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Revision 9 vom 2009-10-29 08:48:25
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Autor: LilaBlume
Kommentar:
Revision 27 vom 2010-01-08 18:32:36
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Autor: LilaBlume
Kommentar: + Zahlen aus CILIP 92
Gelöschter Text ist auf diese Art markiert. Hinzugefügter Text ist auf diese Art markiert.
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Ebene. Nach offizieller Darstellung ist sein Sinn, die Abschaffung der
Grenzkontrollen im Schengenland zu kompensieren (vgl.
[[http://europa.eu.int/smartapi/cgi/sga_doc?smartapi!celexplus!prod!DocNumber&lg=de&type_doc=COMfinal&an_doc=2001&nu_doc=720|Rechtsakt von 1985]]: "Schutz der Grenzen und Kontrolle von
Personenbewegungen"). Dementsprechend wird an den
Schengen-Außengrenzen für alle einreisenden Bürger''''''Innen von
Drittstaaten eine SIS-Abfrage durchgeführt. Ausgeschriebenen Personen
wird (zumindest mal) die Einreise verweigert.
Auf
[[http://www2.europarl.eu.int/omk/sipade2?PUBREF=-//EP//TEXT%2BREPORT%2BA5-2002-0436%2B0%2BDOC%2BXML%2BV0//EN&L=EN&LEVEL=1&NAV=S&LSTDOC=Y|spanische Initiative]] (2002, also lang vor den Anschlägen von Madrid)
darf SIS auch im Politbereich (a.k.a. "Terrorbekämpfung")
eingesetzt werden.

Dem entspricht, dass SIS aus der "zweiten Säule" (gemeinsame Außenpolitik) der EU kam, aber zunehmend in die [[http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/cig/g4000s.htm|dritte Säule]] (gemeinsame Rechts- und Innenpolitik, also Repression gegen EU-BürgerInnen) rutscht.

"Rechtsgrundlage" -- so dieser Name verdient ist -- ist das
[[http://www.aufenthaltstitel.de/schengeneruebereinkommen.html|Schengener Durchführungsabkommen (SDÜ)]] (Titel IV). Unter anderem
können neben Personen, denen die Einreise in den Schengen-Raum
verweigert wurde, auch Personen, die "verdeckt registriert oder gezielt
kontrolliert" werden sollen ausgeschrieben werden. Das bedeutet, dass
durchaus auch bei Kontrollen im Inland SIS-Abfragen stattfinden
(können).

Dazu gibt es in der Regel nationale Gesetzgebung, in der BRD aktuell
[[http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/108/1610816.pdf|SIS II-Gesetz]].

Die Daten sollten mal aus nationalen Datenbanken kommen, mittlerweile
wird aber offensichtlich auch direkt und ausschließlich in SIS
gespeichert. Die Praxis ist jedenfalls uneinheitlich. Die
SIS-Bestimmungen erfordern allerdings, dass, wer oder was immer in SIS
zur Fahndung ausgeschrieben ist, in mindestens einem Schengenstaat zur
Fahndung ausgeschrieben sein muss. Dennoch wird oft kritisiert, dass bei
SIS-Einträgen aus anderen Staaten die Grundlage des Eintrags nicht
reproduzierbar ist.

Physisch steht die Datenbank bei C-SIS in Straßburg. Über die Abbildung
nationaler Datensätze auf das Schema von C-SIS wissen wir nichts.

Jeder Schengen-Staat unterhält ein Sirene-Büro (vlg. [[Datenbanken EU]];
in der BRD ist das das BKA), das die Kommunikation mit SIS abwickelt.
Offenbar können aber lokale Behörden auch direkt in SIS speichern und
Abfragen ohne den Umweg über Wiesbaden oder jedenfalls manuelle
Intervention von dort abwickeln.

Eine "Kontrolle" soll durch eine gemeinsame Kommission ("Joint Supervisory Body", JSB) aus
Datenschutzbehörden der Mitgliedsstaaten erfolgen. [[http://www.bfdi.bund.de/cln_111/DE/Oeffentlichkeitsarbeit/Taetigkeitsberichte/Functions/TB_Schengen_table.html|Deren Berichte]] waren
bisher immer ausgesprochen inhaltsleer.

== Inhalt ==

Fahndungs- und Ausschreibugnsdaten über Personen und Gegenstände, offenbar
ziemlich begrenzt und wenig standardisiert.

Zwei große Säulen: "Artikel 96"-Daten zu Migration und "Artikel
99"-Daten zur Überwachung im Inneren.

Im Groben scheinen die Mitgliedsstaaten "Alerts" zu speichern, also eine Art
Ausschreibung. Wenn ein "Alert" bei einer abfrage "feuert", ergibt sich
ein "Hit", der dann an die Behörde, die den "Alert" herausgegeben hat,
zurückgemeldet wird. Über Aktionen vor Ort bestimmt die Behörde am Ort, wobei
die einspeichernde Behörde aber eine "action to be taken" (offenbar aus einem
vorgefertigten Vokabular) auswählen kann.

Die Artikel 99-Daten dürften in aller Regel Ausschreibungen zur Beobachtung
sein. Interessanterweise sehen die Durchführungsbestimmungen vor, dass bei
einem Hit die Betroffenen nicht über die Tatsache der Speicherung informiert
Ebene.

Sinn von SIS war ursprünglich, die Abschaffung der Grenzkontrollen im
[[http://europa.eu/legislation_summaries/justice_freedom_security/free_movement_of_persons_asylum_immigration/l33020_en.htm|Schengenland]]
(a.k.a. AFSJ) zu kompensieren ("Schutz der Grenzen und Kontrolle von
Personenbewegungen"). Die Vorstellung war, Kram, der bisher bei
Grenzkontrollen auffliegen konnte (unerwünschte Migration, Kfz-Diebstahl)
durch Aufnahme in einer Datenbank überall prüfbar zu machen, und zwar
insbesondere auch außerhalb des Staates, dem etwas aufgefallen ist. Zu
Zeiten der Planung SIS haben sich die Polizeien noch weniger getraut als
jetzt, was den Entwurf eines funktionierenden Systems schwer gemacht hat.

= Rechtsgrundlage =

SIS wurde durch [[http://www.datenschmutz.de/li/docs/SDUe-KapIV.pdf|Kapitel IV des Schengener-Durchführungsabkommens]]
(im Folgenden: SDÜ, engl. Convention Implementing the Schengen Agreement, CISA) sowie seine nationalen Umsetzungsgesetze
(in der BRD derzeit offenbar das [[http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/108/1610816.pdf|SIS II-Gesetz]])
geregelt ([[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:42000A0922(02):DE:HTML|Schengen-Konvention komplett]]).

Da Schengen insgesamt ein Projekt der "erste Säule" der EU (gemeinsame
Wirtschaftspolitik; dazu zählt mithin insbesondere das Migrationsregime) ist, gehörte auch SIS ursprünglich dort hinein.
Die Ausweitung von SIS für die "gemeinsame Rechts- und Innenpolitik"
(also Repression gegen EU-Bürger``Innen) lässt zunehmend Funktionen der
[[http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/cig/g4000s.htm|dritte Säule]] relevant
erscheinen. Das ist vor allem aufgrund der verschiedenen Beschlussregeln
in den verschiedenen Säulen relevant.

Wesentlichste Erweiterung war die
[[http://www.datenschmutz.de/li/docs/2002-spanischeIni.pdf|Spanische Initiative]] (2002, also lang vor den Anschlägen von Madrid); sie nahm
bereits einige der Erweiterungen vor, die für [[SIS II]] geplant sind.


Art 93 SDÜ erklärt die öffentliche Sicherheit und Ordnung inkl Staatssicherheit
zum Zweck von SIS. Dies ist, zumal angesichts der "ersten Säule", ein
Geburtsfehler von SIS, denn die Zweckbestimmung ist so nebulös, dass sie
de facto kein Regulativ bietet.


= Struktur =

Physisch existiert eine Datenbank bei C-SIS in Straßburg. Für [[SIS II]] ist
ein Spiegel in Österreich geplant, ob sowas schon für SIS selbst läuft, wissen
wir nicht. Artikel 92 (2) SDÜ sieht vor, dass Spiegel davon ("inhaltlich identisch") jeweils national vorgehalten werden ("N-SIS").
C-SIS hat (Art. 92 (3) SDÜ) neben der Funktion als Synchronisationsserver
noch die Aufgabe, gelöschte Daten für ein Jahr weiter zu halten, um eine
datenschutzrechtliche Prüfung nach Art. 113 (2) SDÜ zu erlauben.

