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Revision 6 vom 2009-10-14 18:57:53
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Revision 13 vom 2009-11-08 19:48:41
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Ebene. Nach offizieller Darstellung ist sein Sinn, die Abschaffung der
Grenzkontrollen im Schengenland zu kompensieren (vgl.
[http://europa.eu.int/smartapi/cgi/sga_doc?smartapi!celexplus!prod!DocNumber&lg=de&type_doc=COMfinal&an_doc=2001&nu_doc=720 Rechtsakt von 1985]: "Schutz der Grenzen und Kontrolle von
Personenbewegungen"). Dementsprechend wird an den
Schengen-Außengrenzen für alle einreisenden Bürger''''''Innen von
Drittstaaten eine SIS-Abfrage durchgeführt. Ausgeschriebenen Personen
wird (zumindest mal) die Einreise verweigert.
Auf
[http://www2.europarl.eu.int/omk/sipade2?PUBREF=-//EP//TEXT%2BREPORT%2BA5-2002-0436%2B0%2BDOC%2BXML%2BV0//EN&L=EN&LEVEL=1&NAV=S&LSTDOC=Y spanische Initiative] (2002, also lang vor den Anschlägen von Madrid)
darf SIS auch im Politbereich (a.k.a. "Terrorbekämpfung")
eingesetzt werden.

Dem entspricht, dass SIS aus der "zweiten Säule" (gemeinsame Außenpolitik) der EU kam, aber zunehmend in die [http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/cig/g4000s.htm dritte Säule] (gemeinsame Rechts- und Innenpolitik, also Repression gegen EU-BürgerInnen) rutscht.

"Rechtsgrundlage" -- so dieser Name verdient ist -- ist das
[http://www.aufenthaltstitel.de/schengeneruebereinkommen.html Schengener Durchführungsabkommen (SDÜ)] (Titel IV). Unter anderem
können neben Personen, denen die Einreise in den Schengen-Raum
verweigert wurde, auch Personen, die "verdeckt registriert oder gezielt
kontrolliert" werden sollen ausgeschrieben werden. Das bedeutet, dass
durchaus auch bei Kontrollen im Inland SIS-Abfragen stattfinden
(können).

Dazu gibt es in der Regel nationale Gesetzgebung, in der BRD aktuell
[http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/108/1610816.pdf SIS II-Gesetz].
Ebene.

Sinn von SIS war ursprünglich, die Abschaffung der Grenzkontrollen im
Schengenland zu kompensieren ("Schutz der Grenzen und Kontrolle von
Personenbewegungen"). Die Vorstellung war, Kram, der bisher bei
Grenzkontrollen auffliegen konnte (unerwünschte Migration, Kfz-Diebstahl)
durch Aufnahme in einer Datenbank überall prüfbar zu machen, und zwar
insbesondere auch außerhalb des Staates, dem etwas aufgefallen ist. Zu
Zeiten der Planung SIS haben sich die Polizeien noch weniger getraut als
jetzt, was den Entwurf eines funktionierenden Systems schwer gemacht hat.

= Rechtsgrundlage =

SIS wurde durch [[http://www.datenschmutz.de/li/docs/SDUe-KapIV.pdf|Kapitel IV des Schengener-Durchführungsabkommens]]
(im Folgenden: SDÜ) sowie seine nationalen Umsetzungsgesetze
(in der BRD derzeit offenbar das [[http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/108/1610816.pdf|SIS II-Gesetz]])
geregelt ([[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:42000A0922(02):DE:HTML|Schengen-Konvention komplett]]).

Da Schengen insgesamt ein Projekt der "erste Säule" der EU (gemeinsame
Wirtschaftspolitik; dazu zählt mithin insbesondere das Migrationsregime) ist, gehörte auch SIS ursprünglich dort hinein.
Die Ausweitung von SIS für die "gemeinsame Rechts- und Innenpolitik"
(also Repression gegen EU-Bürger``Innen) lässt zunehmend Funktionen der
[[http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/cig/g4000s.htm|dritte Säule]] relevant
erscheinen. Das ist vor allem aufgrund der verschiedenen Beschlussregeln
in den verschiedenen Säulen relevant.

