Revision 26 vom 2013-07-16 13:56:52

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Datenbanken in Berlin

Rechtsgrundlage

Polizei

Auskunftssysteme der Polizei

Ein altes System namens ISVB, Informationssystem Verbrechensbekämpfung Berlin, wurde zum 30.03.2005 durch POLIKS (das auch in Bremen zum Einsatz kommt) abgelöst (Näheres zu POLIKS). Das neue System ist eine Entwicklung der Software-Firma gedas. POLIKS wird im IT-Dienstleistungszentrum Berlin betrieben. Im 30. TB LfD Berlin (1.3.2) wird das Logging von POLIKS-Anfragen diskutiert. Der Kram klingt etwas konfus, denn es gibt offenbar zwei Logs, in dessen einem Anfragen landen sollen, die "keinem datenschutzrechtlichen Kontrollinteresse unterliegen".

Microsoft gibt die Berliner Polizei als Referenzkunden an (wobei das System serverseitig wohl wesentlich auf J2EE basiert). Die Zugriffskontrolle selbst geht dann (30. TB LfD Berlin, 1.3.2) durch Zuweisung von Rechten im Microsoft Active Directory, wobei es offenbar im Wesentlichen fünf Berechtigungsstufen gibt.

Federführung bei Poliks reklamiert T-Systems für sich. Die geben an, das System habe 17000 Nutzer und würde (2008) "über 300000 Transaktionen" pro Tag abarbeiten. Im Datenblatt gibt T-Systems weiter Schnittstellen zu INPOL, AZR, ZEVIS, dem Melderegister, BIDAVIS (ein erkennungsdienstliches System -- weiß wer was dazu?), CASA (Fallbearbeitung?) sowie einem "Datawarehouse" (d.h. Data Mining ) an.

Zur Natur dieser Schnitstellen führt dr 30. TB LfD Berlin (1.3.2) aus, sie erfolgten "meist mit gesichertem Webservice, in einigen Fällen per File-Transfer, selten auch nur in Papierform."

Die Berliner Polizei führt zwecks "Erkennen von Personen- und Sachzusammenhängen, der Dokumentation polizeilichen Handelns und der Unterstützung, Koordination und Anregung von Ermittlungen" eine Auswertedatenbank "Polizeilicher Staatsschutz" (30. TB LfD Berlin, 2/3.1.6). Als Aussonderungsprüffrist genehmigt sich der Staatsschutz 10 Jahre (bei Kindern (!) 2, bei Jugendlichen und Personen über 70 Jahre 5). "Gespeichert werden die Daten von Beschuldigten und Tatverdächtigen, von Personen, deren Daten bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen oder Ansammlungen (§ 24 ASOG) oder durch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen nach §§ 25, 26 ASOG erhoben wurden, sowie bestimmter anderer Personen wie z.B. Zeugen, Hinweisgeber und andere Auskunftspersonen... Selbst innerhalb der polizeilichen Abteilung Staatsschutz bestehen keine generellen, sondern abgestufte Zugriffsrechte auf die Datei." (30. TB, aaO). Wie diese Abstufung aussieht, ist unklar.

Auskünfte

Zu der Steigerung der Auskunftsanträge wird in einem frechen Papier des Innensenats (Drucksache 13/2267, http://www.datenschutz-berlin.de/attachments/80/Spannungsbericht.pdf?1171031187) folgendes ausgeführt:

Die von der Polizei zu bearbeitenden Anträge auf Datenauskunft und Datenlöschung haben seit 1980 kontinuierlich zugenommen: 1980: 65 Anträge, 1990: 285 Anträge, 1991: 372 Anträge, 1992: 326 Anträge, 1993: 789 Anträge, 1994: 482 Anträge und 1995: 515 Anträge

Die ungewöhnliche Steigerung im Jahr 1993 dürfte auf ein Datenschutzscheckheft des Berliner Datenschutzbeauftragten zurückzuführen sein, dem fertig vorformulierte Anträge zu entnehmen waren. Die Bearbeitung eines Antrags auf Datenauskunft verursacht etwa 6 Stunden Arbeitsaufwand, für die Bearbeitung eines Datenlöschungs- bzw. -vernichtungsantrags müssen etwa 15 Arbeitsstunden aufgewendet werden. Für die Bearbeitung derartiger Anträge müssen innerhalb der Polizeibehörde bis zu 25 Dienststellen beteiligt werden, da personenbezogene Daten nicht nur zentral, sondern auch dezentral verarbeitet werden. Das bedeutet, daß jede datenverarbeitende Fachdienststelle prüfen muß, ob ein Antragsteller dort erfaßt ist und die Daten gegebenenfalls gelöscht werden können. Alle diese Arbeiten müssen von Vollzugsbeamten erledigt werden. Die Entscheidung, ob Daten geheimhaltungsbedürftig sind, ob eine weitere Speicherung erforderlich ist oder ob zu erwarten ist, daß ein Betroffener erneut kriminalpolizeilich in Erscheinung treten wird, muß in jedem Einzelfall auf Grund einer kriminalistisch-kriminologischen Prognose und unter Berücksichtigung kriminalistischer Arbeitsmethoden getroffen werden. Diese Entscheidung kann nicht auf Hilfskräfte übertragen werden.

Vorgangsbearbeitung

Poliks scheint ein integriertes System zu sein (ansonsten hätte es ISVB wohl nicht ablösen können). Könnte wer aus Berlin mal eine IFG-Anfrage ans Innenministerium stellen? Datenschutzrechtlich ist eine Zusammenlegung von Auskunftssystem und Vorgangsbearbeitung wohl jedenfalls kritisch.