Jeder Schengen-Staat unterhält ein [[SIRENE]]-Büro (in der BRD ist das das BKA),
das die Kommunikation mit SIS abwickelt und wohl in aller Regel auch das N-SIS
laufen lässt. Lokale Behörden fragen SIS als das N-SIS beim BKA ab. Vermutlich
können sie dort auch Speicherungen vornehmen, jedoch ist der
Ausschreibungsprozess glücklicherweise kompliziert (vgl. die Seite zu
[[SIRENE]]), so dass das "Hochladen" zum C-SIS (jedenfalls für die besonders sinistren Artikel 99-Daten) vermutlich mit BKA-Handarbeit verbunden ist.

[[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:52009PC0294:DE:HTML|2009 will die Kommission]] den Betrieb der großen (z.T. künftigen) Datenbanken (etwa SIS II, EURODAC und VIS) auf auf eine "Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen
im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht" übertragen. Status und Details
sind unklar (TODO: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:52009DC0292:DE:HTML ansehen, vielleicht steht da mehr).

= Inhalt =

SIS enthält vor allem Daten über Einreiseversuche von Menschen, die nicht aus
der EU kommen; dazu gibt es Fahndungs- und Ausschreibungsdaten über Personen
und Gegenstände.

== Grundlagen ==

Art. 94 (3) SDÜ will Personen mit folgenden Merkmalen speichern:

 * Name, Vorname (Alias macht normalerweise extra-Record)
 * Erkennungszeichen
 * Geburtsort und -datum,
 * Geschlecht,
 * Staatsangehörigkeit,
 * PHW bewaffnet/gewalttätig,
 * Ausschreibungsgrund (nach SDÜ),
 * Maßnahme (Registrierung, Festnahme, Ausweisung, etc)

Die spanische Ini fügt dem noch die Art der strafbaren Handlung hinzu,
sowie bei 95er und 99er-Ausschreibungen, ob der/die Gesuchte aus der Haft entflohen ist.

Manche SIS-Leute weisen beim Thema Datenschutz darauf hin, dass bisher weder
Ethnie, politische Überzeugungen, Gesundheitsprobleme noch sexuelle
Orientierung gespeichert werden.

Insgesamt ist das Datenmaterial überschaubar; angesichts der drakonischen
Wirkungen einer Ausschreibung (etwa: Einreiseverweigerung, verdeckte
Registrierung) kommts darauf aber auch schon fast nicht mehr
an (eher im Gegenteil: Wenn die prüfende Stelle nur sieht, ''dass'' eine
Ausschreibung vorliegt, weiß sie nicht, ob die Ausschreibung wegen
Polizistenmord oder politischer Demo vorgenommen wurde...).

Die Daten sollten mal aus nationalen Datenbanken kommen, mittlerweile wird aber
angeblich auch mal direkt und ausschließlich in SIS gespeichert. Die
SIS-Bestimmungen erfordern allerdings, dass, wer oder was immer in SIS zur
Fahndung ausgeschrieben ist, in mindestens einem Schengenstaat zur Fahndung
ausgeschrieben sein muss. Dennoch wird oft kritisiert, dass bei SIS-Einträgen
aus anderen Staaten die Grundlage des Eintrags nicht reproduzierbar ist.


== Kategorien ==

Die SDÜ kennt etliche Gründe für Ausschreibungen. Je nach Grund sind die
Regelungen leicht verschieden.

Grundsätzlich darf immer nur eine Ausschreibung aus einem Staat "aktiv" sein.
Versuchen mehrere Staaten, die gleiche Person auszuschreiben, evtl. noch
nach verschiedenen Artikeln, gibt es komplizierte Vereinbarkeitsregeln
(vgl. SIRENE-Handbuch, Abschnitt 4.3).

=== Art.95 ===

Ausschreibung zur Festnahme. Müssen gerichtlich angeordnet werden,
und die Gerichte müssen nach SDÜ prüfen, ob die Festnahme *in Zielländern* legal wäre (erhebet die Herzen).

Bei der Ausschreibung werden an die Sirenen nähere Infos
zur Tat übertragen ("Beschreibung der
Umstände", "Art der Täterschaft",
"Folgen");

95er Ausschreibungen können von den Einzelstaaten bis zu eine Woche "geprüft"
werden, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen; ansonsten muss begründet
werden, warum nicht festgenommen wird, außer es ist ihr eigener Staatsbürger
(Art 95 (6) SDÜ). Als Gründe kommen insbesondere auch Opportunitätswerwägungen
in Frage. Es wäre interessant, herauszukriegen, ob das schon mal passiert ist.
Art 95 (5) sieht übrigens vor, dass, wenn die Festnahme rechtswidrig ist,
zumindest der Aufenthalt des Betroffenen ermittelt werden muss.

Abschnitt 4.1.1 des [[SIRENE]]-Handbuchs erläutert das etwas konkreter. Für
diese Fallgruppe soll ''bei der Ausschreibung'' eine "Rechtliche Würdigung"
und eine "Beschreibung des Sachverhalts" incl. seiner "Folgen" mitgeliefert
werden, um eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ausschreibung zu
ermöglichen (d.h. diese Daten werden nicht gespeichert, sondern nur von den
SIRENE-Leuten daraufhin geprüft, ob sie was gegen die Ausschreibung einzuwenden
haben). Dabei soll das nicht zu ausführlich sein, damit das Netz nicht zu sehr belastet wird.

Weiter SIRENE-Handbuch: Widerspricht ein Staat der Ausschreibung, kann diese entweder ganz unterbleiben, oder der ausschreibende Staat schreibt aus und der widersprechende Staat kennzeichnet den Datensatz als bei ihm nicht gültig.

=== Art. 96 ===

Ausschreibung zur Einreiseverweigerung, vorgenommen durch Gerichte oder
Verwaltungsbehörden gemäß nationalem Recht. Hier geht es nur um
EU-AusländerInnen.

Wer ausgeschrieben ist, darf nicht einreisen oder ein Visum bekommen. Ist
er/sie schon in Schengenland, dürfen sie keine Aufenthaltsgenehmigungen
bekommen und müssen abgeschoben werden. Hier sind allerdings Fälle bekannt,
in denen nationale Behörden SIS-Ausschreibungen angefochten haben, insbesondere,
wenn die Betroffenen schon im Inland waren. Sowas geht aber nur aus
"gewichtigen Gründen" in Absprache mit dem ausschreibenden Staat.

96er-Ausschreibungen können auf nationales Recht gegründet werden, insbesondere
aber auch (Art 96 (2)) auf den Verdacht, jemand habe schwere Straftaten (i.S.v.
bedroht durch mehr als 1 Jahr Haft) begangen oder würde sowas planen; auch
Ausweisung oder Abschiebung wg. Verletzung von Einreise- und
Aufenthaltsbestimmungen gelten (Art. 96 (3)).

Während andere Ausschreibungskategorien in der Regel darauf zielen, dass der
ausschreibende Staat benachrichtigt wird (und diese Meldung auch verpflichtend
ist), müssen Matches bei 96er-Ausschreibungen dem ausschreibenden Staat nicht
gemeldet werden (d.h., mit der Einreiseverweigerung ist der Fall regelmäßig
erledigt).

In der [[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:92002E3309:DE:HTML|Parlamentsanfrage E-3309/02]] (21.11.2002) sorgt sich der griechische Abgeordnete Stavros
Xarchakos nach Fankrawallen zwischen, klar, Griechen und Türken, wie er
die Türken schneiden kann. Die Kommission empfiehlt 96er-Ausschreibungen.

Das VG München hat in der Entscheidung M 21 k 05.2136 vom 19.12.2006
festgehalten, dass auch nach einer Abschiebung eine Einzelfallprüfung erfolgen
muss und nicht automatisch eine 96er-Ausschreibung erfolgen darf.

Ein belgisches Urteil (2006-12-07, Cour d'Appel de Bruxelles, 2006/KR/223)
sagt, dass zumindest die dortigen Behörden nicht einfach nur aufgrund einer
96er-Ausschreibung die Einreise verwehren dürfen, sondern sie in jedem
Einzelfall die Gründe für die Ausschreibung prüfen müssen. Eine Umsetzung
dieses Urteils dürfte für die [[SIRENE]]n viel Spaß bringen -- oder,
wahrscheinlicher, zur Einbindung von Fallakten in SIS.


=== Art. 97 ===
VG München 19.12.2006, M 21 k 05.2136
Ausschreibung zum vorläufigen
Gewahrsam ("eigener Schutz oder
Gefahrenabwehr"). Diese Ausschreibungen werden durch Gerichte oder
"zuständige Behörden" (in der BRD die Polizeien?) vorgenommen.
Aus der SDÜ:. "Bei volljährigen
Vermissten bedarf die Mitteilung der
Einwilligung des Betroffenen."

Hier wären weitere Recherchen nicht schlecht: Sind das im Wesentlichen
davongelaufene Kids oder haben wir Fälle, wo das im Politbereich genutzt wurde?

