Rechtsgrundlagen

Spätestens ab 2019 hat das HLKA angefangen, bei Auskunftsersuchen Speicherungen im ComVor nicht mehr direkt zu Beauskunften. Stattdessen schreiben sie etwas wie „zu Ihren Personalien erfolgten Speicherungen durch die Präsidien Niddatal und Edersee”; mensch möge sich dorthin wenden wegen Auskunft. Das deutet auf ein etwas ungewöhnliches Konstrukt hin, in dem das LKA sich nur noch als Auftragsdatenverarbeiter für die lokalen Präsidien versteht. Ob das einen tieferen Hintergrund hat als nur, Arbeit beim Beauskunften zu sparen und den Auskunftsuchenden das Leben schwer zu machen, ist noch unklar.

Auskunftssysteme der Polizei

Hessen war einer der Vorreiter der bundesweiten Einführung von POLAS (Länderübergreifende Software) und dürfte das System jetzt vollständig einsetzen: Pressemeldung:17.03.2004 Hessen präsentiert webbasiertes polizeiliches Auskunftssystem POLAS: Erfolgreich in 13 Bundesländern

Zuvor (d.h. in den 90ern) HEPOLIS, Hessisches Polizei-Informationssystem.

Für 2018 berichtet die Frankfurter Rundschau von 40000 bis 45000 Personenabfragen der hessischen Polizeidatenbanken.

Vorgangsbearbeitung

ComVor (Länderübergreifende Software). Hessens Regierung dazu.

Fallbearbeitung

Crime

Hessen hat gemeinsam mit Hamburg die Fallbearbeitung CRIME entwickelt. Diese war wenigstens zeitweise auch in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt im Einsatz. DAs zitierte Dokument nennnt 8000 Anwender mit 130 „Anwendungen“ „auch für ad-hoc-Bedarfe“. „Abgleiche, verschiedene Formen der Datenpräsentation, Volltextrecherche und weitere Suchformen sowie die Visualisierung von Beziehungsgeflechten“ sollen zu den Funktionen gehören. Wie sich so eine offensichtlich jedes Datenschutzrecht verletzende Beschreibung in der Einrichtungsanordnung liest, würden wir gerne wissen.

„hessendata“

Ca. 2017 soll CRIME durch Palantir Gotham ersetzt werden, was etwas seltsam wirkt, da gleichzeitig gerade im Zeichen von PIAV, sich die anderen Länder auf die Konkurrenz von rola (rsCase) geeinigt zu haben scheinen. Der Gesamtprozess mit seinen Seitengrotesken und einem Landtags-Untersuchungsausschuss ist bei police-it.org dokumentiert.

Der Name Palantir Gotham war, gerade wegen der NSA-Assoziationen, vielleicht etwas viel für das hessische Innenministerum, weshalb das System lokal „Hessendata” genannt wird. In der Süddeutschen Zeitung vom 18.10.2018 ist zu lesen, dass die Daten in Palantir aus den Auskunftssystemen des LKA und (vermutlich) den BKA-Verbunddateien kommen und dort mit Daten aus TKÜ, Verbindungsdaten, oder auch in beschlagnahmter EDV erbeuteter Daten verknüpft wird.

Recht spektakulär ist, dass die Rechner, auf denen das System läuft, offenbar durch Palantir selbst betrieben werden; dies zumindest behauptet ein Beitrag auf police-it.org vom 1.2.2019.

Verfassungsschutz

Das Hessische LfV unterhält (seit etwa 2000) als Ergänzung zu NADIS, wie alle VS-Behörden, auch noch LARGO, das umfangreichere Datensätze enthalten soll.

Bis 2018 hatte Hessens VS ein relativ liberales Auskunftsrecht, d.h., es wurde in der Regel eine halbwegs brauchbare Auskunft erteilt. Die Schwarz-Grüne Landesregierung hat das Auskunftsrecht dann aber an die autoritären Gepflogenheiten der Geheimdienste in Bayern, Baden-Württemberg und auf Bundesebene angepasst. Auch wenn noch von „pflichtgemäßer Abwägung“ bei der automatischen Ablehnung von Auskunftsverlangen die Rede ist, dürfte das Auskunftsrecht damit weitgehend beerdingt sein.

