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Revision 22 vom 2006-07-26 13:51:57
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Autor: LilaBlume
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Kommentar: SIS II aktualisiert
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Laut einem Hörfunkbericht des SWR verzögert sich die Einführung von SIS II bis Juni 2008 [http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID6036306_REF3,00.html SWR-Artikel]

Polizeiliche Datenbanken auf Europäischer Ebene

Ein etwas älterer Artikel zu den Hintergründen findet sich in der Zeitung der Roten Hilfe: http://www.rote-hilfe.de/rhz/rhz199703/rhz397001.html

Rechtslage

Grundsätzlich wird über die EU gerne in [http://europa.eu.int/eur-lex/de/about/abc/abc_12.html drei Säulen] räsoniert: Die erste Säule ist der Binnenmarkt und die Wirtschaftspolitik, die zweite Säule die gemeinsame Außen- und "Sicherheits"politik, die dritte Säule die Zusammenarbeit in der Repression. Obrigkeitliche Datensammlungen werden vor allem im Zuge der dritten Säule vorgenommen, auch wenn etwa OLAF Verbindungen zur ersten, SIS Verbindungen zur zweiten Säule haben kann.

Da die EU im Groben ein Laden der Regierungen ist, darf in keiner Säule mit allzu viel parlamentarischer oder unabhängiger Kontrolle gerechnet werden. Dazu kommt, dass (wenigstens uns) nicht klar ist, welches Datenschutzrecht für die jeweiligen Systeme einschlägig ist. Die [http://europa.eu.int/eur-lex/pri/de/oj/dat/2002/l_201/l_20120020731de00370047.pdf EU-Datenschutzrichtline] sollte eigentlich überall in nationales Recht umgesetzt werden und wird also irgendwann auch für diese Datenbanken relevant.

[http://www.europarl.eu.int/comparl/libe/elsj/zoom_in/25_en.htm Das EU-Parlament gibt offen zu], dass z.B. SIS gegenwärtig keine Rechtsgrundlage hat ("the system temporarily rests on the provisions of the third pillar by virtue of a protocol to the Amsterdam Treaty").

Insbesondere ist häufig unklar, ob sich der für Datenschutz zuständige Kommissar (Art. 23 der Europol-Konvention) für Auskunftsersuchen (Art. 19 der Europol-Konvention) oder für eventuelle Beschwerden zuständig fühlen sollte - im Sirene-Manual wird dagegen explizit auf entsprechende Einrichtungen der Länder verwiesen.

Zur Überwachung der Verwendung des SIS existiert ein JSB (Joint Supervisory Body), in dem je zwei VertreterInnen der nationalen Datenschutzbehörden der Mitgliedsstaaten sitzen; online gibt es den [http://www.bfd.bund.de/information/schengen0001.pdf Tätigkeitsbericht 2000/01] und den [http://www.bfd.bund.de/information/schengen0002.pdf Tätigkeitsbericht 2002/03].

SIS

(Schengener Informationssystem; seit 1995): größtes polizeiliches (wird aber auch nachrichtendienstlich genutzt) IT-System in Europa. Ende 2001 speicherte es knapp 11 Millionen Falldaten. Zwischen 80 und 90% der Daten kamen Ende der 90er Jahre aus Migrationsfällen (also Abschiebungen etc; "Artikel 96"-Daten); offenbar werden auf Daten über "Globalisierungsgegner" in SIS gehalten.

In der [http://dip.bundestag.de/btd/16/008/1600868.pdf Bundestagsdrucksache 16/868] berichtet die Regierung, SIS habe 2006 14.7 Millionen Einträge gehabt, davon 13.8 Millionen Sachen, 750000 Menschen, denen die Einreise verweigert wurde. Von diesen kamen 380000 aus Italien, 162000 aus der BRD.

Was SIS ist und darf, ist im http://www.aufenthaltstitel.de/schengeneruebereinkommen.html [Schengener Durchführungsabkommen (SDÜ)] (Titel IV) festgelegt. Unter anderem sollen neben Personen, denen die Einreise in den Schengen-Raum verweigert wurde, auch Personen, die "verdeckt registriert oder gezielt kontrolliert" werden sollen ausgeschrieben werden.

SIS wird insbesondere bei Einreisen aus dem Nicht-Schengen-Ausland abgefragt, aber durchaus auch bei Kontrollen im Inland. In der BRD wird die Zahl der SIS-Fähigen Terminals 2006 auf 10500 geschätzt, 2005 wurden rund 70 Millionen SIS-Anfragen aus der BRD getätigt.

Die Daten sollten mal aus nationalen Datenbanken kommen, mittlerweile wird aber offensichtlich auch direkt und ausschließlich in SIS gespeichert. Die Praxis ist jedenfalls uneinheitlich. Die SIS-Bestimmungen erfordern allerdings, dass, wer oder was immer in SIS zur Fahndung ausgeschrieben ist, in mindestens einem Schengenstaat zur Fahnung ausgeschrieben sein muss. Dennoch wird oft kritisiert, dass bei SIS-Einträgen aus anderen Staaten die Grundlage des Eintrags nicht reproduzierbar ist.

