 vom 2011-03-27 13:49:32

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Datenbanken BKA

Das Bundeskriminalamt (BKA) ist eine dem Bundesministerium des Innern nachgeordnete Bundesoberbehörde der Bundesrepublik Deutschland mit Standorten in Wiesbaden (Hauptsitz), Berlin und Meckenheim (da ist der Sitz der Staatsschutz-Abteilung). Zusammen mit der Bundespolizei und dem Zoll ist es eine der drei Polizeien des Bundes.

Aufgaben des BKA

Die Aufgaben des Bundeskriminalamtes leiten sich aus den Artikel 73 Nr. 10 und Artikel 87 GG ab. Danach hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über „[…] die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in der Kriminalpolizei“ sowie die „[…] Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes und die internationale Verbrechensbekämpfung“.Zu diesem Zweck kann der Bund durch Gesetz „[…] Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen, für die Kriminalpolizei und zur Sammlung von Unterlagen“ errichten. Darum ist das BKA ist traditionell der größte Datenmoloch auf polizeilicher Seite in der BRD.

Rechtsgrundlage

Das BKA-Gesetz

BKA-Gesetz

Die Rechtsverordnung für die BKA-Dateien nach dem BKA-Gesetz

Die Verordnung für die Dateien nach dem BKA-Gesetz wurde kurz vor der WM 2010 vom Bundesrat verabschiedet. Nötig geworden war sie, da die Datei Gewalttäter Sport kurz vor der WM von den Verwaltungsgerichten moniert wurde1.

Datenbanken des BKA

Übersichten über vom BKA betriebene Datenbanken geben fast schon regelmäßig Antworten auf Bundestagsanfragen der Linken:

INPOL

Das BKA bezeichnet seine eigene Datenhaltung, egal ob zum Eigengebrauch oder zur Verwendung der Landespolizeien, kollektiv als "Informationssystem der Polizei" oder INPOL. Weitere Informationen auf der separaten Seite.

Antiterrordatei

Die gemeinsame "Anti-Terror-Datenbank" von Geheimdiensten und Polizeien des Bundes und der Länder ist beim BKA angesiedelt.

Europol

Das BKA ist die Zentralstelle für Europol, hier müssen auch die AuskunftErsuchen an Europol hingeschickt werden.

Schengener Informationssystem (SIS)

Für das Schengener Informationssystem SIS im Rahmen der EU fungiert das BKA als Kontaktstelle ("SIRENE").

Weitere Datenverarbeitung des BKAs

ZaRD (Zentrale anlassunabhängige Recherche in Datennetzen)

Zentrale anlassunabhängige Recherche in Datennetzen. Zunächst eine "menschliche Netzstreife" mit deutlichem Fokus auf Pornografie und verwandte Verbrechen -- nach Kinderpornografie an zweiter Stelle waren bei den Verdachtsmeldungen laut Zahlen von 2001 aber immerhin schon "Staatschutzdelikte" mit 8.2% bzw. 89 Meldungen.

Ganz offensichtlich konzentriert sich ZaRD aber auf halbwegs öffentliche Quellen (Usenet, IRC, WWW, Filesharing in dieser Reihenfolge). Angesichts der im Vergleich zu den tatsächlichen einschlägigen Delikten winzigen Zahl von 1086 Meldungen fragt mensch sich allerdings, was die Leute tun und wonach sie suchen. Immerhin lassen etwa die Vorträge bei einer Infoveranstaltung des BKA zur Kriminalität im Internet im Februar 2000 schon ahnen, dass die ZaRD-Leute Größeres vorhaben.

Im September 2004 kündigt das BKA aber an, auch hier mit Datenbanktechnik laut Heise-Newsticker Doppelermittlungen vermeiden zu wollen -- die Datenbank soll mit Zoll, Bundespolizei und LKAs geteilt werden.

Strafverfahrensdateien

Dies sind Dateien, die das BKA in seiner Eigenschaft als Strafverfolgungsbehörde führt. Laut BTD 16/2875 können diese INPOL-Verbunddateien (also von Landespolizeien fütter- und abfragbar) sein, müssen es aber nicht. Die Theorie hinter diesen Dateien ist, dass das BKA für eine Staatsanwaltschaft tätig ist; mit dem Urteil des entsprechenden Strafverfahrens werden die Daten in Strafverfahrensdateien zwingend gelöscht (sie verfolgen keinerlei präventiven Zweck).

BT-Ducksache 17/4833 berichtet von einer "Strafverfahrensdatei PMK-links-S" (Antwort auf 11.). Sie werde nach §483 StPO betrieben (Dateien von Gerichten, Polizeien, Führungsaufsicht usf. für Zwecke des Strafverfahrens). Die Drucksache erklärt dazu "Das BKA speichert die im Rahmen seiner Zuständigkeit gewonnenen Daten in der Datei 'PMK-links-S'. Andere Polizeidienststellen, bei denen Spuren und Hinweise eingehen, liefern die Daten auf konventionellem Wege an". Was bedeutet der zweite Satz?

Ehemalige Auftrags-DV für die Länder

Ein pikanter Aspekt der vom BKA immer wieder betriebenen Zentralisierung der polizeilichen DV ist die Auftrags-DV des BKA für einige Länder im Rahmen von INPOL-Land. D.h. einige Länder ließen früher ihre POLAS-Datenbank vom BKA administrieren. 2003 wurde INPOL-Land an die Länder zurückgegeben. Zunächst haben Hessen, Hamburg und Baden-Württemberg das INPOL-Land-POLAS-Competence-Center (IPCC) gegründet um die Software gemeinsam weiter zu entwickeln. Inzwischen sind auch weitere Bundesländer angeschlossen2.

