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Revision 2 vom 2011-12-26 08:15:03
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Autor: LilaBlume
Kommentar:
Revision 3 vom 2012-01-06 11:42:21
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Autor: anonym
Kommentar: + Stand Visadatei Gesetzentwurf nach Innenausschuss, Material aus Datenbanken gegen Migrant_innen
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diese Daten auch in [[AZR]]). In Einzelfällen können die Auslandsvertretungen diese Daten auch in das [[AZR]]). In Einzelfällen können die Auslandsvertretungen
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TODO: Rechtsgrundlage, Zahlen...
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2011 ist ein Entwurf eines Gesetzes in parlamentarischer Beratung (TODO:
BT-Drs. 17/6643), das eine Visa-Warndatei in Konkurrenz zu [[VIS]] vorsieht.
Sie soll "in erster Linie" der Vorbeugung von Visamissbrauch dienen.
Ein schöner Verriss des Entwurfs ist in einer <<Doclink(2011-schild-visaverriss.pdf,Stellungnahme zum Gesetz von Hans-Hermann Schild)>> an den Bundestag
enthalten.
Nach dem aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung
([[http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/066/1706643.pdf|Bt-DS 17/6643]])
soll die Visa-Warndatei "Fehlentscheidungen im Zusammenhang mit
Täuschungen oder Täuschungsversuchen" bei der Erteilung von Visa
vermeiden (§1 (1), 1) und die "Prüfung von Verpflichtungserklärungen" (etwa
zur Übernahme von Kosten; §1 (1), 2) erleichtern. Gespeichert werden
bestimmte Antragsteller_innen, vor allem aber auch Einlader_innen,
Referenzpersonen und andere BRD-Bürger, die von dem bisherigen
Migrationskontrollregime nicht erfasst wurden.

Nach gegenwärtigen Planungen soll die Datei Mitte 2013 in Betrieb gehen;
sie wird wie das [[AZR]] vom Bundesverwaltungsamt betrieben (vgl.
[[Datenbanken des Bundesverwaltungsamts]]).

=== Inhalt der Datei ===

Genauer werden gespeichert (§2) Personen,:

 #. wegen diverser Straftaten aus dem Bereich der Migrationskontrolle (Aufenthaltsgesetz, Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, Menschenhandel, -raub, Drogenschmuggel) verurteilt wurden,
 #. bei Visumanträgen irgendwie betrogen oder dabei mitgeholfen haben (z.B. Fälschungen vorgelegt oder hergestellt haben oder auch einfach nur geflunkert)
 #. geflunkert haben oder ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sind, wenn sie als Inländer an Visumverfahren beteiligt waren, also insbesondere
  * Ausländer_innen eingeladen,
  * sich zur Übernahme von Unterhalt oder Ausreisekosten verplichtet oder
  * einen Aufenthaltszweck ("nimmt an unserer Konferenz teil"; "wird bei unserer Kirchweih mitsingen") bestätigt haben
 #. Organisationen, in deren Namen beim Einladen geflunkert wurde.

Außerdem können sich Menschen freiwillig speichern lassen; der Gedanke
hier ist, dass häufige Einlader_innen, etwa von Firmen, quasi eine
Unbedenklichkeit in die Visa-Warndatei eintragen lassen können, wenn
ihnen dauernde Nachfragen zu nervig werden. Nebenbei ist das ein
bemerkenswerter Plan: Wir nerven euch so lange, bis ihr freiwillig auf
eure informationelle Selbstbestimmung verzichtet.

Da die Fallgruppen 1 und 2 fast durchweg bereits anderweitig und
teilweise mehrfach gespeichert sind, darf die Fallgruppe 3 als Hauptziel
der Visa-Warndatei gelten.