97er-Ausschreibungen können von Einzelstaaten nach Art. 94 in ihren N-SIS als
unwirksam markiert werden.

=== Art. 98 ===

Ausschreibung von Menschen, die vor
Gericht erscheinen müssen (Zeugen,
Angeklagte) oder die einfahren sollen.
Die Ausschreibungen werden vo "competent judicial authorities" vorgenommen,
vermutlich also nicht direkt von der Polizei, möglicherweise aber von StAen.

=== Art. 99 ===

Ausschreibung zur verdeckte Registrierung oder gezielten Kontrolle von Personen,
Fahrzeugen (die spanische Ini fügt dem Container hinzu),
nach nationalem Recht (i.e., in der BRD durch die Polizei). In der BRD gibt
es keine allgemeine Rechtsgrundlage für die gezielte Kontrolle; daher werden
Ausschreibungen für diese im N-SIS in verdeckte Kontrollen umgewandelt.

Technisch sieht das so aus, dass Polizeien überall in der AFSL Ausgeschriebene
anhalten und Daten melden, insbesondere.(Art. 99 (4)) Ort, Zeit, Reiseweg und
-ziel, Begleitpersonen (Insassen!), Fahrzeug, mitgeführte Sachen (!),
weitere Umstände [also "wozu ihr gerade Lust habt"].

Bei verdeckter Registrierung sollen die Opfer
nichts davon merken (d.h., mit Durchsuchungen muss vorsichtig umgegangen
werden), bei gezielter Kontrolle muss durchsucht werden, wenn das nach
nationalem Recht ok ist (Art 99(5)).

99 (3) sieht diese vor bei Planung von "außergewöhnlich schweren" Straftaten"
oder ungünstiger Gesamtbeurteilung oder Bedenken der Staatssicherheitsorgane.

Auch 99er Ausschreibungen dürfen nach Art. 94 in einzelnen N-SIS mit Begründung ausgesetzt
oder als unwirksam markiert werden; auch hier ist uns nicht bekannt, ob das
schon mal passiert ist.

Art. 109 SDÜ schreibt vor, dass die Opfer nicht über die Ausschreibung
Zeile 70: Zeile 233:
Es gibt offenbar (uns unbekannte) Regeln, was alles gespeichert werden kann. Die Prozedur zur Ausschreibung nach 99 läuft über die Staatssicherheitsbehörden
der Einzelstaaten; die [[SIRENE]]n erfahren erst am Schluss, dass sie den
Kram eingeben sollen. Im Groben wabert hier der Nebel von Geheimdiensten.

Abschnitt 4.1.2 des SIRENE-Handbuchs sagt: "Dieser sehr sensible Bereich
erfordert ein besonderes Verfahren, um die Vertraulichkeit bestimmter
Informationen zu gewährleisten." -- also nicht etwa, weil
Gesinnungsschnüffelei demokratietheoretisch kitzlig ist. Drum kommunizieren
die jeweiligen Staatssicherheitsbehörden in diesen Fällen direkt, die
Sirenen bekommen am Ende nur das Ergebnis (d.h. Ausschreibung ja oder nein).

Für die BRD dürfte das recht Banane sein, weil die Staatssicherheit
aus polizeilicher Sicht vermutlich auch das BKA und nicht etwa der VS ist.


=== Art. 100 ===

Sachen zur Sicherstellung oder
Beweissicherung, z.B. Kfz incl.
Anhänger, Feuerwaffen, Identitätspapiere
incl. Blankos, Banknoten (span Ini: Kreditkarten, Wertpapiere); Aufzählung in
100 (3).


=== Sonstiges ===
Zeile 76: Zeile 264:
Reizvoll: Bisher sollen weder Ethnie, besondere Kennzeichen, politische
Überzeugungen, Gesundheitsprobleme oder sexuelle Orientierung
gespeichert werden. Auf der anderen Seite werden Überwachungsprotokolle
durchaus gespeichert, wenn auch derzeit nur für maximal ein Jahr.

Speicherfristen in SIS: 3 Jahre für Artikel
96"-Daten, 1 Jahr für Artikel 99-Daten -- diese werden
in SIS II massiv ausgeweitet werden. Dabei sind allerdings mehr oder
weniger automatische Verlängerungen möglich ("Überprüfung nach drei
Jahren"), so dass bei Abschiebungen wegen kriminellen Verhaltens de
facto mindestens sechs Jahre gespeichert wird.
[[http://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/lfd/tb/2004/tb-2.htm#t2_1_2|Der LfD BaWue berichtet]] 2004, dass Ausländer''''''Innen- und
Polizeibehörden aus Baden-Württemberg versuchen, mit Tricks faktisch
unendliche Speicherfristen zu erzeugen.



== Zahlen ==

Ende 2001 speicherte es knapp 11 Millionen Falldaten. Zwischen 80 und
90% der Daten kamen Ende der 90er Jahre aus Migrationsfällen (also
Abschiebungen etc; "Artikel 96"-Daten); offenbar werden auch Daten über
"Globalisierungsgegner" in SIS gehalten.

= Datenschutz =

Ein grundsätzlicher Webfehler an SIS ist Artikel 105, nach dem die
datenschutzrechtliche Verantwortung beim speichernden Staat, d.h. insbesondere
Änderung oder Löschung von Daten nur durch Herkunftsstaat erfolgen kann und
dieser auch Einspruch bei Aukunft hat. Das bedeutet, dass nationale Polizeien
nach Daten handeln, über die sie keine Auskunft geben dürfen.

Art. 102 verbietet zwar das Kopieren ausländischer Daten in nationale
Datenbanken und sieht (nach nationalem Recht) Zweckbindung vor, erlaubt dann
aber doch eine Umkategorisierung ''bestehender'' Daten (im Gegensatz zur
ebenfalls Möglichen Neuausschreibung, die nach komplizierten Regeln
bestehende Ausschreibungen überschreiben könnte), und zwar wegen
Staatssicherheit oder einer Straftat von "erheblicher Bedeutung". Hindernis
ist da nicht der Datenschutz, sondern allenfalls Bedenken der ausschreibenden
Behörde. In [[http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/13/083/1308385.pdf|BRD 13/8385]] (1995)
spricht die Bundesregierung im Zusammenhang mit der schon damals bestehenden
Praxis, SIS-Ausschreibungen in das KAN des BKA zu übernehmen, von
"Weltrechtsprinzip".

Eine datenschutzrechliche "Kontrolle" soll durch eine gemeinsame Kommission ("Joint Supervisory Body", JSB; Art. 114) aus
Datenschutzbehörden der Mitgliedsstaaten erfolgen. [[http://www.bfdi.bund.de/cln_111/DE/Oeffentlichkeitsarbeit/Taetigkeitsberichte/Functions/TB_Schengen_table.html|Deren Berichte]] waren
bisher immer ausgesprochen inhaltsleer.

Tatsächlich wird etwa nur ein kleiner Teil der Streitfälle um
96er-Ausschreibungen vom JSB wahrgenommen
([[http://www.datenschmutz.de/li/docs/2008-brouwer-mun.pdf|Brouwer 2008]], S. 14)

== Auskunft ==

Geregelt in Artikel 109: Maßgeblich ist das Recht des Staates, in dem das
Auskunftsrecht beansprucht wird (d.h., wenn ein Staat Gebühren für eine
Auskunft erhebt oder Gründe verlangt, kann mensch auch beim BKA nachfragen).
Bezüglich der Daten hilft das aber nicht, weil die einstellenden Staaten
einer Auskunft zustimmen müssen (und dafür keine Gründe angeben müssen). Ausschreibungen zur verdeckten Registrierung werden nie zugegeben.

Auskunftsersuchen sind an ein nationales Sirene-Büro zu richten, wobei auch welche von Drittstaaten in Betracht kommen. Art. 114 erlaubt auch Anfragen an die Nationale Kontrollinstanz (in der BRD den BfD); da die aber ohnehin überlastet sind und jedenfalls deutlich netter als die Jungs von Sirene, sollte mensch aber eher davon absehen.

Nähere Regelungen dazu sind im SIRENE-Handbuch, 4.10. Auch hier bleiben die
Dinge vage; die angefragte SIRENE guckt, ob was matcht, und wenn, ersucht sie
die ausschreibenden SIRENEN um "Standpunkte". Dazu gibts Verweise auf
nationales Recht. Was passiert, wenn der "Standpunkt" mit nationalem Recht
nicht vereinbar sein sollte, bleibt offen (aber trotzdem muss niemand
raten).