Wesentlichste Erweiterung war die
[[http://www.datenschmutz.de/li/docs/2002-spanischeIni.pdf|Spanische
Initiative]] (2002, also lang vor den Anschlägen von Madrid); sie nahm
bereits einige der Erweiterungen vor, die für [[SIS II]] geplant sind.


Art 93 SDÜ erklärt die öffentliche Sicherheit und Ordnung inkl Staatssicherheit
zum Zweck von SIS. Dies ist, zumal angesichts der "ersten Säule", ein
Geburtsfehler von SIS, denn die Zweckbestimmung ist so nebulös, dass sie
de facto kein Regulativ bietet.


= Struktur =

Physisch existiert eine Datenbank bei C-SIS in Straßburg. Für [[SIS II]] ist
ein Spiegel in Österreich geplant, ob sowas schon für SIS selbst läuft, wissen
wir nicht. Artikel 92 (2) SDÜ sieht vor, dass Spiegel davon ("inhaltlich identisch") jeweils national vorgehalten werden ("N-SIS").
C-SIS hat (Art. 92 (3) SDÜ) neben der Funktion als Synchronisationsserver
noch die Aufgabe, gelöschte Daten für ein Jahr weiter zu halten, um eine
datenschutzrechtliche Prüfung nach Art. 113 (2) SDÜ zu erlauben.

Jeder Schengen-Staat unterhält ein [[Sirene]]-Büro (in der BRD ist das das BKA),
das die Kommunikation mit SIS abwickelt und wohl in aller Regel auch das N-SIS
laufen lässt. Lokale Behörden fragen SIS als das N-SIS beim BKA ab. Vermutlich
können sie dort auch Speicherungen vornehmen, jedoch ist der
Ausschreibungsprozess glücklicherweise kompliziert (vgl. die Seite zu
[[Sirene]]), so dass das "Hochladen" zum C-SIS vermutlich mit BKA-Handarbeit
verbunden ist.

Eine "Kontrolle" soll durch eine gemeinsame Kommission ("Joint Supervisory Body", JSB) aus
Datenschutzbehörden der Mitgliedsstaaten erfolgen. [[http://www.bfdi.bund.de/cln_111/DE/Oeffentlichkeitsarbeit/Taetigkeitsberichte/Functions/TB_Schengen_table.html|Deren Berichte]] waren
bisher immer ausgesprochen inhaltsleer.

= Inhalt =

SIS enthält vor allem Daten über Einreiseversuche von Menschen, die nicht aus
der EU kommen; dazu gibt es Fahndungs- und Ausschreibungsdaten über Personen
und Gegenstände.

== Grundlagen ==

Art. 94 (3) SDÜ will Personen mit folgenden Merkmalen speichern:

 * Name, Vorname (Alias macht normalerweise extra-Record)
 * Erkennungszeichen
 * Geburtsort und -datum,
 * Geschlecht,
 * Staatsangehörigkeit,
 * PHW bewaffnet/gewalttätig,
 * Ausschreibungsgrund (nach SDÜ),
 * Maßnahme (Registrierung, Festnahme, Ausweisung, etc)

Die spanische Ini fügt dem noch die Art der strafbaren Handlung hinzu,
sowie bei 95er und 99er-Ausschreibungen, ob der/die Gesuchte aus der Haft entflohen ist.

Insgesamt ist das Datenmaterial überschaubar; angesichts der drakonischen
Wirkungen einer Ausschreibung (etwa: Einreiseverweigerung, verdeckte
Registrierung) kommts darauf aber auch schon fast nicht mehr
an.
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gespeichert. Die Praxis ist jedenfalls uneinheitlich. Die
SIS-Bestimmungen erfordern allerdings, dass, wer oder was immer in SIS
zur Fahndung ausgeschrieben ist, in mindestens einem Schengenstaat zur
Fahndung ausgeschrieben sein muss. Dennoch wird oft kritisiert, dass bei
SIS-Einträgen aus anderen Staaten die Grundlage des Eintrags nicht
reproduzierbar ist.

