Revision 6 vom 2011-01-12 12:38:01

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Auskunftsrecht

Ein Eckpfeiler des durch das Volkszählungsurteil definierten Datenschutzkanons ist ein relativ weitgehendes Auskunftsrecht der in den Datenbanken erfassten Personen zurück (in der am weitesten gültigen Fassung steht das heute in §19 Bundesdatenschutzgesetz).

Dabei ist Betroffenen von der speichernden Stelle grundsätzlich unentgeltlich Auskunft zu erteilen über die zu seiner Person gespeicherten Daten, oft auch den Zweck der Speicherung, eventuelle Übermittlungen usf.

Leider hängt die Auskunftspflicht stark davon ab, welche Behörde in welchem Bundesland die Datei führt (wobei nicht immer klar ist, wann verfassungsmäßige Grenzen überschritten werden). Besonders krass ist in diesem Zusammenhang (wenig überraschend) Bayern, wo der Verfassungsschutz das Recht auf Auskunftserteilung gänzlich negiert und nur ein paar Ausnahmetatbestände aufzählt, und im Polizeigesetz kurzerhand erklärt wird: "Art. 8 Abs. 1 , Art. 10 bis 13 , 15 Abs. 5 bis 8 , Art. 16 bis 22 und 26 bis 28 des Bayerischen Datenschutzgesetzes finden keine Anwendung." (Art. 49 im 3. Unterabschnitt) -- diese Artikel sind genau die, die überhaupt Anwendung finden könnten. Frech? Ja.

Noch schlimer ist dies auf Europäischer Ebene (wo das Volkszählungsurteil ja auch nicht wirklich einschlägig ist). Europol und SIS haben sehr niedrige Hürden zur Auskunftsverweigerung und lassen insbesondere zu (oder schreiben sogar vor), dass in bestimmten (oder allen) Fällen auch die Tatsache einer Speicherung vor den Anfragenden geheim zu halten ist.

Zur Problematik der Geheimdienste vgl. unten.

Als kleine Hilfe beim Stellen von Auskunftsersuchen gibt es auf dieser Webseite einen PDF-Generator, vgl. AuskunftErsuchen.

Gesetze

Im Bund ist das Auskunfzsrecht für alle Bundesbehörden, bis auf die Geheimdienste, durch #§19 BDSG geregelt. Für die Geheimdienste gilt das eingeschränkte Auskunftsrecht nach #§15 VerfSchG.

§19 BDSG

1) Dem Betroffenen ist auf Antrag Auskunft zu erteilen über

1. die zu seiner Person gespeicherten Daten, auch soweit sie sich auf die Herkunft dieser Daten beziehen, 2. die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, an die die Daten weitergegeben werden, und 3. den Zweck der Speicherung.

In dem Antrag soll die Art der personenbezogenen Daten, über die Auskunft erteilt werden soll, näher bezeichnet werden. Sind die personenbezogenen Daten weder automatisiert noch in nicht automatisierten Dateien gespeichert, wird die Auskunft nur erteilt, soweit der Betroffene Angaben macht, die das Auffinden der Daten ermöglichen, und der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand nicht außer Verhältnis zu dem vom Betroffenen geltend gemachten Informationsinteresse steht. Die verantwortliche Stelle bestimmt das Verfahren, insbesondere die Form der Auskunftserteilung, nach pflichtgemäßem Ermessen. (2) Absatz 1 gilt nicht für personenbezogene Daten, die nur deshalb gespeichert sind, weil sie aufgrund gesetzlicher, satzungsmäßiger oder vertraglicher Aufbewahrungsvorschriften nicht gelöscht werden dürfen, oder ausschließlich Zwecken der Datensicherung oder der Datenschutzkontrolle dienen und eine Auskunftserteilung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde. (3) Bezieht sich die Auskunftserteilung auf die Übermittlung personenbezogener Daten an Verfassungsschutzbehörden, den Bundesnachrichtendienst, den Militärischen Abschirmdienst und, soweit die Sicherheit des Bundes berührt wird, andere Behörden des Bundesministeriums der Verteidigung, ist sie nur mit Zustimmung dieser Stellen zulässig. (4) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit

1. die Auskunft die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden Aufgaben gefährden würde, 2. die Auskunft die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährden oder sonst dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 3. die Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen und deswegen das Interesse des Betroffenen an der Auskunftserteilung zurücktreten muss. (5) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf einer Begründung nicht, soweit durch die Mitteilung der tatsächlichen und rechtlichen Gründe, auf die die Entscheidung gestützt wird, der mit der Auskunftsverweigerung verfolgte Zweck gefährdet würde. In diesem Fall ist der Betroffene darauf hinzuweisen, dass er sich an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wenden kann. (6) Wird dem Betroffenen keine Auskunft erteilt, so ist sie auf sein Verlangen dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit zu erteilen, soweit nicht die jeweils zuständige oberste Bundesbehörde im Einzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde. Die Mitteilung des Bundesbeauftragten an den Betroffenen darf keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der verantwortlichen Stelle zulassen, sofern diese nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. (7) Die Auskunft ist unentgeltlich.

Quelle: Bundesdatenschutzgesetz

§15 VerfSchG

(1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz erteilt dem Betroffenen über zu seiner Person gespeicherte Daten auf Antrag unentgeltlich Auskunft, soweit er hierzu auf einen konkreten Sachverhalt hinweist und ein besonderes Interesse an einer Auskunft darlegt. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit

1. eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, 2. durch die Auskunftserteilung Quellen gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu befürchten ist, 3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheimgehalten werden müssen.