Warum es so doof ist, dass nationale Stellen am Schluss "verantwortlich" bleiben, illustriert gut [[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:92001E2364:DE:HTML|die schriftliche Anfrage P-2364/01]] von Marco Cappato an den Rat (3.8.2001) zur Rolle von SIS bei der Repression anlässlich der Gipfel in Göteborg und Genua. In der Antwort schreibt der Rat, er könne zur Nutzung von SIS nichts sagen, da das Sache der schwedischen und italienischen Behörden sei.

== Speicherfristen ==

Artikel 112: Aussonderungsprüffristen in SIS: 3 Jahre für Artikel
96-Daten, 1 Jahr für Artikel 99-Daten, nationales Recht könnte das weiter verkürzen.

Die Speicherfristen sind derzeit weitgehend Makulatur, weil Ausschreibungen
offenbar in aller Regel summarisch verlängert werden
([[http://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/lfd/tb/2004/tb-2.htm#t2_1_2|Der LfD BaWue dazu]], 2004). Entsprechend ist für SIS II eine massive Ausweitung
geplant. Auch im 99er-Bereich ist Verlängerungen an der Tagesordnung. Von 376
Ausschreibungen aus Bawü 2006 [[http://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/lfd/tb/2006/tb-2.htm|fand der LfD]] 62, die länger als zwei Jahre in SIS gewesen
waren.

Die Fristüberwachung ist der Job von C-SIS, die offenbar regelmäßig Listen mit
zu prüfenden Datensätzen an die SIRENE-Büros der ausschreibenden Staaten
schickt. Es ist in diesem Prozess vermutlich einfacher, Kram weiter speichern
zu lassen als ihn zu löschen.

Artikel 113: Für Sachen normalerweise 10 Jahre Aussonderungsprüffrist, für
Identitätspapiere und Geld 5 Jahre, für Kfz, Schiffe, Container usf. 3 Jahre.

C-SIS kann Datensätze noch ein wenig länger speichern, etwa zu Prüfzwecken; sie werden dann aber nicht mehr an die N-SIS übertragen. C-SIS muss die Daten spätestens ein Jahr nach der Löschung der Ausschreibung löschen.

== Zugriff ==

Laut Art. 101 haben Zugriff auf SIS-Daten

 * Grenzkontrollen,
 * Polizei,
 * Zoll
 * für 96er-Daten nationale Pass- und Ausländerbehörden.

Der Zugriff erfolgt jeweils auf die Bestände des zuständigen N-SIS.

Laut 101 (4) sollen die Mitgliedsstaaten eine Liste der berechtigten Behörden
beim "Exekutivausschuss" (das ist heute wohl der Rat) eine Liste der im
jeweiligen Staat zugriffsberechtigten Behörden (samt der für sie
"freigeschalteten" Tatbestände) einreichen. Kommt man da irgendwie dran?

Ursprünglich sollte jede 10. Abfrage geloggt werden und für sechs Monate
gespeichert werden. Die spanische Ini lässt jetzt als Billigmaßnahme für
den Datenschutz (und weil offenbar der JSB eh nichts tut) alles loggen
und die Logs für 12 Monate aufheben.

Mit der spanischen Ini bekommt auch Europol Direktzugriff auf Daten nach 95, 99
und 100; Europol protokolliert selbst, darf aber kein N-SIS, also keinen
Spiegel machen. Weiterleitung von SIS-Daten kommt nur mit Genehmigung des
ausschreibenden Staates in Frage.

Die spanische Ini erlaubt weiter nationalen Eurojust-Behörden
die Recherche von 95er- und 98er-Daten in ihren N-SIS.

Der Zugriff der nationalen Zulassungsstellen auf Kfz-Daten war [[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2005:0250:FIN:EN:PDF|in der Diskussion]]. Ob der Kram so Praxis ist, dürfen Leute rauskriegen, die Auto fahren...


== Berichtigung ==

Art. 111 SDÜ erlaubt, in beliebigen Mitgliedsstaaten auf Löschung oder
Korrektur in SIS gespeicherter Daten zu klagen; es ist Aufgabe einzelner
Mitgliedstaaten, zu benennen, wer das ist. Wenn so ein Gericht feststellen
sollte, dass eine Speicherung in SIS rechtswidrig war, muss der Staat, in
dem das Gericht steht, versuchen, den speichernden Staat zur Löschung zu
bewegen. Sowas ist wirklich mal passert, etwa im Fall Van Straaten
gegen die Niederlande, der vom Europäischen Gerichtshof endete; Italien musste
daraufhin eine von einem niederländischen Gericht verhängte Löschung
durchführen.


= Zahlen =

Ende 2001 speicherte SIS knapp 11 Millionen Falldaten.
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In der BRD wird die Zahl der SIS-Fähigen Terminals 2006 auf 10500 In der BRD wird die Zahl der SIS-fähigen Terminals 2006 auf 10500
Zeile 113: Zeile 396:

<<Anchor(raw99numbers)>>Im [[http://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/lfd/tb/2006/tb-2.htm#t2_1_1|27. TB (2008)]]
berichtet der LfD Bawü über Ausschreibungen zur verdeckten Registrierung
(Art. 99). Anfang 2006 waren von BRD-Behörden 1104 Personen so ausgeschrieben
worden. Die Verteilung nach Bundesländern war dabei aufschlussreich (vgl. auch [[#comment99lfd|Anmerkungen zu diesen Zahlen]]):

||Land||Ausschreibungen||pro Mill. Einwohner||
||Baden-Württemberg||376||35||
||Bayern||348||28||
||Nordrhein-Westfalen||83||4.6||
||Hessen||67||11||
||Rheinland-Pfalz||26||21||
||Niedersachsen||18||2.3||


Anfang 2008 waren knapp 700000 96er-Ausschreibungen in SIS (Ratsdokument
5441/08), etwa 50000 weniger als Anfang 2007 (Ratsdokument 6178/07),
vermutlich, weil etliche der ausgeschriebenen im Rahmen der Erweiterungsrunden
EU-Bürger``Innen geworden sind.


CILIP 92 (1/2009), S. 83 hat eine aus den Ratsdokumenten 5239/06, 6178/07,
5441/08 und 5764/09 zusammengestellte Übersicht des Datenbestandes von SIS
publiziert:

||'''Artikel SDÜ'''||'''Fahndungszweck'''||1.1.2006||1.1.2007||1.1.2008||1.1.2009||
||95||Festnahme||15.460||16.047||19.119||24.560||
||96||Einreiseverweigerung||751.954||752.338||696.419||746.994||
||97||Vermisste||39.011||42.500||47.501||48.559||
||98||Aufenthaltsermittlung||45.189||50.616||64.684||72.958||
||99||Beobachtung||31.013||33.275||31.577||34.247||
|| - ||Personen gesamt||882.627||894.776||859.300||927.318||
||100||Banknoten||252.442||241.062||177.327||168.982||
||100||Blankodokumente||403.900||386.440||390.306||360.349||
||100||Schusswaffen||297.021||294.490||314.897||332.028||
||100||Ausweise||11.353.906||13.752.947||17.876.227||22.216.158||
||99/100||Kraftfahrzeuge||1.469.378||1.731.115||3.012.856||<|2>3.618.199||
||99/100||Wohnwagen||3.153||3.063||2.984||
|| - ||Sachen gesamt||13.779.800||16.409.117||21.774.597||26.695.716||
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== SIS II ==

Ursprünglich für 2006 geplante Erweiterung von SIS ([[http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/l33183.htm|EU-Bericht dazu]]). Die Inbetriebnahme 2007 wurde auch abgesagt (http://www.heise.de/newsticker/meldung/75922), angeblich auch wegen des Widerstands verschiedener Datenschutzbeauftragter (angesichts des Umstands, dass deren Bedenken auch sonst immer gern ignoriert werden, dürfte es aber vor allem an technischen Schwierigkeiten liegen; es gibt auch Rechtsstreitigkeiten der beteiligten Privatfirmen).

Wegen der Verzögerungen soll nun zunächst [[http://www.heise.de/newsticker/meldung/82080/from/rss09|SIS I erweitert werden]]. SIS II wurde am 25.10.2006 vom Europäischen Parlament abgesegnet, die Inbetriebnahme vor 2009 scheint jedoch weiter unwahrscheinlich.

Im Mai 2009 hat die Kommission [[http://www.statewatch.org/news/2009/jun/eu-sis-II-report-10005-09.pdf|einen Bericht]] vorgelegt, der eine Weiterenwicklung von SIS ("SIS I+ RE") mit einer Fertigstellung von SIS II vergleicht.
Daraufhin hat im Juni 2009 der Rat [[http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/l33183.htm|beschlossen]], dass SIS II eingestellt werden soll, wenn bis Ende 2009 keine funktionierenden Testläufe nachgewiesen werden können. [[http://www.heise.de/newsticker/SIS-II-weiter-in-der-Schwebe--/meldung/140035|Einschätzungen]] zufolge dürfte das bedeuten, dass SIS II frühestens 2011 starten kann.