Physisch steht die Datenbank bei C-SIS in Straßburg. Über die Abbildung
nationaler Datensätze auf das Schema von C-SIS wissen wir nichts.

Jeder Schengen-Staat unterhält ein Sirene-Büro (vlg. ["Datenbanken EU"];
in der BRD ist das das BKA), das die Kommunikation mit SIS abwickelt.
Offenbar können aber lokale Behörden auch direkt in SIS speichern und
Abfragen ohne den Umweg über Wiesbaden oder jedenfalls manuelle
Intervention von dort abwickeln.

Eine "Kontrolle" soll durch eine gemeinsame Kommission ("Joint Supervisory Body", JSB) aus
Datenschutzbehörden der Mitgliedsstaaten erfolgen. [http://www.bfdi.bund.de/cln_111/DE/Oeffentlichkeitsarbeit/Taetigkeitsberichte/Functions/TB_Schengen_table.html Deren Berichte] waren
bisher immer ausgesprochen inhaltsleer.

== Inhalt ==

Fahndungs- und Ausschreibugnsdaten über Personen und Gegenstände, offenbar
ziemlich begrenzt und wenig standardisiert.

Zwei große Säulen: "Artikel 96"-Daten zu Migration und "Artikel
99"-Daten zur Überwachung im Inneren.

Im Groben scheinen die Mitgliedsstaaten "Alerts" zu speichern, also eine Art
Ausschreibung. Wenn ein "Alert" bei einer abfrage "feuert", ergibt sich
ein "Hit", der dann an die Behörde, die den "Alert" herausgegeben hat,
zurückgemeldet wird. Über Aktionen vor Ort bestimmt die Behörde am Ort, wobei
die einspeichernde Behörde aber eine "action to be taken" (offenbar aus einem
vorgefertigten Vokabular) auswählen kann.
gespeichert (was nach SDÜ illegal ist).

Die SIS-Bestimmungen erfordern allerdings, dass, wer oder was immer in SIS zur
Fahndung ausgeschrieben ist, in mindestens einem Schengenstaat zur Fahndung
ausgeschrieben sein muss. Dennoch wird oft kritisiert, dass bei SIS-Einträgen
aus anderen Staaten die Grundlage des Eintrags nicht reproduzierbar ist.

== Kategorien ==

Die SDÜ kennt etliche Gründe für Ausschreibungen. Je nach Grund sind die
Regelungen leicht verschieden.

=== Art.95 ===

Ausschreibung zur Festnahme. Müssen gerichtlich angeordnet werden,
und die Gerichte müssen nach SDÜ prüfen, ob die Festnahme *in Zielländern* legal wäre (erhebet die Herzen).

Bei der Ausschreibung werden an die Sirenen nähere Infos
zur Tat übertragen ("Beschreibung der
Umstände", "Art der Täterschaft",
"Folgen");

95er Ausschreibungen können von den Einzelstaaten bis zu
eine Woche "geprüft" werden, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen;
ansonsten muss begründet werden, warum nicht festgenommen wird, außer es ist ihr
eigener Staatsbürger (Art 95 (6) SDÜ). Es wäre interessant, herauszukriegen, ob das schon mal passiert ist. Art 95 (5) sieht übrigens vor, dass,
wenn die Festnahme rechtswidrig ist, zumindest der Aufenthalt des Betroffenen
ermittelt werden muss.

=== Art. 96 ===

Ausschreibung zur Einreiseverweigerung, vorgenommen durch Gerichte oder
Verwaltungsbehörden gemäß nationalem Recht. Hier geht es nur um
EU-AusländerInnen.