Zu diesen Personen werden gespeichert (§3):

 * die üblichen Grundpersonalien (Namen incl. Varianten und frühere Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, -ort, Staatsangehörigkeit) bzw. für Organisationen deren Bezeichnung, Anschrift, Sitz, Registerstandort und -nummer
 * für Organisationen deren "Aufgaben- oder Wirkungsbereich" (hier wären Beispiele für Einträge mal aufschlussreich)
 * eine Identifikationsnummer
 * der Anlass bzw. der Tatbestand, der zur Speicherung führt sowie bei Urteilen das Datum des Urteils und ob die Strafe unterhalb von 90 Tagessätzen lag
 * die speichernde Stelle

=== Teilnehmende Stellen ===

Diese Daten sollen (tatsächlich "müssen" sie nach §4) kommen von allen
Behörden, die etwas mit der Erteilung von Visa zu tun haben
(Auslandsvertretungen, Ausländerbehörden, ggf. Zoll usf) und natürlich
den Staatsanwaltschaften, soweit es um Straftaten geht.

Die Daten gehen an die Visa erteilenden Stellen zurück, insbesondere an
Auslandsvertretungen, Ausländerbehörden, die Verpflichtungserklärungen
prüfen oder Visa verlängern oder Grenzpolizeien, die Schnellvisa ausstellen
oder Menschen abschieben. Dabei gibts ausgerechnet im Bereich der
verurteilten Straftäter_innen etwas Datenschutzbarock, denn ihre Daten
werden äquivalent zur Regelung aus dem [[Bundeszentralregister]]
("Führungszeugnis") behandelt. Die weit spekulativeren und mit weniger
Rechtsschutzmöglichkeiten versehenen Speicherungen wegen Flunkerei
werden hingegen beliebig liberal zwischen den Behörden verschoben.

Neckisch ist auch das Verfahren in §8 (4): Wenn das Bundesverwaltungsamt
nämlich eine Anfrage zu einer Person bekommt, aber aus den übermittelten
Daten nicht schließen kann, welcher gespeicherten Person sie entspricht,
übermittelt sie einfach mal die Personalien aller ungefähr passenden
Einträge zur Klärung. In Wirklichkeit dürfte diese Regelung eine Art
Wildcard-Suche sein, denn praktisch alle teilnehmenden Stellen werden
den automatisierten Abruf nach §9 nutzen.

Der wahrscheinlich größte Klopfer der Visa-Warndatei ist allerdings im
Aufenthaltsgesetz enthalten: Dieses erhält einen neuen §72a, nach dem
die Visa-Warndatei mit der [["Anti-Terror-Datenbank"]] abgeglichen wird,
jedenfalls, soweit "Tatsachen die Annahme rechtfertigen", dass sich
Treffer ergeben; hier ist die konkrete Handhabung noch überhaupt nicht
abzusehen. Jedenfalls werden bei einem Treffer in der ATD alle darin
speichernden Behörden von dem Visumantrag ihrer Ziel- oder
Kontaktpersonen benachrichtigt, damit sie ggf. Einwände gegen die
Erteilung des Visums erheben können oder sich geeignet auf die Einreise
der schlimmen Finger vorbereiten können.

=== Datenschutz ===

Das Auskunftsrecht ist in §12 geregelt und weitgehend Standard,
insbesondere, was großzügige Ausnahmetatbestände betrifft ("die Daten
oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder
ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten
Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen")

Alle Zugriffe auf die Datei werden geloggt (incl. Zweck der Abfrage; §11);
die Logdateien bleiben für ein Jahr erhalten und sind explizit
Auskunftsansprüchen zugänglich.


=== Weiteres zur Warndatei ===

Ein schöner Verriss eines Entwurfs des Gesetzes zur Visa-Warndatei ist in einer <<Doclink(2011-schild-visaverriss.pdf,Stellungnahme zum Gesetz von Hans-Hermann Schild)>> an den Bundestag enthalten.

MdB Ulla Jelpke sagte in einer [[http://www.ulla-jelpke.de/news_detail.php?newsid=2044|Rede im Bundestag im September 2011]]
zur Visa-Warndatei:

{{{#!blockquote
Wer in dieser Datei landet, hat zukünftig keine Chance mehr auf ein Visum, aber auch keine Chance jemanden aus dem Ausland einzuladen. Als ob diese neue Datenhaufen nicht schon genug wäre, werden die Daten aus Visumsverfahren außerdem noch mit der Anti-Terrordatei abgeglichen. Den Beweis für die Notwendigkeit dieses neuen Beschäftigungsprogramms für die IT-Abteilungen der Sicherheitsbehörden bleibt die Bundesregierung schuldig.
}}}

Menschen mit Visa für die BRD oder den Schengenraum werden bereits in etlichen Dateien gespeichert, insbesondere VIS (als Teil von Schengen) und AZR in der BRD. Dazu hatten die Auslandsvertretungen schon seit langem jeweils eigene Dateien mit Visaverweigerungen und möglicherweise weiterem.