Zusätzliche Identifikationsdaten sollen verwendet werden: Fotografien, Fingerabdrücke und "möglicherweise andere Materialien" (DNA-Profile), biometrische Daten. Personen sollen mit "Aufklärungskennzeichen" versehen werden, wenn sie im Verdacht stehen, eine Straftat begangen zu haben, oder eine "psychologische Gefahr" darstellen oder bestimmte Gegenstände "besitzen, mit sich führen oder gebrauchen". Daten unterschiedlicher Personen und Objekte sollen miteinander verknüpft werden, um eine Überwachung für eine bestimmte Gruppe zu initiieren.

Jede SIS II-Suche soll dokumentiert werden.

SIS II-Daten sollen künftig auch Europol und Eurojust zur Verfügung stehen. Europol soll Daten hinzufügen, abändern oder löschen können. Die StaatsanwältInnen von Eurojust werden über SIS II Zugriff auf den Europäischen Haftbefehl erhalten, der dort gespeichert ist und der an die Polizei entweder über ein Sirene-Büro oder Interpol übermittelt werden soll. Behörden, die für AsylbewerberInnen zuständig sind, sowie Einwohnemelderämter, die für die Ausgabe von Identitätsausweisen zuständig sind, sollen auf SIS II zugreifen können, außerdem Kraftfahrzeugämter und Kreditanstalten im Zuge der grenzüberschreitenden Betrugsbekämpfung. Auch Inlandgeheimdiensten soll der Zugriff zur geplanten "Terroristen-Datenbank" möglich sein.

== Hersteller ==

Auf kommerzieller Seite sind die Hauptkontraktoren Steria Frankreich und HP Belgien, aus der BRD kommt vor allem Mummert und Partner dazu. Ihnen stehen für die Entwicklung 40 Millionen Euro zur Verfügung (http://europa.eu.int/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/04/1300&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=de); tatsächlich sollen bis 2009 etwa 60 Millionen Euro aufgewandt worden sein.
== Anekdoten ==

Der Mun-Sekten-Mun wurde 1995 vom Grenzschutz in Koblenz nach Art. 96 wegen
Gefährdung der Jugend nach Art. 95 ausgeschrieben. Die Ausschreibung wurde
regelmäßig verlängert. Nach zwölf Jahren (2007) hatte Mun das Einreiseverbot
weggeklagt; er war dazu zwei Mal bis vors BVerfG
gegangen. Darauf brachte die BRD Frankreich dazu, ihn auszuschreiben. Das war
den Franzosen bei genauerer Überlegung wohl doch zu peinlich, und so haben sie
die Ausschreibung recht schnell wieder zurückgenommen.
[[http://www.datenschmutz.de/li/docs/2008-brouwer-mun.pdf|Die ganze Geschichte]] hat noch ein paar mehr Windungen.
Die Mun-Anwälte haben sich in dem Fall gern auf Religionsfreiheit berufen,
was einerseits doof ist, andererseits aber auch geschickt, weil sie so
Menschenrechte von EU-Bürger``Innen ins Spiel brachten statt "nur" der
von Koreaner``Innen. Das BVerfG hat aber am Ende aufgrund der absurden
Begründung der Ausschreibung entschieden.

<<Anchor(comment99)>>Der [[http://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/lfd/tb/2006/tb-2.htm#t2_1_1|LfD Bawü berichtet im 27. TB (2008)]]
von einer Überprüfung der SIS-Ausschreibungen des dortigen LKA (vgl. [[#raw99numbers|rohe Zahlen]]). Bei
einem Vergleich mit nationalen Ausschreibungen zur verdeckten Registrierung
ergab sich, dass Bawü 80% seiner 468 entsprechenden Ausschreibungen in INPOL
ins SIS gestellt hatte, Bayern aber nur 15% seiner überwältigenden 2208.
Der LfD hat ein wenig nachgesehen, woher die vielen Fälle aus Bawü kommen;
darunter waren 63 Personen, die eine Ermittlungsgruppe "Mobile Kinderbanden"
ausgeschrieben hat. Ansonsten gab es 62 Fälle, die bereits seit mehr als zwei
Jahren in SIS waren (also mindestens zwei Mal verlängert worden waren; eine
Ausschreibung war schon seit 2000 gelaufen). Alle diese Fälle kamen aus dem
"Staatsschutz"-Bereich, waren also politisch motiviert. Erwartungsgemäß hatte
die Polizei munter "Kontaktpersonen" ausgeschrieben oder sich noch nicht mal
die Mühe gemacht, irgendwelche Gefahren schwerer Straftaten
zusammenzufantasieren. Außerdem wurden einfach gleich mal alle namentlich
bekannten Funktionäre verschiedener Gruppen in SIS ausgeschrieben.
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 * http://www.datenschutzzentrum.de/faq/europol.htm  * [[http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/13/083/1308385.pdf|BTD 13/8385]] -- Bundestags-Anfrage von 1995 mit lustigen Infos aus der Frühzeit.
 * [[http://eur-lex.europa.eu/Result.do?direct=yes&lang=de&where=EUROVOC:006626&whereihm=EUROVOC:Schengen-Informationssystem|Papierkram des EU-Parlaments zu SIS]]
 * [[http://www.datenschmutz.de/li/docs/SpanischeIniParlament.pdf|Parlaments-Stellungnahme zur spanischen Initiative]] (lesenswert unter dem Aspekt "erhebet die Herzen")
 * [[http://www.datenschmutz.de/li/docs/2003-SIRENE-Handbuch.pdf|SIRENE-Handbuch]]
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 * http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/l33183.htm
 * http://www.europarl.eu.int/meetdocs/committees/ libe/20021203/com(2001)0720_de.pdf
 * http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/12290/
 * Laut einem Hörfunkbericht des SWR verzögert sich die Einführung von SIS II bis Juni 2008 [[http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID6036306_REF3,00.html|SWR-Artikel]]
 * Das Britische Parlament kritisierte im März 2007 SIS II: [[http://www.heise.de/newsticker/meldung/86338]]
 
 * [[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:52008DC0502:DE:HTML|Bericht über Passdaten in SIS]] und Interpol. Lustige Zahlen und eine Umfrage, die zeigt, dass es die Gegenseite auch nicht immer leicht hat.

Das Schengener Informationssystem, in Betrieb seit 1995, ist das größte polizeiliche und nachrichtendienstliche IT-System auf europäischer Ebene.

Sinn von SIS war ursprünglich, die Abschaffung der Grenzkontrollen im Schengenland (a.k.a. AFSJ) zu kompensieren ("Schutz der Grenzen und Kontrolle von Personenbewegungen"). Die Vorstellung war, Kram, der bisher bei Grenzkontrollen auffliegen konnte (unerwünschte Migration, Kfz-Diebstahl) durch Aufnahme in einer Datenbank überall prüfbar zu machen, und zwar insbesondere auch außerhalb des Staates, dem etwas aufgefallen ist. Zu Zeiten der Planung SIS haben sich die Polizeien noch weniger getraut als jetzt, was den Entwurf eines funktionierenden Systems schwer gemacht hat.

Rechtsgrundlage

SIS wurde durch Kapitel IV des Schengener-Durchführungsabkommens (im Folgenden: SDÜ, engl. Convention Implementing the Schengen Agreement, CISA) sowie seine nationalen Umsetzungsgesetze (in der BRD derzeit offenbar das SIS II-Gesetz) geregelt (Schengen-Konvention komplett).

Da Schengen insgesamt ein Projekt der "erste Säule" der EU (gemeinsame Wirtschaftspolitik; dazu zählt mithin insbesondere das Migrationsregime) ist, gehörte auch SIS ursprünglich dort hinein. Die Ausweitung von SIS für die "gemeinsame Rechts- und Innenpolitik" (also Repression gegen EU-BürgerInnen) lässt zunehmend Funktionen der dritte Säule relevant erscheinen. Das ist vor allem aufgrund der verschiedenen Beschlussregeln in den verschiedenen Säulen relevant.

Wesentlichste Erweiterung war die Spanische Initiative (2002, also lang vor den Anschlägen von Madrid); sie nahm bereits einige der Erweiterungen vor, die für SIS II geplant sind.

Art 93 SDÜ erklärt die öffentliche Sicherheit und Ordnung inkl Staatssicherheit zum Zweck von SIS. Dies ist, zumal angesichts der "ersten Säule", ein Geburtsfehler von SIS, denn die Zweckbestimmung ist so nebulös, dass sie de facto kein Regulativ bietet.

