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Der Zoll ist eine der Bundesbehörden mit polizeilichen Befugnissen. Da er beim Bundesfinazministerium angegliedert ist, gibt es allerdings gewisse Spannungsverhältnisse.

Rechtsgrundlagen

Im engeren Repressionsbereich Gesetz über das Zollkriminalamt und die Zollfahndungsämter (alias Zollfahndungsdienstgesetz, ZFdG)

Dazu kommen zahlreiche Aufgaben, die der Zoll im Rahmen diverser marktradikaler „Reformen“ von anderen Behörden übernommen hat, so z.B. arbeitsrechtliche Kontrolle.

Für die relativ neue FIU ist es das Geldwäschegesetz GwG.

Nachweissysteme

Neben eigenen Datenbanken benutzt der Zoll die unter Datenbanken BKA. abgehandelten Systeme, insbesondere die Finanzermittlungsdatei Fedok.

INZOLL

Informations- und Auskunftssystem des Zolls, wird beim Zollkriminalamt in Köln geführt.

Eingerichtet 1980, wurde bis mindestens 1996 nur mit BDSG als Rechtsgrundlage betrieben (mit anderen Worten illegal, was der BfD damals auch rügte). Zu diesem Zeitpunkt enthielt die Datei rund 1000000 Sachverhalte und 500000 Datensätze zu Personen und Firmen.

Speicherfrist war damals regelmäßig 10 Jahre, und zwar auch für schlichte Ordnungswidrigkeiten, nur in Ausnahmefällen (Verwarnungen) 3 Jahre; gespeichert werden auch Amtshilfeersuchen ausländischer Behörden (von denen natürlich in der Regel keine Meldung über etwaige Einstellungen kommt). Mittlerweile gibt der Zoll Löschfristen von "6 Monaten bis 10 Jahren" an.

Zugriff haben diverse Stellen des Zolls, die Oberfinanzdirektionen (21) und das Bundesministerium der Finanzen (das die Aufsicht über den Zoll führt). Seit dem 1.3.2005 haben auch Staatsanwaltschafen direkt auf INZOLL Zugriff.

Der BfDI berichtet in seinem 21. TB BfDI (2006), 5.4.2 (S. 75) von einem Anhörungsverfahren zu INZOLL-Neu, einem System, das u.a. zur "Aufdeckung noch unbekannter Straftaten" dienen soll und INZOLL generell parallel zu INPOL ausrichten soll. Da die aktuelle Errichtungsanordnung von INZOLL gerade von 2006 stammt, ist davon auszugehen, dass das laufende System unter dieser Flagge eingeführt wurde.

Bundestags-Drucksache 17/8544 bezeichnet INZOLL auch als Fallbearbeitung, was vermuten lässt, dass INZOLL auch allerlei "weiche" Daten enthält, also Daten, die innerhalb von Ermittlungsverfahren einfach mal so erhoben werden.

Bundestags-Drucksache 17/8544 gibt an, INZOLL sei eine Entwicklung von T-Systems.

Bundestags-Drucksache 17/7307 gibt für den 1.10.2011 allein 21458 Datensätze in INZOLL die zur "Gefahrenabwehr" gespeichert werden.

EURIS

"Erfassungs- und Recherchesystem der Informationssachgebiete" -- speichert offenbar "offen" zugängliche Information zur Unterstützung der Zollfahnder.

COLUMBUS

Eine 2003 eingerichtete Datei, die offenbar vor allem gegen Zigarettenschmuggel arbeiten soll ("Aufklärung, Verhütung und Verfolgung von Steuerstraftaten auf dem Gebiet der Verbrauchssteuerhinterziehung und -hehlerei,"). Bundestags-Drucksache 17/7307 gibt für den 1.10.2011 8895 Datensätze aller Art in dieser Datei, wie viele davon Personen betreffen, ist nicht klar.

CRIME-Anwendungen des ZKA

Das ZKA lässt eine Instanz der Fallbearbeitung CRIME laufen. Darauf setzen insbesondere folgende Einzel"anwendungen" auf:

  • MAR/YACHT-INFO -- Bekämpfung des Schmuggels über das Meer (romantisch, nein?)
  • CARGO-INFO -- Auswertedatei zur Erstellung von Analysen im Luftfracht- Luftpost- und Kurierverkehr
  • BALKAN-INFO -- "Erstellung zollspezifischer Analysen mit Bezug zur Balkanroute"; dies scheint ein Spezialgebiet des Zolls zu sein, er brüstet sich, diese Datei als "Zentralstelle" "im Auftrag der Weltzollorganisation" zu führen.

Laut Bundestags-Drucksache 17/7307 waren 10/2011 im gesamten CRIME des Zoll 12747 Datensätze; wie viele davon Menschen betrafen, ist nicht bekannt.

Weiteres Spezialdatenbanken des Zolls

Das ZKA betreibt etliche Spezialdateien, die wohl im politischen Bereich nur selten relevant werden dürften. Dazu gehören u.a.:

  • VHG (Verdachts-Hinweise Geldwäsche), Sammelt Verdachtsanzeigen nach dem Geldwäschegesetz. Unklar ist hier die Arbeitsteilung im Hinblick auf die BKA-Zentraldatei FIU ist.
  • KOBRA -- Ermittlung von Verstößen gegen das Außenwirtschafts- und Kriegswaffenkontrollgesetz; das System läuft beim ZIVIT

  • BAROCK-W -- Erkenntnisse über organisierte Kriminalität
  • SAMBA -- "Sammlung aller Meldungen und Berichte Außenwirtschaft". Es ist unklar, ob das mehr ist als ein annotierter Pressespiegel.