Wer ausgeschrieben ist, darf nicht einreisen oder ein Visum bekommen. Ist
er/sie schon in Schengenland, dürfen sie keine Aufenthaltsgenehmigungen
bekommen und müssen abgeschoben werden. Hier sind allerdings Fälle bekannt,
in denen nationale Behörden SIS-Ausschreibungen angefochten haben, insbesondere,
wenn die Betroffenen schon im Inland waren.

96er-Ausschreibungen können auf nationales Recht gegründet werden, insbesondere
aber auch (Art 96 (2)) auf den Verdacht, jemand habe schwere Straftaten (i.S.v.
bedroht durch mehr als 1 Jahr Haft) begangen oder würde sowas planen; auch
Ausweisung oder Abschiebung wg. Verletzung von Einreise- und
Aufenthaltsbestimmungen gelten (Art. 96 (3)).

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[http://gipfelsoli.org/Repression/Strasbourg_Baden-Baden_2009/7219.html Ein Memorandum der Kommission von 2009] [[http://gipfelsoli.org/Repression/Strasbourg_Baden-Baden_2009/7219.html|Ein Memorandum der Kommission von 2009]]
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[http://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/lfd/tb/2004/tb-2.htm#t2_1_2 Der LfD BaWue berichtet] 2004, dass Ausländer''''''Innen- und [[http://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/lfd/tb/2004/tb-2.htm#t2_1_2|Der LfD BaWue berichtet]] 2004, dass Ausländer''''''Innen- und
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== Zahlen ==

Ende 2001 speicherte es knapp 11 Millionen Falldaten. Zwischen 80 und

= Zahlen =

Ende 2001 speicherte SIS knapp 11 Millionen Falldaten. Zwischen 80 und
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Abschiebungen etc; "Artikel 96"-Daten); offenbar werden auch Daten über
"Globalisierungsgegner" in SIS gehalten.

In der [http://dip.bundestag.de/btd/16/008/1600868.pdf Bundestagsdrucksache 16/868] berichtet die Regierung, SIS habe 2006 14.7 Millionen Einträge gehabt, davon 13.8 Millionen Sachen, 750000 Menschen, denen die Einreise verweigert wurde. Von diesen kamen 380000 aus Italien, 162000 aus der BRD.

In [http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/108/1610816.pdf BT-Durcksache 16/10816],
Abschiebungen etc; "Artikel 96"-Daten).

In der [[http://dip.bundestag.de/btd/16/008/1600868.pdf|Bundestagsdrucksache 16/868]] berichtet die Regierung, SIS habe 2006 14.7 Millionen Einträge gehabt, davon 13.8 Millionen Sachen, 750000 Menschen, denen die Einreise verweigert wurde. Von diesen kamen 380000 aus Italien, 162000 aus der BRD.

In [[http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/108/1610816.pdf|BT-Durcksache 16/10816]],
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In der BRD wird die Zahl der SIS-Fähigen Terminals 2006 auf 10500 In der BRD wird die Zahl der SIS-fähigen Terminals 2006 auf 10500
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[http://web.archive.org/web/20050106150903/http://archiv.vol.at/tmh/zr/national/newswelt/APS_News_Welt-149317.shtm für 157 ME] [[http://web.archive.org/web/20050106150903/http://archiv.vol.at/tmh/zr/national/newswelt/APS_News_Welt-149317.shtm|für 157 ME]]
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== SIS II ==

Ursprünglich für 2006 geplante Erweiterung von SIS ([http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/l33183.htm EU-Bericht dazu]). Die Inbetriebnahme 2007 wurde auch abgesagt (http://www.heise.de/newsticker/meldung/75922), angeblich auch wegen des Widerstands verschiedener Datenschutzbeauftragter (angesichts des Umstands, dass deren Bedenken auch sonst immer gern ignoriert werden, dürfte es aber vor allem an technischen Schwierigkeiten liegen; es gibt auch Rechtsstreitigkeiten der beteiligten Privatfirmen).