Struktur

Physisch existiert eine Datenbank bei C-SIS in Straßburg. Für SIS II ist ein Spiegel in Österreich geplant, ob sowas schon für SIS selbst läuft, wissen wir nicht. Artikel 92 (2) SDÜ sieht vor, dass Spiegel davon ("inhaltlich identisch") jeweils national vorgehalten werden ("N-SIS"). C-SIS hat (Art. 92 (3) SDÜ) neben der Funktion als Synchronisationsserver noch die Aufgabe, gelöschte Daten für ein Jahr weiter zu halten, um eine datenschutzrechtliche Prüfung nach Art. 113 (2) SDÜ zu erlauben.

Jeder Schengen-Staat unterhält ein SIRENE-Büro (in der BRD ist das das BKA), das die Kommunikation mit SIS abwickelt und wohl in aller Regel auch das N-SIS laufen lässt. Lokale Behörden fragen SIS als das N-SIS beim BKA ab. Vermutlich können sie dort auch Speicherungen vornehmen, jedoch ist der Ausschreibungsprozess glücklicherweise kompliziert (vgl. die Seite zu SIRENE), so dass das "Hochladen" zum C-SIS (jedenfalls für die besonders sinistren Artikel 99-Daten) vermutlich mit BKA-Handarbeit verbunden ist.

2009 will die Kommission den Betrieb der großen (z.T. künftigen) Datenbanken (etwa SIS II, EURODAC und VIS) auf auf eine "Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht" übertragen. Status und Details sind unklar (TODO: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:52009DC0292:DE:HTML ansehen, vielleicht steht da mehr).

Inhalt

SIS enthält vor allem Daten über Einreiseversuche von Menschen, die nicht aus der EU kommen; dazu gibt es Fahndungs- und Ausschreibungsdaten über Personen und Gegenstände.

Grundlagen

Art. 94 (3) SDÜ will Personen mit folgenden Merkmalen speichern:

  • Name, Vorname (Alias macht normalerweise extra-Record)
  • Erkennungszeichen
  • Geburtsort und -datum,
  • Geschlecht,
  • Staatsangehörigkeit,
  • PHW bewaffnet/gewalttätig,
  • Ausschreibungsgrund (nach SDÜ),
  • Maßnahme (Registrierung, Festnahme, Ausweisung, etc)

Die spanische Ini fügt dem noch die Art der strafbaren Handlung hinzu, sowie bei 95er und 99er-Ausschreibungen, ob der/die Gesuchte aus der Haft entflohen ist.

Manche SIS-Leute weisen beim Thema Datenschutz darauf hin, dass bisher weder Ethnie, politische Überzeugungen, Gesundheitsprobleme noch sexuelle Orientierung gespeichert werden.

Insgesamt ist das Datenmaterial überschaubar; angesichts der drakonischen Wirkungen einer Ausschreibung (etwa: Einreiseverweigerung, verdeckte Registrierung) kommts darauf aber auch schon fast nicht mehr an (eher im Gegenteil: Wenn die prüfende Stelle nur sieht, dass eine Ausschreibung vorliegt, weiß sie nicht, ob die Ausschreibung wegen Polizistenmord oder politischer Demo vorgenommen wurde...).

Die Daten sollten mal aus nationalen Datenbanken kommen, mittlerweile wird aber angeblich auch mal direkt und ausschließlich in SIS gespeichert. Die SIS-Bestimmungen erfordern allerdings, dass, wer oder was immer in SIS zur Fahndung ausgeschrieben ist, in mindestens einem Schengenstaat zur Fahndung ausgeschrieben sein muss. Dennoch wird oft kritisiert, dass bei SIS-Einträgen aus anderen Staaten die Grundlage des Eintrags nicht reproduzierbar ist.

Kategorien

Die SDÜ kennt etliche Gründe für Ausschreibungen. Je nach Grund sind die Regelungen leicht verschieden.

Grundsätzlich darf immer nur eine Ausschreibung aus einem Staat "aktiv" sein. Versuchen mehrere Staaten, die gleiche Person auszuschreiben, evtl. noch nach verschiedenen Artikeln, gibt es komplizierte Vereinbarkeitsregeln (vgl. SIRENE-Handbuch, Abschnitt 4.3).

Art.95

Ausschreibung zur Festnahme. Müssen gerichtlich angeordnet werden, und die Gerichte müssen nach SDÜ prüfen, ob die Festnahme *in Zielländern* legal wäre (erhebet die Herzen).

Bei der Ausschreibung werden an die Sirenen nähere Infos zur Tat übertragen ("Beschreibung der Umstände", "Art der Täterschaft", "Folgen");

95er Ausschreibungen können von den Einzelstaaten bis zu eine Woche "geprüft" werden, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen; ansonsten muss begründet werden, warum nicht festgenommen wird, außer es ist ihr eigener Staatsbürger (Art 95 (6) SDÜ). Als Gründe kommen insbesondere auch Opportunitätswerwägungen in Frage. Es wäre interessant, herauszukriegen, ob das schon mal passiert ist. Art 95 (5) sieht übrigens vor, dass, wenn die Festnahme rechtswidrig ist, zumindest der Aufenthalt des Betroffenen ermittelt werden muss.

Abschnitt 4.1.1 des SIRENE-Handbuchs erläutert das etwas konkreter. Für diese Fallgruppe soll bei der Ausschreibung eine "Rechtliche Würdigung" und eine "Beschreibung des Sachverhalts" incl. seiner "Folgen" mitgeliefert werden, um eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ausschreibung zu ermöglichen (d.h. diese Daten werden nicht gespeichert, sondern nur von den SIRENE-Leuten daraufhin geprüft, ob sie was gegen die Ausschreibung einzuwenden haben). Dabei soll das nicht zu ausführlich sein, damit das Netz nicht zu sehr belastet wird.

Weiter SIRENE-Handbuch: Widerspricht ein Staat der Ausschreibung, kann diese entweder ganz unterbleiben, oder der ausschreibende Staat schreibt aus und der widersprechende Staat kennzeichnet den Datensatz als bei ihm nicht gültig.

Art. 96

Ausschreibung zur Einreiseverweigerung, vorgenommen durch Gerichte oder Verwaltungsbehörden gemäß nationalem Recht. Hier geht es nur um EU-AusländerInnen.

Wer ausgeschrieben ist, darf nicht einreisen oder ein Visum bekommen. Ist er/sie schon in Schengenland, dürfen sie keine Aufenthaltsgenehmigungen bekommen und müssen abgeschoben werden. Hier sind allerdings Fälle bekannt, in denen nationale Behörden SIS-Ausschreibungen angefochten haben, insbesondere, wenn die Betroffenen schon im Inland waren. Sowas geht aber nur aus "gewichtigen Gründen" in Absprache mit dem ausschreibenden Staat.

96er-Ausschreibungen können auf nationales Recht gegründet werden, insbesondere aber auch (Art 96 (2)) auf den Verdacht, jemand habe schwere Straftaten (i.S.v. bedroht durch mehr als 1 Jahr Haft) begangen oder würde sowas planen; auch Ausweisung oder Abschiebung wg. Verletzung von Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen gelten (Art. 96 (3)).

Während andere Ausschreibungskategorien in der Regel darauf zielen, dass der ausschreibende Staat benachrichtigt wird (und diese Meldung auch verpflichtend ist), müssen Matches bei 96er-Ausschreibungen dem ausschreibenden Staat nicht gemeldet werden (d.h., mit der Einreiseverweigerung ist der Fall regelmäßig erledigt).

In der Parlamentsanfrage E-3309/02 (21.11.2002) sorgt sich der griechische Abgeordnete Stavros Xarchakos nach Fankrawallen zwischen, klar, Griechen und Türken, wie er die Türken schneiden kann. Die Kommission empfiehlt 96er-Ausschreibungen.

Das VG München hat in der Entscheidung M 21 k 05.2136 vom 19.12.2006 festgehalten, dass auch nach einer Abschiebung eine Einzelfallprüfung erfolgen muss und nicht automatisch eine 96er-Ausschreibung erfolgen darf.

Ein belgisches Urteil (2006-12-07, Cour d'Appel de Bruxelles, 2006/KR/223) sagt, dass zumindest die dortigen Behörden nicht einfach nur aufgrund einer 96er-Ausschreibung die Einreise verwehren dürfen, sondern sie in jedem Einzelfall die Gründe für die Ausschreibung prüfen müssen. Eine Umsetzung dieses Urteils dürfte für die SIRENEn viel Spaß bringen -- oder, wahrscheinlicher, zur Einbindung von Fallakten in SIS.

Art. 97

VG München 19.12.2006, M 21 k 05.2136 Ausschreibung zum vorläufigen Gewahrsam ("eigener Schutz oder Gefahrenabwehr"). Diese Ausschreibungen werden durch Gerichte oder "zuständige Behörden" (in der BRD die Polizeien?) vorgenommen. Aus der SDÜ:. "Bei volljährigen Vermissten bedarf die Mitteilung der Einwilligung des Betroffenen."