Weiteres

Hessen unterhielt offenbar eine Weile lang eine eigene DNA-Datei. Im August 2004 gab das Innenministerium bekannt, dass sie 30000 Datensätze enthalte und im ersten Halbjahr 2004 zur Aufklärung von 606 Verbrechen geführt habe. Es wäre natürlich auch denkbar, dass der Innenminster hessische Datensätze in DAD meinte.

Die schöne Übersicht über den elektronischen Repressionsapparat in Kochistan auf http://www.hessen-egovernment.de/irj/eGovernment_Internet?cid=621c854852bbe9e3f25e3998e34514b6 wurde entweder von einem/r mutigen Demokrat/in oder einem Sicherheitsfetischisten mit Realitätsverlust erstellt.

Skandale

Keine Löschung

Im 35. TB des LfD (2006), S. 62f findet sich eine hübsche Geschichte zu den in gewohnter Weise unterbliebenen Löschungen von Einträgen nach Einstellungen oder Freisprüchen:

Ein hessischer Sportschütze, der im Besitz einer entsprechenden Genehmigung seiner Waffenscheinbehörde war, erwarb bei einer hessischen Firma eine Schusswaffe. Tags darauf zeigte er bei der Waffenscheinbehörde den Erwerb der Waffe an. Die Waffenscheinbehörde vertrat die Ansicht, der ihm erteilte Berechtigungsschein gelte für die erworbene Waffe nicht. [...] Sie stellte die Waffe vorläufig sicher, schaltete die Polizei ein und erstattete Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft. [...] Erst das zuständige Amtsgericht [...] lehnte die Eröffnung der Hauptverhandlung wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz ab. Die Kosten des Verfahrens wurden der Staatskasse auferlegt. [...] Als der Betroffene etwa ein halbes Jahr später in eine Polizeikontrolle geriet, wurde er nach Überprüfung seiner Personalien nach seiner Empfindung gründlicher kontrolliert als andere Personen. Auf Nachfrage erklärten ihm die Beamten, das sei schon so richtig, schließlich sei er schon einmal wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz polizeilich in Erscheinung getreten. Nun wandte er sich an mich und fragte, ob er die Datenspeicherung der Polizei hinnehmen muss.

Der LfD beantwortete das mit einem klaren Nein.

Nazis bei der Polizei und Helene Fischer

Im August 2019 berichtet die Frankfurter Rundschau über die weit verbreitete Nutzung von Polizeidatenbanken in Hessen für Privatinteressen der Beamt_innen.

Was als Drama anfing – eine Anwältin von NSU-Hinterbliebenen hatte rassistische Drohbriefe eines „NSU 2.0“ an eine Adresse aus dem Polizeicomputer bekommen – entwickelte sich schnell zu einer Farce: Bei einer genaueren Untersuchung stellte sich heraus, dass am Abend eines Konzerts von Helene Fischer in Frankfurt sage und schreibe 83 Anfragen über sie an den Polizeicomputer gestellt wurden – die Beamt_innen haben ganz offenbar nicht nur Probleme mit dem politischen Kompass.

Gänzlich ins Absurde wendete sich die Affäre, als die Polizei, statt ernsthaft gegen die illegale Nutzung vorzugehen, lediglich bei jeder 200. Abfrage ein Popup mit der Bitte um die Angabe eines Grundes für die Anfrage einblenden ließ. Und dann noch nicht mal ernsthafte Maßnahmen ergriff, als ein Beamter in dieses Formular „Mickey Mouse“ eingab.

Tatsächlich muss natürlich für jede Anfrage ein Grund im Log stehen – doch ist das offenbar so formal, dass es ohnehin niemand mehr ernst nimmt.