Wegen der Verzögerungen soll nun zunächst [http://www.heise.de/newsticker/meldung/82080/from/rss09 SIS I erweitert werden]. SIS II wurde am 25.10.2006 vom Europäischen Parlament abgesegnet, die Inbetriebnahme vor 2009 scheint jedoch weiter unwahrscheinlich.

Im Mai 2009 hat die Kommission [http://www.statewatch.org/news/2009/jun/eu-sis-II-report-10005-09.pdf einen Bericht] vorgelegt, der eine Weiterenwicklung von SIS ("SIS I+ RE") mit einer Fertigstellung von SIS II vergleicht.
Daraufhin hat im Juni 2009 der Rat [http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/l33183.htm beschlossen], dass SIS II eingestellt werden soll, wenn bis Ende 2009 keine funktionierenden Testläufe nachgewiesen werden können. [http://www.heise.de/newsticker/SIS-II-weiter-in-der-Schwebe--/meldung/140035 Einschätzungen] zufolge dürfte das bedeuten, dass SIS II frühestens 2011 starten kann.

Zusätzliche Identifikationsdaten sollen verwendet werden: Fotografien, Fingerabdrücke und "möglicherweise andere Materialien" (DNA-Profile), biometrische Daten. Personen sollen mit "Aufklärungskennzeichen" versehen werden, wenn sie im Verdacht stehen, eine Straftat begangen zu haben, oder eine "psychologische Gefahr" darstellen oder bestimmte Gegenstände "besitzen, mit sich führen oder gebrauchen". Daten unterschiedlicher Personen und Objekte sollen miteinander verknüpft werden, um eine Überwachung für eine bestimmte Gruppe zu initiieren.

Jede SIS II-Suche soll dokumentiert werden.

SIS II-Daten sollen künftig auch Europol und Eurojust zur Verfügung stehen. Europol soll Daten hinzufügen, abändern oder löschen können. Die StaatsanwältInnen von Eurojust werden über SIS II Zugriff auf den Europäischen Haftbefehl erhalten, der dort gespeichert ist und der an die Polizei entweder über ein Sirene-Büro oder Interpol übermittelt werden soll. Behörden, die für AsylbewerberInnen zuständig sind, sowie Einwohnemelderämter, die für die Ausgabe von Identitätsausweisen zuständig sind, sollen auf SIS II zugreifen können, außerdem Kraftfahrzeugämter und Kreditanstalten im Zuge der grenzüberschreitenden Betrugsbekämpfung. Auch Inlandgeheimdiensten soll der Zugriff zur geplanten "Terroristen-Datenbank" möglich sein.

== Hersteller ==

Auf kommerzieller Seite sind die Hauptkontraktoren Steria Frankreich und HP Belgien, aus der BRD kommt vor allem Mummert und Partner dazu. Ihnen stehen für die Entwicklung 40 Millionen Euro zur Verfügung (http://europa.eu.int/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/04/1300&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=de); tatsächlich sollen bis 2009 etwa 60 Millionen Euro aufgewandt worden sein.
Ende 2009 [[http://praguemonitor.com/2009/09/02/police-detain-900-wanted-people-thanks-schengen-system|zitiert der Prague Daily Monitor]] einen Ticker der Tschechischen Nachrichtenagentur, nach dem Tschechien seit September 2007 (Tschechien ist seit 12/2007 Schengenland)
 * fast 2000000 Datensätze an SIS übermittelt hat (das scheint schwer glaublich -- wo sollen die überhaupt so viele Datensätze herhaben...?)
 * aufgrund von SIS-Matches 400 Vermisste, 1000 gestohlene Autos und 1800 verlorene "Dokumente" (vermutlich wohl Pässe u.ä.) "gefunden" hat (was etlichen der Vermissten wahrscheinlich nicht so recht war...)
 * aufgrund von SIS-Matches 900 Personen verhaftet hat.
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 * http://www.datenschutzzentrum.de/faq/europol.htm  * [[http://eur-lex.europa.eu/Result.do?direct=yes&lang=de&where=EUROVOC:006626&whereihm=EUROVOC:Schengen-Informationssystem|Papierkram des EU-Parlaments zu SIS]]
 * [[http://www.datenschmutz.de/li/docs/SpanischeIniParlament.pdf|Parlaments-Stellungnahme zur spanischen Initiative]] (lesenswert unter dem Aspekt "erhebet die Herzen")
 * [[http://www.datenschmutz.de/li/docs/2003-SIRENE-Handbuch.pdf|SIRENE-Handbuch]]
Zeile 141: Zeile 203:
 * http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/l33183.htm
 * http://www.europarl.eu.int/meetdocs/committees/ libe/20021203/com(2001)0720_de.pdf
 * http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/12290/
 * Laut einem Hörfunkbericht des SWR verzögert sich die Einführung von SIS II bis Juni 2008 [http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID6036306_REF3,00.html SWR-Artikel]
 * Das Britische Parlament kritisierte im März 2007 SIS II: [http://www.heise.de/newsticker/meldung/86338]
 