Dennoch gelang es einigen "Sicherheits"apologeten im Zuge eines Untersuchungsausschusses zu mutmaßlich missbräuchlichen Visaerteilungen in der Ukraine ("Visa-Affäre 2005") die Idee einer Spezialdatei zu "Visabetrug" zu lancieren, in der speziell auch Menschen und Organisationen aus der BRD selbst gespeichert werden sollten, die regelmäßig in Visaverfahren auftraten, etwa als Einlader_in oder Bürge.

Visadateien der Auslandsvertretungen

Auf nationaler Ebene speichern BRD-Behörden Visa-Daten nach §69 Aufenthaltsverordnung. Offenbar sind dabei Systeme der verschiedenen Auslandsvertretungen voneinander getrennt. Weiter werden dort auch Verweigerungen und ihre Gründe gespeichert (je nach Vorgeschichte kommen diese Daten auch in das AZR). In Einzelfällen können die Auslandsvertretungen diese Daten auch austauschen; wie oft das passiert, ist nicht bekannt.

TODO: Rechtsgrundlage, Zahlen...

Visa-Warndatei

Nach dem aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung (Bt-DS 17/6643) soll die Visa-Warndatei "Fehlentscheidungen im Zusammenhang mit Täuschungen oder Täuschungsversuchen" bei der Erteilung von Visa vermeiden (§1 (1), 1) und die "Prüfung von Verpflichtungserklärungen" (etwa zur Übernahme von Kosten; §1 (1), 2) erleichtern. Gespeichert werden bestimmte Antragsteller_innen, vor allem aber auch Einlader_innen, Referenzpersonen und andere BRD-Bürger, die von dem bisherigen Migrationskontrollregime nicht erfasst wurden.

Nach gegenwärtigen Planungen soll die Datei Mitte 2013 in Betrieb gehen; sie wird wie das AZR vom Bundesverwaltungsamt betrieben (vgl. Datenbanken des Bundesverwaltungsamts).

Inhalt der Datei

Genauer werden gespeichert (§2) Personen,:

  • #. wegen diverser Straftaten aus dem Bereich der Migrationskontrolle (Aufenthaltsgesetz, Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, Menschenhandel, -raub, Drogenschmuggel) verurteilt wurden, #. bei Visumanträgen irgendwie betrogen oder dabei mitgeholfen haben (z.B. Fälschungen vorgelegt oder hergestellt haben oder auch einfach nur geflunkert) #. geflunkert haben oder ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sind, wenn sie als Inländer an Visumverfahren beteiligt waren, also insbesondere
    • Ausländer_innen eingeladen,
    • sich zur Übernahme von Unterhalt oder Ausreisekosten verplichtet oder
    • einen Aufenthaltszweck ("nimmt an unserer Konferenz teil"; "wird bei unserer Kirchweih mitsingen") bestätigt haben
    #. Organisationen, in deren Namen beim Einladen geflunkert wurde.

Außerdem können sich Menschen freiwillig speichern lassen; der Gedanke hier ist, dass häufige Einlader_innen, etwa von Firmen, quasi eine Unbedenklichkeit in die Visa-Warndatei eintragen lassen können, wenn ihnen dauernde Nachfragen zu nervig werden. Nebenbei ist das ein bemerkenswerter Plan: Wir nerven euch so lange, bis ihr freiwillig auf eure informationelle Selbstbestimmung verzichtet.

Da die Fallgruppen 1 und 2 fast durchweg bereits anderweitig und teilweise mehrfach gespeichert sind, darf die Fallgruppe 3 als Hauptziel der Visa-Warndatei gelten.