Weiteres

In einem Artikel über Poliks wird über Schwierigkeiten beim Datenaustausch zwischen Asta (vgl. Staatsanwaltschaften) und Poliks berichtet. Laut 30. TB LfD Berlin, 1.2.3 setzt die Berliner Staatsanwaltschaft mittlerweile auf ein System namens MODESTA (Zusammenhang mit MESTA?), das bereits elektronische Akten enthält und mit POLIKS, BZR, ZStV usf. Daten austauscht.

Die Kopplung zwischen Polizei und Meldebehörde ist laut 30. TB LfD Berlin, 2/4.1.4 in Berlin (für Passdaten) nur "halbautomatisch", was offenbar meint, die Polizei brauche für die Recherche die Passnummer (und kann also nicht umgekehrt etwa nach Namen, Augenfarbe, besonderen Kennzeichen oder gar gegen die Fotos suchen).

Berlin hat sich 2012 auch einen Staatstrojaner der Firma Syborg zugelegt.

Verfassungsschutz

Datenbanken der Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Abteilung II)

NADIS, wie alle VS-Behörden

Laut Drucksache 17 / 10 058 (Januar 2012) verfügt der VS Berlin "nicht über ein Dokumentenmanagementsystem und führt auch keine elektronischen Sachakten". Es gibt aber eine 2006 eingeführte "Amtsdatenbank", wobei der Zugriff auf die dort gespeicherten Daten angeblich Beschränkungen unterliegt. Angeblich ist "die Möglichkeit einer Volltextsuche technisch ausgeschlossen", was zumindest aus Sicht eines Datenbankadministrators nicht schlüssig scheint.

Auskünfte

Der VS Berlin erteilt immerhin Auskünfte, auch wenn es erfahrungsgemäß viel Geduld braucht (Antwortzeiten von einem Jahr sind wohl nicht ungewöhnlich). Als Grundlage der Speicherung wird "§§5 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. 11 Abs. 1 Nr. 1 VSG Bln" angegeben (wenn wer mal was anderes sieht: Bitte hier vermerken); technische Details (etwa: Welche Datenbanken, wer hat Zugriff?) werden nicht gegeben.

Inhaltlich werden Teilnahmen an Aktionen beauskunftet, z.T. auch welche, bei denen wohl kein Polizeikontakt stattfand bzw. die kaum als Aktionen zu werten sind (denkbar wäre da etwa BUKO); der VS hat es also offenbar immerhin nicht als geheimhaltungswürdig angesehen, dass er vor Ort recherchiert. Dazu kommen typischerweise Daten der Ordungsbehörde (also: Anmelder_in von Kundgebungen und/oder Infoständen); solche Meldungen hat schon im letzten Jahrtausend der LfD BaWü gerügt (17. TB (1996), S. 43).

Der VS Berlin schließt wohl recht durchweg mit:

Weitergehende Auskünfte können Ihnen nicht erteilt werden. Einer weitergehenden Auskunft steht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Geheimhaltung der Tätigkeit der Berliner Verfassungsschutzbehörde und ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse Dritter gemäß §31 Absatz 2 Satz 1 VSG Bln entgegen.

Es folgen dan noch mehrfache Berufungen auf §31 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 sowie auf §31 Abs. 1 Satz 2 VSG Berlin. Wer da mal was anderes sieht, könnte auch hier Bescheid sagen.

Über die Untätigkeit des Berliner VS bezüglich Auskunftsersuchen von Betroffenen und die anschließende parlamentarische "Nachbereitung" der "Missstände" wurde ausführlich bei Netzpolitik.org berichtet:

Das entsprechende Protokoll des parlamentarischen Ausschuss kann hier nachgelesen werden.

Skandale

2003 bezeichnete der LfD das ISVB als "Kriminalitätsschwerpunkt", weil es beliebig zur privaten Recherche der MitarbeiterInnen genutzt wurde -- in einem Fall hat ein solcher Missbrauch auch mal zu 100 Tagessätzen geführt.

Es traten bei der Einführung von POLIKS zahlreiche Schwierigkeiten auf, die sowohl der Berliner Datenschutzbeauftragte (heise-Meldung dazu), als auch die Benutzer (heise zum Thema, Erklärung der Berliner Polizei) bemängeln.

2005 führen diese Schwierigkeiten zur Ablehnung von POLIKS durch Brandenburg, was natürlich im Hinblick auf die nach wie vor angestrebte Länderfusion bitter ist. Der zitierte Artikel nennt auch Kosten von 73 Millionen Euro für das System.

Im 30. TB LfD Berlin (1.3.3) wird kritisiert, die Berliner Polizei würde recht willkürlich Auskünfte verweigern.

30. TB LfD Berlin, 2/3.1.5: Der Senat gibt an, Einzelfallprüfungen bei der Löschung von Fällen könnten aus Kapazitätsgründen nicht vorgenommen werden, da es um 40000 Fälle pro Jahr gehe. Diese Auskunft zeugt von kräftigem Selbstbewusstsein, da sämtliche Gerichtsurteile immer darauf abheben, eine Speicherung, speziell bei Einstellungen nach 170 (2), sei immer an einer Einzelfallprüfung gebunden. Die Einlassung erfolgt auf einen Fall hin, in dem jemand bei der Polizei "Beobachtungen" berichten wollte und daraufhin mit zwei Speicherungen nach 170 (2) konfrontiert worden war; diese wurden nach zweimaliger Intervention des LfD gelöscht.