Zusammenführung der Daten bei C-SIS in Straßburg -- die Daten werden dabei offenbar zur Gänze übertragen, so dass sie danach sowohl in Straßburg als auch in den nationalen Datenbanken vorliegen.

Bisher: Fahndungsdaten über Personen und Gegenstände, Daten ziemlich begrent und standardisiert, "Kontrolle" durch gemeinsame Kommission aus Datenschutzbehörden der Länder. Auf spanische Initiative (2002, also lang vor ihren Anschlägen) soll das Teil jetzt auch zur [http://www2.europarl.eu.int/omk/sipade2?PUBREF=-//EP//TEXT%2BREPORT%2BA5-2002-0436%2B0%2BDOC%2BXML%2BV0//EN&L=EN&LEVEL=1&NAV=S&LSTDOC=Y Terrorbekämpfung] gut sein.

Reizvoll: Bisher sollen weder Ethnie, besondere Kennzeichen, politische Überzeugungen, Gesundheitsprobleme oder sexuelle Orientierung gespeichert werden. Auf der anderen Seite werden Überwachungsprotokolle durchaus gespeichert, wenn auch derzeit nur für maximal ein Jahr.

Zweckbestimmung aus dem [http://europa.eu.int/smartapi/cgi/sga_doc?smartapi!celexplus!prod!DocNumber&lg=de&type_doc=COMfinal&an_doc=2001&nu_doc=720 Rechtsakt von 1985]: "Sicherheit" soll nach Abschaffung der Grenzkontrollen nicht geringer sein als vorher, also: Schutz der Grenzen und Kontrolle von Personenbewegungen. Dementsprechend wird an den Schengen-Außengrenzen für alle einreisenden BürgerInnen von Drittstaaten eine SIS-Abfrage durchgeführt. Ausgeschriebenen Personen wird die Einreise verweigert.

Die Kontakt zu den nationalen Behörden obliegt offenbar den Sirene-Büros. Ob das technische Auswirkungen hat, ist nicht klar, denn offenbar speichern lokale Behörden frei in SIS (und Abfragen werden auch direkt abgewickelt).

Speicherfristen in SIS: 3 Jahre für Migrationsgeschichten ("Artikel 96"), 1 Jahr für Überwachungsgeschichten ("Artikel 99") -- diese werden in SIS II massiv ausgeweitet werden. Dabei sind allerdings mehr oder weniger automatische Verlängerungen möglich ("Überprüfung nach drei Jahren"), so dass bei Abschiebungen wegen kriminellen Verhaltens de facto mindestens sechs Jahre gespeichert wird. [http://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/lfd/tb/2004/tb-2.htm#t2_1_2 Der LfD BaWue berichtet] 2004, dass AusländerInnen- und Polizeibehörden aus Baden-Württemberg versuchen, mit Tricks faktisch unendliche Speicherfristen zu erzeugen.

2006 neuer Computer für 157 ME, für biometrische Daten konzipiert (siehe SIS II). http://archiv.vol.at/tmh/zr/national/newswelt/APS_News_Welt-149317.shtm

SIS II

Ursprünglich für 2006 geplante Erweiterung von SIS ([http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/l33183.htm EU-Bericht dazu]). Inzwischen ist schon die Inbetriebnahme 2007 zweifelhaft (http://www.heise.de/newsticker/meldung/75922), angeblich auch wegen des Widerstands verschiedener Datenschutzbeauftragter (angesichts des Umstands, dass deren Bedenken auch sonst immer gern ignoriert werden, dürfte es aber vor allem an technischen Schwierigkeiten liegen).

Zusätzliche Identifikationsdaten sollen verwendet werden: Fotografien, Fingerabdrücke und "möglicherweise andere Materialien" (DNA-Profile), biometrische Daten. Personen sollen mit "Aufklärungskennzeichen" versehen werden, wenn sie im Verdacht stehen, eine Straftat begangen zu haben, oder eine "psychologische Gefahr" darstellen oder bestimmte Gegenstände "besitzen, mit sich führen oder gebrauchen". Daten unterschiedlicher Personen und Objekte sollen miteinander verknüpft werden, um eine Überwachung für eine bestimmte Gruppe zu initiieren.

Jede SIS-Suche soll dokumentiert werden.

SIS II-Daten sollen künftig auch Europol und Eurojust zur Verfügung stehen. Europol soll Daten hinzufügen, abändern oder löschen können. Die StaatsanwältInnen von Eurojust werden über SIS II Zugriff auf den Europäischen Haftbefehl erhalten, der dort gespeichert ist und der an die Polizei entweder über ein Sirene-Büro oder Interpol übermittelt werden soll. Behörden, die für AsylbewerberInnen zuständig sind, sowie Einwohnemelderämter, die für die Ausgabe von Identitätsausweisen zuständig sind, sollen auf SIS II zugreifen können, außerdem Kraftfahrzeugämter und Kreditanstalten im Zuge der grenzüberschreitenden Betrugsbekämpfung. Auch Inlandgeheimdiensten soll der Zugriff zur geplanten "Terroristen-Datenbank" möglich sein.