Das Schengener Informationssystem, in Betrieb seit 1995, ist das größte polizeiliche und nachrichtendienstliche IT-System auf europäischer Ebene.

Sinn von SIS war ursprünglich, die Abschaffung der Grenzkontrollen im Schengenland zu kompensieren ("Schutz der Grenzen und Kontrolle von Personenbewegungen"). Die Vorstellung war, Kram, der bisher bei Grenzkontrollen auffliegen konnte (unerwünschte Migration, Kfz-Diebstahl) durch Aufnahme in einer Datenbank überall prüfbar zu machen, und zwar insbesondere auch außerhalb des Staates, dem etwas aufgefallen ist. Zu Zeiten der Planung SIS haben sich die Polizeien noch weniger getraut als jetzt, was den Entwurf eines funktionierenden Systems schwer gemacht hat.

Rechtsgrundlage

SIS wurde durch Kapitel IV des Schengener-Durchführungsabkommens (im Folgenden: SDÜ) sowie seine nationalen Umsetzungsgesetze (in der BRD derzeit offenbar das SIS II-Gesetz) geregelt (Schengen-Konvention komplett).

Da Schengen insgesamt ein Projekt der "erste Säule" der EU (gemeinsame Wirtschaftspolitik; dazu zählt mithin insbesondere das Migrationsregime) ist, gehörte auch SIS ursprünglich dort hinein. Die Ausweitung von SIS für die "gemeinsame Rechts- und Innenpolitik" (also Repression gegen EU-BürgerInnen) lässt zunehmend Funktionen der dritte Säule relevant erscheinen. Das ist vor allem aufgrund der verschiedenen Beschlussregeln in den verschiedenen Säulen relevant.

Wesentlichste Erweiterung war die [[http://www.datenschmutz.de/li/docs/2002-spanischeIni.pdf|Spanische Initiative]] (2002, also lang vor den Anschlägen von Madrid); sie nahm bereits einige der Erweiterungen vor, die für SIS II geplant sind.

Art 93 SDÜ erklärt die öffentliche Sicherheit und Ordnung inkl Staatssicherheit zum Zweck von SIS. Dies ist, zumal angesichts der "ersten Säule", ein Geburtsfehler von SIS, denn die Zweckbestimmung ist so nebulös, dass sie de facto kein Regulativ bietet.

Struktur

Physisch existiert eine Datenbank bei C-SIS in Straßburg. Für SIS II ist ein Spiegel in Österreich geplant, ob sowas schon für SIS selbst läuft, wissen wir nicht. Artikel 92 (2) SDÜ sieht vor, dass Spiegel davon ("inhaltlich identisch") jeweils national vorgehalten werden ("N-SIS"). C-SIS hat (Art. 92 (3) SDÜ) neben der Funktion als Synchronisationsserver noch die Aufgabe, gelöschte Daten für ein Jahr weiter zu halten, um eine datenschutzrechtliche Prüfung nach Art. 113 (2) SDÜ zu erlauben.