Hier wären weitere Recherchen nicht schlecht: Sind das im Wesentlichen davongelaufene Kids oder haben wir Fälle, wo das im Politbereich genutzt wurde?

97er-Ausschreibungen können von Einzelstaaten nach Art. 94 in ihren N-SIS als unwirksam markiert werden.

Art. 98

Ausschreibung von Menschen, die vor Gericht erscheinen müssen (Zeugen, Angeklagte) oder die einfahren sollen. Die Ausschreibungen werden vo "competent judicial authorities" vorgenommen, vermutlich also nicht direkt von der Polizei, möglicherweise aber von StAen.

Art. 99

Ausschreibung zur verdeckte Registrierung oder gezielten Kontrolle von Personen, Fahrzeugen (die spanische Ini fügt dem Container hinzu), nach nationalem Recht (i.e., in der BRD durch die Polizei). In der BRD gibt es keine allgemeine Rechtsgrundlage für die gezielte Kontrolle; daher werden Ausschreibungen für diese im N-SIS in verdeckte Kontrollen umgewandelt.

Technisch sieht das so aus, dass Polizeien überall in der AFSL Ausgeschriebene anhalten und Daten melden, insbesondere.(Art. 99 (4)) Ort, Zeit, Reiseweg und -ziel, Begleitpersonen (Insassen!), Fahrzeug, mitgeführte Sachen (!), weitere Umstände [also "wozu ihr gerade Lust habt"].

Bei verdeckter Registrierung sollen die Opfer nichts davon merken (d.h., mit Durchsuchungen muss vorsichtig umgegangen werden), bei gezielter Kontrolle muss durchsucht werden, wenn das nach nationalem Recht ok ist (Art 99(5)).

99 (3) sieht diese vor bei Planung von "außergewöhnlich schweren" Straftaten" oder ungünstiger Gesamtbeurteilung oder Bedenken der Staatssicherheitsorgane.

Auch 99er Ausschreibungen dürfen nach Art. 94 in einzelnen N-SIS mit Begründung ausgesetzt oder als unwirksam markiert werden; auch hier ist uns nicht bekannt, ob das schon mal passiert ist.

Art. 109 SDÜ schreibt vor, dass die Opfer nicht über die Ausschreibung werden dürfen.

Die Prozedur zur Ausschreibung nach 99 läuft über die Staatssicherheitsbehörden der Einzelstaaten; die SIRENEn erfahren erst am Schluss, dass sie den Kram eingeben sollen. Im Groben wabert hier der Nebel von Geheimdiensten.

Abschnitt 4.1.2 des SIRENE-Handbuchs sagt: "Dieser sehr sensible Bereich erfordert ein besonderes Verfahren, um die Vertraulichkeit bestimmter Informationen zu gewährleisten." -- also nicht etwa, weil Gesinnungsschnüffelei demokratietheoretisch kitzlig ist. Drum kommunizieren die jeweiligen Staatssicherheitsbehörden in diesen Fällen direkt, die Sirenen bekommen am Ende nur das Ergebnis (d.h. Ausschreibung ja oder nein).

Für die BRD dürfte das recht Banane sein, weil die Staatssicherheit aus polizeilicher Sicht vermutlich auch das BKA und nicht etwa der VS ist.

Art. 100

Sachen zur Sicherstellung oder Beweissicherung, z.B. Kfz incl. Anhänger, Feuerwaffen, Identitätspapiere incl. Blankos, Banknoten (span Ini: Kreditkarten, Wertpapiere); Aufzählung in 100 (3).

Sonstiges

Ein Memorandum der Kommission von 2009 schlägt etwa eine Erweiterung der Regeln vor, um "violent troublemakers" (d.h. auffällig gewordenen Politaktivistas) in größerem Umfang speichern zu können.

Datenschutz

Ein grundsätzlicher Webfehler an SIS ist Artikel 105, nach dem die datenschutzrechtliche Verantwortung beim speichernden Staat, d.h. insbesondere Änderung oder Löschung von Daten nur durch Herkunftsstaat erfolgen kann und dieser auch Einspruch bei Aukunft hat. Das bedeutet, dass nationale Polizeien nach Daten handeln, über die sie keine Auskunft geben dürfen.

Art. 102 verbietet zwar das Kopieren ausländischer Daten in nationale Datenbanken und sieht (nach nationalem Recht) Zweckbindung vor, erlaubt dann aber doch eine Umkategorisierung bestehender Daten (im Gegensatz zur ebenfalls Möglichen Neuausschreibung, die nach komplizierten Regeln bestehende Ausschreibungen überschreiben könnte), und zwar wegen Staatssicherheit oder einer Straftat von "erheblicher Bedeutung". Hindernis ist da nicht der Datenschutz, sondern allenfalls Bedenken der ausschreibenden Behörde. In BRD 13/8385 (1995) spricht die Bundesregierung im Zusammenhang mit der schon damals bestehenden Praxis, SIS-Ausschreibungen in das KAN des BKA zu übernehmen, von "Weltrechtsprinzip".

Eine datenschutzrechliche "Kontrolle" soll durch eine gemeinsame Kommission ("Joint Supervisory Body", JSB; Art. 114) aus Datenschutzbehörden der Mitgliedsstaaten erfolgen. Deren Berichte waren bisher immer ausgesprochen inhaltsleer.

Tatsächlich wird etwa nur ein kleiner Teil der Streitfälle um 96er-Ausschreibungen vom JSB wahrgenommen (Brouwer 2008, S. 14)

Auskunft

Geregelt in Artikel 109: Maßgeblich ist das Recht des Staates, in dem das Auskunftsrecht beansprucht wird (d.h., wenn ein Staat Gebühren für eine Auskunft erhebt oder Gründe verlangt, kann mensch auch beim BKA nachfragen). Bezüglich der Daten hilft das aber nicht, weil die einstellenden Staaten einer Auskunft zustimmen müssen (und dafür keine Gründe angeben müssen). Ausschreibungen zur verdeckten Registrierung werden nie zugegeben.

Auskunftsersuchen sind an ein nationales Sirene-Büro zu richten, wobei auch welche von Drittstaaten in Betracht kommen. Art. 114 erlaubt auch Anfragen an die Nationale Kontrollinstanz (in der BRD den BfD); da die aber ohnehin überlastet sind und jedenfalls deutlich netter als die Jungs von Sirene, sollte mensch aber eher davon absehen.

Nähere Regelungen dazu sind im SIRENE-Handbuch, 4.10. Auch hier bleiben die Dinge vage; die angefragte SIRENE guckt, ob was matcht, und wenn, ersucht sie die ausschreibenden SIRENEN um "Standpunkte". Dazu gibts Verweise auf nationales Recht. Was passiert, wenn der "Standpunkt" mit nationalem Recht nicht vereinbar sein sollte, bleibt offen (aber trotzdem muss niemand raten).

Warum es so doof ist, dass nationale Stellen am Schluss "verantwortlich" bleiben, illustriert gut die schriftliche Anfrage P-2364/01 von Marco Cappato an den Rat (3.8.2001) zur Rolle von SIS bei der Repression anlässlich der Gipfel in Göteborg und Genua. In der Antwort schreibt der Rat, er könne zur Nutzung von SIS nichts sagen, da das Sache der schwedischen und italienischen Behörden sei.

Speicherfristen

Artikel 112: Aussonderungsprüffristen in SIS: 3 Jahre für Artikel 96-Daten, 1 Jahr für Artikel 99-Daten, nationales Recht könnte das weiter verkürzen.

Die Speicherfristen sind derzeit weitgehend Makulatur, weil Ausschreibungen offenbar in aller Regel summarisch verlängert werden (Der LfD BaWue dazu, 2004). Entsprechend ist für SIS II eine massive Ausweitung geplant. Auch im 99er-Bereich ist Verlängerungen an der Tagesordnung. Von 376 Ausschreibungen aus Bawü 2006 fand der LfD 62, die länger als zwei Jahre in SIS gewesen waren.

Die Fristüberwachung ist der Job von C-SIS, die offenbar regelmäßig Listen mit zu prüfenden Datensätzen an die SIRENE-Büros der ausschreibenden Staaten schickt. Es ist in diesem Prozess vermutlich einfacher, Kram weiter speichern zu lassen als ihn zu löschen.

Artikel 113: Für Sachen normalerweise 10 Jahre Aussonderungsprüffrist, für Identitätspapiere und Geld 5 Jahre, für Kfz, Schiffe, Container usf. 3 Jahre.