Zu diesen Personen werden gespeichert (§3):

  • die üblichen Grundpersonalien (Namen incl. Varianten und frühere Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, -ort, Staatsangehörigkeit) bzw. für Organisationen deren Bezeichnung, Anschrift, Sitz, Registerstandort und -nummer
  • für Organisationen deren "Aufgaben- oder Wirkungsbereich" (hier wären Beispiele für Einträge mal aufschlussreich)
  • eine Identifikationsnummer
  • der Anlass bzw. der Tatbestand, der zur Speicherung führt sowie bei Urteilen das Datum des Urteils und ob die Strafe unterhalb von 90 Tagessätzen lag
  • die speichernde Stelle

Teilnehmende Stellen

Diese Daten sollen (tatsächlich "müssen" sie nach §4) kommen von allen Behörden, die etwas mit der Erteilung von Visa zu tun haben (Auslandsvertretungen, Ausländerbehörden, ggf. Zoll usf) und natürlich den Staatsanwaltschaften, soweit es um Straftaten geht.

Die Daten gehen an die Visa erteilenden Stellen zurück, insbesondere an Auslandsvertretungen, Ausländerbehörden, die Verpflichtungserklärungen prüfen oder Visa verlängern oder Grenzpolizeien, die Schnellvisa ausstellen oder Menschen abschieben. Dabei gibts ausgerechnet im Bereich der verurteilten Straftäter_innen etwas Datenschutzbarock, denn ihre Daten werden äquivalent zur Regelung aus dem Bundeszentralregister ("Führungszeugnis") behandelt. Die weit spekulativeren und mit weniger Rechtsschutzmöglichkeiten versehenen Speicherungen wegen Flunkerei werden hingegen beliebig liberal zwischen den Behörden verschoben.

Neckisch ist auch das Verfahren in §8 (4): Wenn das Bundesverwaltungsamt nämlich eine Anfrage zu einer Person bekommt, aber aus den übermittelten Daten nicht schließen kann, welcher gespeicherten Person sie entspricht, übermittelt sie einfach mal die Personalien aller ungefähr passenden Einträge zur Klärung. In Wirklichkeit dürfte diese Regelung eine Art Wildcard-Suche sein, denn praktisch alle teilnehmenden Stellen werden den automatisierten Abruf nach §9 nutzen.

Der wahrscheinlich größte Klopfer der Visa-Warndatei ist allerdings im Aufenthaltsgesetz enthalten: Dieses erhält einen neuen §72a, nach dem die Visa-Warndatei mit der "Anti-Terror-Datenbank" abgeglichen wird, jedenfalls, soweit "Tatsachen die Annahme rechtfertigen", dass sich Treffer ergeben; hier ist die konkrete Handhabung noch überhaupt nicht abzusehen. Jedenfalls werden bei einem Treffer in der ATD alle darin speichernden Behörden von dem Visumantrag ihrer Ziel- oder Kontaktpersonen benachrichtigt, damit sie ggf. Einwände gegen die Erteilung des Visums erheben können oder sich geeignet auf die Einreise der schlimmen Finger vorbereiten können.

Datenschutz

Das Auskunftsrecht ist in §12 geregelt und weitgehend Standard, insbesondere, was großzügige Ausnahmetatbestände betrifft ("die Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen")

Alle Zugriffe auf die Datei werden geloggt (incl. Zweck der Abfrage; §11); die Logdateien bleiben für ein Jahr erhalten und sind explizit Auskunftsansprüchen zugänglich.

Weiteres zur Warndatei

Ein schöner Verriss eines Entwurfs des Gesetzes zur Visa-Warndatei ist in einer Stellungnahme zum Gesetz von Hans-Hermann Schild an den Bundestag enthalten.

MdB Ulla Jelpke sagte in einer Rede im Bundestag im September 2011 zur Visa-Warndatei:

Wer in dieser Datei landet, hat zukünftig keine Chance mehr auf ein Visum, aber auch keine Chance jemanden aus dem Ausland einzuladen. Als ob diese neue Datenhaufen nicht schon genug wäre, werden die Daten aus Visumsverfahren außerdem noch mit der Anti-Terrordatei abgeglichen. Den Beweis für die Notwendigkeit dieses neuen Beschäftigungsprogramms für die IT-Abteilungen der Sicherheitsbehörden bleibt die Bundesregierung schuldig.