Jeder Schengen-Staat unterhält ein Sirene-Büro (in der BRD ist das das BKA), das die Kommunikation mit SIS abwickelt und wohl in aller Regel auch das N-SIS laufen lässt. Lokale Behörden fragen SIS als das N-SIS beim BKA ab. Vermutlich können sie dort auch Speicherungen vornehmen, jedoch ist der Ausschreibungsprozess glücklicherweise kompliziert (vgl. die Seite zu Sirene), so dass das "Hochladen" zum C-SIS vermutlich mit BKA-Handarbeit verbunden ist.

Eine "Kontrolle" soll durch eine gemeinsame Kommission ("Joint Supervisory Body", JSB) aus Datenschutzbehörden der Mitgliedsstaaten erfolgen. Deren Berichte waren bisher immer ausgesprochen inhaltsleer.

Inhalt

SIS enthält vor allem Daten über Einreiseversuche von Menschen, die nicht aus der EU kommen; dazu gibt es Fahndungs- und Ausschreibungsdaten über Personen und Gegenstände.

Grundlagen

Art. 94 (3) SDÜ will Personen mit folgenden Merkmalen speichern:

  • Name, Vorname (Alias macht normalerweise extra-Record)
  • Erkennungszeichen
  • Geburtsort und -datum,
  • Geschlecht,
  • Staatsangehörigkeit,
  • PHW bewaffnet/gewalttätig,
  • Ausschreibungsgrund (nach SDÜ),
  • Maßnahme (Registrierung, Festnahme, Ausweisung, etc)

Die spanische Ini fügt dem noch die Art der strafbaren Handlung hinzu, sowie bei 95er und 99er-Ausschreibungen, ob der/die Gesuchte aus der Haft entflohen ist.

Insgesamt ist das Datenmaterial überschaubar; angesichts der drakonischen Wirkungen einer Ausschreibung (etwa: Einreiseverweigerung, verdeckte Registrierung) kommts darauf aber auch schon fast nicht mehr an.

Die Daten sollten mal aus nationalen Datenbanken kommen, mittlerweile wird aber offensichtlich auch direkt und ausschließlich in SIS gespeichert (was nach SDÜ illegal ist).

Die SIS-Bestimmungen erfordern allerdings, dass, wer oder was immer in SIS zur Fahndung ausgeschrieben ist, in mindestens einem Schengenstaat zur Fahndung ausgeschrieben sein muss. Dennoch wird oft kritisiert, dass bei SIS-Einträgen aus anderen Staaten die Grundlage des Eintrags nicht reproduzierbar ist.

Kategorien

Die SDÜ kennt etliche Gründe für Ausschreibungen. Je nach Grund sind die Regelungen leicht verschieden.

Art.95

Ausschreibung zur Festnahme. Müssen gerichtlich angeordnet werden, und die Gerichte müssen nach SDÜ prüfen, ob die Festnahme *in Zielländern* legal wäre (erhebet die Herzen).

Bei der Ausschreibung werden an die Sirenen nähere Infos zur Tat übertragen ("Beschreibung der Umstände", "Art der Täterschaft", "Folgen");

95er Ausschreibungen können von den Einzelstaaten bis zu eine Woche "geprüft" werden, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen; ansonsten muss begründet werden, warum nicht festgenommen wird, außer es ist ihr eigener Staatsbürger (Art 95 (6) SDÜ). Es wäre interessant, herauszukriegen, ob das schon mal passiert ist. Art 95 (5) sieht übrigens vor, dass, wenn die Festnahme rechtswidrig ist, zumindest der Aufenthalt des Betroffenen ermittelt werden muss.

Art. 96

Ausschreibung zur Einreiseverweigerung, vorgenommen durch Gerichte oder Verwaltungsbehörden gemäß nationalem Recht. Hier geht es nur um EU-AusländerInnen.

