Die Gendatenbank des BKA

DAD's keeping you safe

Seit April 1998 betreibt das BKA eine Datei mit Genetischen Fingerabdrücken von mutmaßlich schwer kriminellen (oder politisch aktiven) Menschen bzw. von Material, das an Tatorten vorgefunden wurde. Diese Datei, DNS-Analyse-Datei oder kurz DAD genannt, hatte Ende letzten Jahres mal wieder einen Starauftritt, als der Mord an Rudolph Moshammer mit ihrer Hilfe in Rekordzeit aufgeklärt wurde. Die vorhersehbare Konsequenz war ein Chor von SicherheitsfanatikerInnen, die dringend ihren Ausbau forderten – und vor allem den Abbau der Regularien, die bisher einen aus obrigkeitlicher Sicht effektiven Einsatz von DNS-Spuren noch behindern. Worum geht es bei der Diskussion?

Der Genetische Fingerabdruck

Die DAD speichert im Augenblick keine Gensequenzen – ihre Bestimmung wäre beim gegenwärtigen Stand der Technik auch viel zu aufwändig – sondern Genetische Fingerabdrücke (GF). Der Begriff „Fingerabdruck“ ist selbst schon ein Stück Orwell'scher Neusprech, weil er suggeriert, die neuen DNS-basierten Methoden seien qualitativ nichts anderes als die aus ungezählten Krimis bekannten „richtigen“ (daktyloskopischen) Fingerabdrücke. Die Wirklichkeit sieht natürlich ganz anders aus.

Heute werden GF meist mittels der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) [1] bestimmt. Dabei sorgt eine Mischung aus Enzymen und Temperaturführung dafür, dass bestimmte Abschnitte einer DNS-Probe wieder und wieder kopiert werden, so dass aus einem einzigen Stück DNS nach 20 Durchläufen rund eine Million Kopien geworden sind. Welche Teile der DNS vervielfältigt werden, kann dabei relativ frei bestimmt werden.

Für die GF werden ein rundes Dutzend kurzer Abschnitte gewählt, in denen sich eine bestimmte Abfolge (Sequenz) von Basenpaaren etliche Male wiederholt, so genannte Minisatelliten. Der Trick ist nun, dass die Sequenzen in allen menschlichen Genomen vorhanden sind, von Individuum zu Individuum aber variiert, wie oft eine die Sequenz wiederholt wird.

Nun sind Abschnitte mit mehr Wiederholungen natürlich länger als solche mit weniger Wiederholungen. Durch das physikalische Verfahren der Elektrophorese kann man die durch die PCR kopierten Minisatelliten nach Länge ordnen und erhält mit ein wenig Technik ein Streifenmuster, das, sofern genug Abschnitte verwendet wurden, tatsächlich einen Menschen eindeutig identifiziert (eineiige Zwillinge mal ausgenommen).

Es war lange Lehrmeinung, dass die Teile der DNS, in denen Folgen von Basenpaaren scheinbar sinnlos wiederholt werden, tatsächlich sinnlos sind, und so kam der Umstand, dass gerade die Minisatelliten so bequeme Daten liefern, auch propagandistisch sehr recht: Die entsprechenden Sequenzen wurden als „nichtkodierend“ deklariert, was suggerieren sollte, dass aus ihnen keine Schlüsse über die Person selbst (etwa Haar- und Augenfarbe oder Anfälligkeit für Mukoviszidose) möglich seien – das BKA selbst ist da von der Terminologie her etwas unsicher und schreibt seit Jahr und Tag in seinem Profil von „uncodierten“ Teilen der DNS.

So oder so sollte das kaum beruhigen, denn abgesehen davon, dass sich das Bild der „Schrott-DNS“, die keine Bedeutung hat, zunehmend wandelt [Ein lesbarer Übersichtsartikel zu diesem Thema ist in Spektrum der Wissenschaft 3/2005 erschienen – DSG], bleibt auch sonst genug Repressionskraft in den Daten. Von Plänen, auch „kodierende“ Abschnitte zu verwenden, wollen wir dabei noch gar nicht reden; wenn die Molekularbiologie erstmal so weit ist, werden entsprechende Begehrlichkeiten ohnehin nur schwer zu bremsen sein.

Rechtslage

Gegenwärtig unterliegt die Abnahme eines GF in der BRD noch dem Richtervorbehalt, d.h. anders als bei Fingerabdrücken oder Fotos, die die Polizei nach Gutdünken erheben und die mensch ihnen allenfalls in mühsamen Widerspruchsverfahren wieder entwinden kann, muss vor der Entnahme von Körpermaterial zur molekulargenetischen Untersuchung ein Richter konsultiert werden (Paragraph 81f StPO – manche Polizeigesetze lassen allerdings zu, dass die Polizei „freiwillig“ gegebene DNS-Proben nehmen darf). Dies ist zwar nur ein schwacher Trost, weil die Justiz gerade bei politischen Verfahren gerne mit dem Gummistempel operiert – AktivistInnen kennen diesen von Anordnungen zur Hausdurchsuchung – lässt aber immerhin ahnen, dass auch Gesetzgeber und Verfassungsgericht wussten, dass sie hier mit wesentlichen Grundrechten spielen und eine gewisse Schamschwelle nicht überschreiten wollten.

Schamschwellen dieser Art fallen derzeit schneller als Bäume im Regenwald, wohl nicht zuletzt, weil Datenschutz im augenblicklichen gesellschaftlichen Diskurs allenfalls beim Zugriff auf Kontodaten noch viele Gemüter erhitzt. So haben am 18.2.2005 die üblichen Verdächtigen (u.a. Hessen, Bayern und Hamburg) ein Gesetz in den Bundesrat eingebracht, das den Richtervorbehalt kippen soll.