NS-Vergangenheit des BKAs

Ende 1945 wurden von den alliierten Besatzungsmächten erste regionale Kriminalämter eingerichtet. Die Landesregierungen fassten in Abstimmung mit den Alliierten die regionalen Kriminalämter zu „Landeskriminalpolizeiämtern“ zusammen. Das Grundgesetz bestätigte, dass die Polizeihoheit nicht beim Bund, sondern bei den Ländern liegt. Dem Bund wurde lediglich die Befugnis zugebilligt, ein zentrales Kriminalpolizeiamt zu unterhalten (Art. 73, 87 GG). Auf dieser verfassungsrechtlichen Grundlage trat am 15. März 1951 das Gesetz über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes (Bundeskriminalamtes) (BKAG) in Kraft. Die Behörde wies bei ihrer Gründung und über längere Zeit danach einen ungewöhnlich hohen Anteil von ehemaligen Mitgliedern der NSDAP und Angehörigen der SS auf. Aufgebaut wurde sie unter der Leitung der Kriminalkommissare und ehemaligen SS-Angehörigen Paul Dickopf und Rolf Holle. Noch 1959 hatten nur zwei von 47 leitenden Beamten des BKAs keine NS-Vergangenheit, 33 waren ehemalige SS-Führer3.

Folgen der NS-Vergangenheit

Strukturelle Unzufriedenheit der Mitarbeiter

Auf Grund der NS-Vergangenheit herschte (und herrscht vermutlich noch immer) ein ziemlich autoritärer Führungsstile beim BKA, welcher nach einer Umfrage Anfang der 90-ziger, zu einer sehr großen Unzufriedenheit (d.h. inneren Kündigung) der Mitarbeiter_innen beim BKA geführt hat3.

Blindheit auf dem Rechten Auge

Die NS-Vergangenheit führte nach Dieter Schenk zur halbherzige Bekämpfung des Rechtsradikalismus. Der Begriff Rechtsterrorismus wird nach seinen Aussagen bei der Polizei vermieden – man spricht vom Linksterrorismus und vom Rechtsradikalismus. Über Jahrzehnte hat das BKA 30 Bedienstete im Kampf gegen Rechts und 300 im Kampf gegen Links eingesetzt4.

Weiteres zur Geschichte

Skandale

Weitere Skandale finden sich auf den von INPOL aus verlinkten Seiten zu INPOL-Einzeldateien, z.B. AFIS, FDR usf.

Viele AusländerInnen rechtswidrig in der der Teildatei KAN von INPOL und in SIS

Im Teilbericht des LfD BaWü (25. TB des LfD BaWü, 2.1/2 ) wird von einer Untersuchung von Ausschreibungen von AusländerInnen aus BaWü berichtet, die in SIS oder in KAN zur Fahndung ausgeschrieben wurden. Dabei kam unter anderem heraus:

  • Zu vielen der Ausschreibungen zur Festnahme gab es keinen richterlichen Haftbefehl
  • Ausschreibende Behörden hatten häufig keine Speicherfristen angegeben, die eingebenden Behörden hatten dann einfach völlig absurde 10 Jahre eingetragen

BKA hilft NATO gegen polnische Presse

Im Vorfeld des NATO-Jubiläums 2009 hat das BKA nicht nur belgische Datensätze nach Frankreich verschickt, sondern wegen einer INPOL-Auskunft auch die Akkreditierung eines Mitarbeiters der polnischen Ausgabe von Le Monde Diplomatique sowie eines des Neuen Deutschland verhindert; dabei ging es jedenfalls in zweiterem Fall um irgendwelche halbverschimmelten Ermittlungsverfahren, in ersterem Fall ist die Datengrundlage jedenfalls hier nicht bekannt. Es entspann sich eine umfangreiche Auseinandersetzung, die Labournet. Die Maßnahme selbst wurde im Oktober 2010 vom Verwaltungsgericht Wiesbaden gerügt, allerdings nicht, weil das BKA die Daten nicht hätte haben dürfen oder sollen, sondern weil es keine Rechtsgrundlage für die Übertragung an die NATO gab.

Nur die BRD und Dänemark haben Gewalttäter-Dateien

Bemerkenswert ist der Umstand, dass laut den in Ratsdokument 5450/09 dokumentierten Ergebnissen einer Umfrage im Auftrag des EU-Rates von 2009 die BRD das einzige Land der EU war, die Datenbanken für "Gewalttäter" (bzw. "Troublemaker") hatte und neben Dänemark das einzige Land, das Definitionen für diese Begriffe für sich reklamierte.

Anmerkung:Das stimmt so nicht, da Frankreich zumindestens über eine Hooligan Datei verfügt und über die Nachfolge der Edvige-Datei. Zudem hätte Österreich auch gerne so eine Datei.

In Brandenburg wurde sämtliche Staatsschutzdelikte in INPOL eingespeist

Der LfD Brandenburg bemängelt im 13. TB (2004/05), Abschnitt 5, dass nach Einrichtungsanordnung von INPOL-neu sämtliche Straftaten aus dem Staatsschutz-Bereich in INPOL übernommen werden, selbst wenn die Details nicht den INPOL-Kriterien entsprechen.

Big Brother Award

Das BKA bekam den Big Brother Award für 2002 für die Errichtung der INPOL-Teildatenbanken LIMO (linksmotivierte Straftaten), REMO (Rechtsmotivierte Straftaten) und AUMO (Ausländermotivierte Straftaten). Vgl. dazu die Laudatio von Rolf Gößner

Referenzen