Die Entscheidung trifft der Behördenleiter oder ein von ihm besonders beauftragter Mitarbeiter. (3) Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich nicht auf die Herkunft der Daten und die Empfänger von Übermittlungen. (4) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, ist der Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, daß er sich an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. Dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz ist auf sein Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit nicht das Bundesministerium des Innern im Einzelfall feststellt, daß dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde. Mitteilungen des Bundesbeauftragten an den Betroffenen dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand des Bundesamtes für Verfassungsschutz zulassen, sofern es nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt.

Quelle: VerfschG (Verfassungsschutzgesetz)

Auskunftsverweigerung

Eine gerade im politischen Bereich mit häufigen Spitzeleinsätzen ernsthafte Einschränkung des Auskunftsrechts ist, dass bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, bei Gefährdung von Ermittlungspersonal u.ä. die Auskunft unterbleiben darf. In solchen Fällen erfolgt eine Rechtsbehelfsbelehrung, und man sollte nicht zögern, mit solchen Nummern zum/zur zuständigen Datenschutzbeauftragten zu gehen, da eine solche Grundrechtsbeschränkung in jedem Fall ernst ist.

Identitätsprüfung

Zur Auskunft muss die Polizei die Identität des Anfragenden prüfen, was in der Regel durch eine beglaubigte Kopie des Personalausweises passiert. Weitergehende Anforderungen sind nicht statthaft (vgl. 6. TB des LfD MV). Die "Beglaubigung" kann für diese Zwecke (wiederum kostenlos) von der nächsten Polizeidienststelle vorgenommen werden; es ist nicht nötig, dafür irgendwelchen Bürgerämtern o.ä. Gebühren zukommen zu lassen.

Dienste

Einer Auskunftspflicht gegenüber den Betroffenen besteht auch für Geheimdienste, hier insbesondere den Verfassungsschutz ([[Auskunftsrecht#§15 VerfSchg|§15 Bundesverfassungsschutzgesetz]], viele verschieden lautende Regelungen für die Landesämter). Sehr häufig ist hier aber vorgeschrieben, dass ein Auskunftsersuchen nur unter Hinweis auf einen konkreten Sachverhalt und/oder eine besonderes Interessen an der Auskunft gestellt werden kann. Die Auskunftserteilung kann i.d.R. ohne Benennung eventueller Gründe unterbleiben. Immerhin ist das Opfer auf den Weg zum/zur zuständigen Datenschutzbeauftragten hinzuweisen (es ist dann also klar, dass es etwas gibt, nicht aber, was).

Es muss wohl nicht eigens betont werden, dass gerade in einem praktisch nicht kontrollierten Bereich wie den Geheimdiensten so etwas der Intention des Verfassungsgerichts beim Volkszählungsurteil ins Gesicht fliegt (immerhin ist für die perfekt legal, den Umstand des Auskunftsersuchens in ihren Datenbanken zu speichern). Brandenburg etwa macht außerdem vor, dass der Russe nur in recht überschaubaren Zahlen kommt, wenn man hier jedenfalls auf dem Papier etwas verfassungsgemäßer vorgeht.

Nach Lage der Dinge raten wir jedenfalls in der Regel von Auskunftsersuchen bei den Geheimdiensten, die keine allgemeine Auskunftspflicht haben. Der Deal, nach dem man zunächst selbst Information preiszugeben hat, um häufig banale und unvollständige Infos vom Verfassungsschutz zu bekommen und dann nicht viel gegen die Frechheit tun zu können, dieser Deal ist ein Mist.

Es gab in diesem Bereich schon etliche Verfahren; je nach Sachlage könnten wir uns vorstellen, auch mal eins zu betreuen und teilzufinanzieren, denn dieser Skandal gehört regelmäßig publik gemacht.

In seinem 36. TB (2008), 1/5.3.4, äußert sich der LfD Hessen relativ zufrieden über die Auskunftspraxis des VS in Hessen.

Akteneinsicht

Grundsätzlich bezieht sich das Auskunftsrecht erstmal nur auf Daten im Rechner. Diese sind in der Tat etwas qualitativ anderes als Daten in Akten, denn sie können mit vernachlässigbarem beliebig vervielfältigt, verbreitet indiziert und automatisch weiterverarbeitet werden.

Dennoch wurde schon eifrig diskutiert, ob Akten im Zeitalter von OCR und Massenscannern nicht einfach nur Datenkatastrophen sind, die aufs Passieren warten. Etwas rechtssystematischer ist natürlich auch für Daten in Akten u.ä. die Frage nach der Menschenwürde (aus der ja das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und also die Auskunftspflicht abgeleitet sind) zu stellen.

So hat das Bundesverfassungsgericht in 1 BvR 1130/ 98 (16.9.1998) argumentiert, es gebe einen der Auskunftspflicht aus Datenbanken analogen Anspruch auf Einsicht in Krankenakten (der natürlich eingeschränkt werden kann, aber immerhin).

Für Daten aus dem Repressionsbereich hat http://lexetius.com/2007,4090, es wolle die Frage nicht grundsätzlich klären, sprach aber dem Kläger (in dem Fall einem vom BND bespitzelten Journalisten) immerhin im konkreten Fall ein Auskunftsrecht zu.