Das ist insbesondere deshalb bitter, weil Polizei und Staatsanwaltschaft so nicht mal mehr mühsam Paragraph 129a-Fantasien oder Wiederholungsgefahr konstruieren müssen, um GF von politischen AktivistInnen abzunehmen und sich so die letzten Hemmungen in Missfallen auflösen. Die Konsequenzen flächendeckender Erfassung der GF politisch auffälliger Menschen sind schwer zu überschätzen; dass die Polizei – vom Verfassungsschutz, der sich dank Schilys Sicherheitspaketen auch frei in DAD bedienen kann, mal ganz zu schweigen – auf Wunsch für ein paar Euro feststellen kann, wer ein Plakat geklebt oder ein Flugblatt verteilt hat, ist dabei eher noch harmlos.

Die Praxis

Auch wenn der Abbau von Bürgerrechten im Bereich der GF meist anlässlich tatsächlich empörender Fälle begründet wird – vor allem sexuell motivierter Gewalt – dienen die Daten doch „weit überwiegend“ (so der Bundesdatenschutzbeauftragte schon 2000) zur Verfolgung von Trivialkriminalität (Einbruch oder Diebstahl) – im UK gibt es dazu auch Zahlen, dort betrafen schon 1997 97% der Funde in der Gendatenbank minderschwere Straftaten [2] . Es ist so gut wie sicher, dass mit dem Ausbau der Datenbestände der Anteil tatsächlicher Schwerkriminalität noch abgenommen hat. Wie so oft werden hier also Ängste und Empörung instrumentalisiert, um soziale wie politische Repressionsinstrumente in die Hand zu bekommen – nur ist der Buhmann dieses Mal nicht wie in den siebziger Jahren grob der radikalen Linken zuzuordnen.

Unterdessen wächst und gedeiht DAD – von 0 im April 1998 über rund 81000 Datensätze Ende 2000 auf jetzt 386000 Datensätze, die zu 83% Personen zugeordnet sind (die restlichen sind Tatortspuren). Wie viele davon einen klaren politischen Hintergrund haben, ist unklar, aber angesichts der großzügigen Anwendung der DNS-Analyse etwa bei Hausbesetzungen oder im Castorumfeld ist wohl mit einigen hundert bis tausend einschlägigen Spuren zu rechnen.

Was tun?

Wer vermutet, dass schon GF von ihm oder ihr in DAD liegen, sollte sich zunächst durch ein Auskunftsersuchen an das BKA Gewissheit verschaffen [3] ; an sich sollte es auf Landesebene keine Sammlungen von GF geben, sicher ist das aber nicht, so dass sich auch eine Anfrage an das LKA lohnen kann. Wenn tatsächlich GF gespeichert sind, kann je nach Fall ein Löschersuchen Erfolg haben – wir helfen gerne dabei.

Die Vermeidung von DNS-Spuren ist fast unmöglich. Wie oben gesagt, ist die PCR so effektiv, dass im Prinzip ein einziger Zellkern reicht, um euch zu identifizieren, und ihr verliert in jeder Sekunde genug Zellen, um mehr als ausreichend Material für einen GF zu liefern. Genau das ist ja auch, was sogar der bürgerlichen Justiz – oder jedenfalls deren liberalem Teil – Bauchschmerzen bereitet: Flächendeckende Erfassung der GF würde das Ende jeder Anonymität und die Umkehr der Unschuldsvermutung bedeuten. Und das wäre nicht nur beim Plakatieren oder Verteilen von Flugblättern ausgesprochen ungünstig, sondern auch bei allerlei FDGO-konformen Aktivitäten von Bankbesuchen bis zu Arbeitsessen.

Die Empfindlichkeit der PCR ist allerdings auch ein Fluch, denn natürlich wird auch „unschuldiges“ Genmaterial mit gleicher Empfindlichkeit nachgewiesen, solange es von halbwegs menschenähnlichen Wesen kommt. Entscheidend für die Behörden ist also, tatsächlich Material zu finden, das eindeutig dem/der „TäterIn“ zuzuordnen ist – hierbei lässt sich natürlich schon das eine oder andere tun. Und schließlich gibt es ja auch noch die Fälle, in denen genetisches Material gezielt angebracht wurde oder der Staatsgewalt fremdes Genmaterial als eigenes untergeschoben wurde...

In letzter Konsequenz hilft allerdings nur eine entschiedene Bekämpfung aller Formen der DNS-Analytik in der Hand der Staatsgewalt. Das Big Brother- (oder sollte das Big DADdy heißen?) Potenzial dieser Technologien ist so groß, dass ihr Einsatz nie verhältnismäßig sein kann. Schlimmer noch, alle Erfahrung zeigt: Die Begehrlichkeiten nehmen kein Ende. Was jetzt als GF auftritt, kann schon morgen Genetic Profiling nach DissidentInnen werden.

Darum: DAD löschen!

Datenschutzgruppe der Roten Hilfe Heidelberg

datenschutzgruppe@rotehilfe.de

PGP Fingerprint: a3d8 4454 2e04 6860 0a38 a35e d1ea ecce f2bd 132a

http://www.datenschmutz.de

[1]Eine gute Einführung in diese Technik findet sich in der Wikipedia
[2]Mehr dazu in dem lesenswerten Cilip-Artikel http://www.infolinks.de/cilip/ausgabe/61/dna.htm
[3]siehe dazu den Artikel „Auskunft verlangen“ in der RHZ 1/2005 bzw. http://www.datenschmutz.de/

Dieser Artikel ist in der Kolumne get connected der Zeitung der Roten Hilfe erschienen. Das Material kann gerne gemäß CC-0 weiterverwendet werden.

get connected wird von der Datenschutzgruppe der Roten Hilfe Heidelberg betreut.