Wer ausgeschrieben ist, darf nicht einreisen oder ein Visum bekommen. Ist er/sie schon in Schengenland, dürfen sie keine Aufenthaltsgenehmigungen bekommen und müssen abgeschoben werden. Hier sind allerdings Fälle bekannt, in denen nationale Behörden SIS-Ausschreibungen angefochten haben, insbesondere, wenn die Betroffenen schon im Inland waren.

96er-Ausschreibungen können auf nationales Recht gegründet werden, insbesondere aber auch (Art 96 (2)) auf den Verdacht, jemand habe schwere Straftaten (i.S.v. bedroht durch mehr als 1 Jahr Haft) begangen oder würde sowas planen; auch Ausweisung oder Abschiebung wg. Verletzung von Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen gelten (Art. 96 (3)).

Die Artikel 99-Daten dürften in aller Regel Ausschreibungen zur Beobachtung sein. Interessanterweise sehen die Durchführungsbestimmungen vor, dass bei einem Hit die Betroffenen nicht über die Tatsache der Speicherung informiert werden dürfen.

Es gibt offenbar (uns unbekannte) Regeln, was alles gespeichert werden kann. Ein Memorandum der Kommission von 2009 schlägt etwa eine Erweiterung der Regeln vor, um "violent troublemakers" (d.h. auffällig gewordenen Politaktivistas) in größerem Umfang speichern zu können.

Reizvoll: Bisher sollen weder Ethnie, besondere Kennzeichen, politische Überzeugungen, Gesundheitsprobleme oder sexuelle Orientierung gespeichert werden. Auf der anderen Seite werden Überwachungsprotokolle durchaus gespeichert, wenn auch derzeit nur für maximal ein Jahr.

Speicherfristen in SIS: 3 Jahre für Artikel 96"-Daten, 1 Jahr für Artikel 99-Daten -- diese werden in SIS II massiv ausgeweitet werden. Dabei sind allerdings mehr oder weniger automatische Verlängerungen möglich ("Überprüfung nach drei Jahren"), so dass bei Abschiebungen wegen kriminellen Verhaltens de facto mindestens sechs Jahre gespeichert wird. Der LfD BaWue berichtet 2004, dass AusländerInnen- und Polizeibehörden aus Baden-Württemberg versuchen, mit Tricks faktisch unendliche Speicherfristen zu erzeugen.

Zahlen

Ende 2001 speicherte SIS knapp 11 Millionen Falldaten. Zwischen 80 und 90% der Daten kamen Ende der 90er Jahre aus Migrationsfällen (also Abschiebungen etc; "Artikel 96"-Daten).

In der Bundestagsdrucksache 16/868 berichtet die Regierung, SIS habe 2006 14.7 Millionen Einträge gehabt, davon 13.8 Millionen Sachen, 750000 Menschen, denen die Einreise verweigert wurde. Von diesen kamen 380000 aus Italien, 162000 aus der BRD.

In BT-Durcksache 16/10816, berichtet die Bundesregierung, 2008 seien ca. 26 Millonen Fahndungen in SIS gespeichert gewesen.

In der BRD wird die Zahl der SIS-fähigen Terminals 2006 auf 10500 geschätzt, 2005 wurden rund 70 Millionen SIS-Anfragen aus der BRD getätigt.

2006 wurde die EDV-Infrastruktur mit Blick auf SIS II für 157 ME aktualisiert.

Ende 2009 zitiert der Prague Daily Monitor einen Ticker der Tschechischen Nachrichtenagentur, nach dem Tschechien seit September 2007 (Tschechien ist seit 12/2007 Schengenland)

  • fast 2000000 Datensätze an SIS übermittelt hat (das scheint schwer glaublich -- wo sollen die überhaupt so viele Datensätze herhaben...?)
  • aufgrund von SIS-Matches 400 Vermisste, 1000 gestohlene Autos und 1800 verlorene "Dokumente" (vermutlich wohl Pässe u.ä.) "gefunden" hat (was etlichen der Vermissten wahrscheinlich nicht so recht war...)
  • aufgrund von SIS-Matches 900 Personen verhaftet hat.

Weitere Quellen