C-SIS kann Datensätze noch ein wenig länger speichern, etwa zu Prüfzwecken; sie werden dann aber nicht mehr an die N-SIS übertragen. C-SIS muss die Daten spätestens ein Jahr nach der Löschung der Ausschreibung löschen.

Zugriff

Laut Art. 101 haben Zugriff auf SIS-Daten

  • Grenzkontrollen,
  • Polizei,
  • Zoll
  • für 96er-Daten nationale Pass- und Ausländerbehörden.

Der Zugriff erfolgt jeweils auf die Bestände des zuständigen N-SIS.

Laut 101 (4) sollen die Mitgliedsstaaten eine Liste der berechtigten Behörden beim "Exekutivausschuss" (das ist heute wohl der Rat) eine Liste der im jeweiligen Staat zugriffsberechtigten Behörden (samt der für sie "freigeschalteten" Tatbestände) einreichen. Kommt man da irgendwie dran?

Ursprünglich sollte jede 10. Abfrage geloggt werden und für sechs Monate gespeichert werden. Die spanische Ini lässt jetzt als Billigmaßnahme für den Datenschutz (und weil offenbar der JSB eh nichts tut) alles loggen und die Logs für 12 Monate aufheben.

Mit der spanischen Ini bekommt auch Europol Direktzugriff auf Daten nach 95, 99 und 100; Europol protokolliert selbst, darf aber kein N-SIS, also keinen Spiegel machen. Weiterleitung von SIS-Daten kommt nur mit Genehmigung des ausschreibenden Staates in Frage.

Die spanische Ini erlaubt weiter nationalen Eurojust-Behörden die Recherche von 95er- und 98er-Daten in ihren N-SIS.

Der Zugriff der nationalen Zulassungsstellen auf Kfz-Daten war in der Diskussion. Ob der Kram so Praxis ist, dürfen Leute rauskriegen, die Auto fahren...

Berichtigung

Art. 111 SDÜ erlaubt, in beliebigen Mitgliedsstaaten auf Löschung oder Korrektur in SIS gespeicherter Daten zu klagen; es ist Aufgabe einzelner Mitgliedstaaten, zu benennen, wer das ist. Wenn so ein Gericht feststellen sollte, dass eine Speicherung in SIS rechtswidrig war, muss der Staat, in dem das Gericht steht, versuchen, den speichernden Staat zur Löschung zu bewegen. Sowas ist wirklich mal passert, etwa im Fall Van Straaten gegen die Niederlande, der vom Europäischen Gerichtshof endete; Italien musste daraufhin eine von einem niederländischen Gericht verhängte Löschung durchführen.

Zahlen

Ende 2001 speicherte SIS knapp 11 Millionen Falldaten.

In der Bundestagsdrucksache 16/868 berichtet die Regierung, SIS habe 2006 14.7 Millionen Einträge gehabt, davon 13.8 Millionen Sachen, 750000 Menschen, denen die Einreise verweigert wurde. Von diesen kamen 380000 aus Italien, 162000 aus der BRD.

In BT-Durcksache 16/10816, berichtet die Bundesregierung, 2008 seien ca. 26 Millonen Fahndungen in SIS gespeichert gewesen.

In der BRD wird die Zahl der SIS-fähigen Terminals 2006 auf 10500 geschätzt, 2005 wurden rund 70 Millionen SIS-Anfragen aus der BRD getätigt.

2006 wurde die EDV-Infrastruktur mit Blick auf SIS II für 157 ME aktualisiert.

Im 27. TB (2008) berichtet der LfD Bawü über Ausschreibungen zur verdeckten Registrierung (Art. 99). Anfang 2006 waren von BRD-Behörden 1104 Personen so ausgeschrieben worden. Die Verteilung nach Bundesländern war dabei aufschlussreich (vgl. auch Anmerkungen zu diesen Zahlen):

Land

Ausschreibungen

pro Mill. Einwohner

Baden-Württemberg

376

35

Bayern

348

28

Nordrhein-Westfalen

83

4.6

Hessen

67

11

Rheinland-Pfalz

26

21

Niedersachsen

18

2.3

Anfang 2008 waren knapp 700000 96er-Ausschreibungen in SIS (Ratsdokument 5441/08), etwa 50000 weniger als Anfang 2007 (Ratsdokument 6178/07), vermutlich, weil etliche der ausgeschriebenen im Rahmen der Erweiterungsrunden EU-BürgerInnen geworden sind.

CILIP 92 (1/2009), S. 83 hat eine aus den Ratsdokumenten 5239/06, 6178/07, 5441/08 und 5764/09 zusammengestellte Übersicht des Datenbestandes von SIS publiziert:

Artikel SDÜ

Fahndungszweck

1.1.2006

1.1.2007

1.1.2008

1.1.2009

95

Festnahme

15.460

16.047

19.119

24.560

96

Einreiseverweigerung

751.954

752.338

696.419

746.994

97

Vermisste

39.011

42.500

47.501

48.559

98

Aufenthaltsermittlung

45.189

50.616

64.684

72.958

99

Beobachtung

31.013

33.275

31.577

34.247

-

Personen gesamt

882.627

894.776

859.300

927.318

100

Banknoten

252.442

241.062

177.327

168.982

100

Blankodokumente

403.900

386.440

390.306

360.349

100

Schusswaffen

297.021

294.490

314.897

332.028

100

Ausweise

11.353.906

13.752.947

17.876.227

22.216.158

99/100

Kraftfahrzeuge

1.469.378

1.731.115

3.012.856

3.618.199

99/100

Wohnwagen

3.153

3.063

2.984

-

Sachen gesamt

13.779.800

16.409.117

21.774.597

26.695.716

Ende 2009 zitiert der Prague Daily Monitor einen Ticker der Tschechischen Nachrichtenagentur, nach dem Tschechien seit September 2007 (Tschechien ist seit 12/2007 Schengenland)

  • fast 2000000 Datensätze an SIS übermittelt hat (das scheint schwer glaublich -- wo sollen die überhaupt so viele Datensätze herhaben...?)
  • aufgrund von SIS-Matches 400 Vermisste, 1000 gestohlene Autos und 1800 verlorene "Dokumente" (vermutlich wohl Pässe u.ä.) "gefunden" hat (was etlichen der Vermissten wahrscheinlich nicht so recht war...)
  • aufgrund von SIS-Matches 900 Personen verhaftet hat.

Anekdoten

Der Mun-Sekten-Mun wurde 1995 vom Grenzschutz in Koblenz nach Art. 96 wegen Gefährdung der Jugend nach Art. 95 ausgeschrieben. Die Ausschreibung wurde regelmäßig verlängert. Nach zwölf Jahren (2007) hatte Mun das Einreiseverbot weggeklagt; er war dazu zwei Mal bis vors BVerfG gegangen. Darauf brachte die BRD Frankreich dazu, ihn auszuschreiben. Das war den Franzosen bei genauerer Überlegung wohl doch zu peinlich, und so haben sie die Ausschreibung recht schnell wieder zurückgenommen. Die ganze Geschichte hat noch ein paar mehr Windungen. Die Mun-Anwälte haben sich in dem Fall gern auf Religionsfreiheit berufen, was einerseits doof ist, andererseits aber auch geschickt, weil sie so Menschenrechte von EU-BürgerInnen ins Spiel brachten statt "nur" der von KoreanerInnen. Das BVerfG hat aber am Ende aufgrund der absurden Begründung der Ausschreibung entschieden.

Der LfD Bawü berichtet im 27. TB (2008) von einer Überprüfung der SIS-Ausschreibungen des dortigen LKA (vgl. rohe Zahlen). Bei einem Vergleich mit nationalen Ausschreibungen zur verdeckten Registrierung ergab sich, dass Bawü 80% seiner 468 entsprechenden Ausschreibungen in INPOL ins SIS gestellt hatte, Bayern aber nur 15% seiner überwältigenden 2208. Der LfD hat ein wenig nachgesehen, woher die vielen Fälle aus Bawü kommen; darunter waren 63 Personen, die eine Ermittlungsgruppe "Mobile Kinderbanden" ausgeschrieben hat. Ansonsten gab es 62 Fälle, die bereits seit mehr als zwei Jahren in SIS waren (also mindestens zwei Mal verlängert worden waren; eine Ausschreibung war schon seit 2000 gelaufen). Alle diese Fälle kamen aus dem "Staatsschutz"-Bereich, waren also politisch motiviert. Erwartungsgemäß hatte die Polizei munter "Kontaktpersonen" ausgeschrieben oder sich noch nicht mal die Mühe gemacht, irgendwelche Gefahren schwerer Straftaten zusammenzufantasieren. Außerdem wurden einfach gleich mal alle namentlich bekannten Funktionäre verschiedener Gruppen in SIS ausgeschrieben.

Weitere Quellen