Auf kommerzieller Seite sind die Hauptkontraktoren Steria Frankreich und HP Belgien, aus der BRD kommt vor allem Mummert und Partner dazu. Ihnen stehen für die Entwicklung 40 Millionen Euro zur Verfügung (http://europa.eu.int/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/04/1300&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=de).

Laut einem Hörfunkbericht des SWR verzögert sich die Einführung von SIS II bis Juni 2008 [http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID6036306_REF3,00.html SWR-Artikel]

Netzwerke: Sirene - SISNET

Sirene (Sirene - Supplément d'Information Requis a l'Entrée Nationale - Supplementary Information Request at the National Entry) heißen die Verbindungsbüros zwischen den nationalen Polizeisystemen und SIS.

SISNET ist ein abgeschottetes Netz, dass die Sirene-Büros in den Mitgliedsstaaten verbindet.

Europol/TECS

Hier wird offenbar ein über die derzeit in SIS verfügbaren Daten zusätzlicher Datenaustausch betrieben. Zu datenschutzrechtlichen Aspekten siehe http://europoljsb.ue.eu.int/.

http://www.infolinks.de/cilip/ausgabe/61/tecs.htm -- The Europol Computer Systems, DB des Europäischen Polizeiamts ("Dritte Säule der EU") -- 1 Million Records geplant. SIS ist demgegenüber vor allem "zweite Säule", d.h. auf Migration angelegt. De facto scheint SIS aber durchaus auch Daten von straffälligen EU-InländerInnen zu enthalten (und es [http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/cig/g4000s.htm ist umstritten], ob es nicht auch dritte Säule sein kann).

Zwei "Pfeiler"

  1. "Informationssystem", Registerdatenbank über Verurteilte, Verdächtige und potentiell verdächtige Personen
  2. "Analysesystem", zusätzlich Opfer, Kontaktpersonen, ZeugInnen, "andere Personen", Daten über Gesundheit, Sexualität u.a. erlaubt. Unmittelbarer Zugang hier nur durch Europol und ausgesuchte "ExpertInnen".

Jede Person hat das Recht, die jeweilige nationale Kontrollinstanz zu ersuchen, die Zulässigkeit der Eingabe und Übermittlung von sie betreffenden Daten an EUROPOL sowie des Abrufs dieser Daten durch den jeweiligen Mitgliedstaat zu überprüfen.

EURODAC

EURODAC ist ein System, mit dem seit dem 15. Januar 2003 Fingerabdrücke von Asylbewerbern und illegalen Einwanderern europaweit verglichen werden.

[http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/l33081.htm Rechtsgrundlage]

[http://www.bfd.bund.de/information/tb19/node49.html#SECTION00911000000000000000 Wer kontrolliert Eurodac?]

[http://www.heise.de/newsticker/meldung/33690/ EURODAC-Meldung bei heise.de]

[http://www.wsws.org/de/2002/jul2002/sevi-j02.shtml]

FADU

Parallel zu Eurodac entwickelte eine Arbeitsgruppe in der EU ein europäisches zentrales Computersystem innerhalb des Generalsekretariats des Rats für Justiz und Inneres, um Bilder zu speichern und auszutauschen. Das System heißt FADU (falsche und authentische Dokumente).

[http://www.europa-digital.de/text/aktuell/fdw/eurodac.shtml]

[http://no-racism.net/print/57/]

EUCARIS

In [http://www.eucaris.net/ EUCARIS] (European Car Information System - Europaweites KFZ-Register) werden die Daten der zugelassenen KfZ, deren Halter und alle Führerscheinbesitzer ausgetauscht. Teilnehmerländer sind:

  • Großbritannien und Nordirland
  • Belgien
  • Luxemburg
  • Niederlande
  • Deutschland

Für Deutschland werden aus dem [http://www.kba.de/ Kraftfahrtbundesamt] die Daten aus den

  • Zentralen Fahrzeugregister,
  • Zentralen Fahrerlaubnisregister und dem
  • Verkehrszentralregister,

für die Teilnehmerländer bereitgestellt

IRENE

Datenbank von OLAF, offenbar vor allem gegen Wirtschaftskriminalität gerichtet.

Enfopol

Zur Zusammenarbeit der Innen- und Justizministerien geschaffen, außerhalb der parlametarischen Kontrolle. Eines der Ziele ist es, die Möglichkeit zur permanenten Überwachung des gesamten Telefon- und Datenverkehrs zu haben und die Verschlüsselung von Firmen- und Privatdaten in Computernetzen zu unterbinden, um sie überhaupt abhören zu können.

RISER

[http://www.riser.eu.com/ Registry Information Service on European Residents] ist als europaweiter Zugriffsservice auf alle nationalen Melderegister angelegt. In der aktuellen Pilotphase nehmen Österreich und die BRD teil. Bis Ende 2006 sollen alle EU Staaten angebunden sein. Geld kommt vom EU-Projekt [http://www.bit.ac.at/eten/index.htm eTen], das "Verwaltungsleistungen" ins Netz bringen möchte. Diese sollen auch an Privatfirmen wie z. B. Adressbroker, Versandhändler und Inkassounternehmen verkauft werden.

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