FIU

Seit ca. 2020 aus dem ZKA ausgegliedert ist die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen oder FIU (Financial Intelligence Unit). Sie soll Gewinne aus Straftaten verfolgen („Geldwäsche“), vor allem aber „Terrorismusfinanzierung“ aufdecken und dann an Strafverfolgungsbehörden weitergeben.

Im 30. TB des BfDI für 2020 wird berichtet (S. 87), dass die FIU recht liberal in VIS sucht. Das tun sie offenbar so routinemäßig, dass sie auch dann VIS abfragen, wenn die Leute, nach denen sie suchen offensichtlich keine Visa brauchen und insofern gar keine Matches zu erwarten sind. Das steht in gewisser Spannung mit der gesetzlichen Forderung, dass die VIS-Daten nur dann eingesetzt werden sollen, wenn anders nichts zu wollen ist. Ähnlich wurden aus VIS gewonnene Daten ohne ersichtliche Rechtsgrundlage an andere Behörden (und zudem in Drittstaaten) weitergegeben.

Vorgangsverarbeitung

Im Zollbereich betreiben die Abteilungen Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Hauptzollämter ein System, das in Bundestags-Drucksache 17/8544 als Vorgangsverarbeitung klassifiziert wird. Es handelt sich um eine Eigenentwicklung unter dem Titel "Programmunterstützung Finanzkontrolle Schwarzarbeit", ProFiS. Nach Auskunft aaO ist das ein horröser Hack, der ein (vermutlich vom bis 2004 für den FKS-Bereich zuständigen Arbeitsamt geerbtes) MS-Access-Frontend mit einem Oracle-Backend kombiniert.

Bundestags-Drucksache 17/8544 beschreibt auf S. 22 weiter das Modul "Erhebungshilfe FKS", mit dem Daten aus FKS zur Weitergabe an die Rentenversicherung aufbereitet werden. Über Rückflüsse werden keine Angaben gemacht.

Fallberarbeitung

Bundestags-Drucksache 17/8544 bezeichnet INZOLL auch als Fallbearbeitung.

Mehr zum Zoll

Zollverwaltung, häufig auch „der Zoll“, ist eine umfassende Bezeichnung für eine oder mehrere (zumeist nationale) Behörden, die im Rahmen des Zollrechts ihre primären Aufgaben aus der Erhebung von Zoll- und Steuerabgaben sowie der Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs beziehen; daneben kann es noch je nach Staat zu besonderen Aufgaben kommen, wie beispielsweise in Deutschland und Österreich zur Bekämpfung der Schwarzarbeit.

Das Zollkriminalamt

Das Zollkriminalamt (ZKA) existiert als Bundesbehörde im Fachbereich des Bundesministeriums der Finanzen seit Juli 1992. Es ist die Zentralstelle des deutschen Zollfahndungsdienstes (bestehend aus dem Zollkriminalamt und 8 Zollfahndungsämtern mit 24 Außenstellen) und darüber hinaus eine der Zentralstellen für das Auskunfts- und Nachrichtenwesen der deutschen Bundeszollverwaltung. Sein Vorgänger war das 1952 errichtete Zollkriminalinstitut.

Zusammenarbeit auf EU-Ebene

Auch im Zollbereich fließen Daten auf EU-Ebene mittlerweile munter im Rahmen der Zusammenarbeit der Zollbehörden.

Guerillakampf gegen Datenschutz

Aus Sicht von datenschmutz.de tut sich der Zoll seit vielen Jahren hervor durch Versuche, das Auskunftsrecht zu sabotieren. Zunächst haben sie über viele Jahre stur beglaubigte Kopien von Ausweisdokumenten verlangt. Im Rahmen der DSGVO-Einführung (wobei diese für den Zoll gar nicht gilt) haben sie dafür wohl auf die Mütze bekommen.

Zum Ausgleich haben sie dann angefangen, statt Auskünften blöde Briefe zu verschicken, die erstmal fast so aussehen, als könnten sie eine Rechtsgrundlage haben, etwa in der Art „Für eine gezielte Suche in unserem Datenbestand und zur Beschleunigung des Verfahrens behötige ich konkretere Hinweise zu den Daten, die bei uns vorhanden sein könnten.“

Das war natürlich eine dreiste Frechheit, wenn auch insofern vielleicht DSGVO-rechtfertigbar, als die DSGVO auch allerlei verstaubte Aktenordner auskunftspflichtig machen kann (je nach Details). Dennoch kommt der Handel „Wir sagen dir, was wir über dich haben, wenn du uns noch etwas mehr verrätst“ natürlich nicht in Frage.

Etliche Nutzer_innen des Auskunftsgenerators (und vielleicht auch andere, aber die haben uns nicht Bescheid gesagt) haben sich damit an den BfDI gewandt, der das 2021 gerügt gerügt hat. In den Schreiben hat er klar gestellt:

Zudem scheidet auch eine erstmalige Präzisierungsbitte aus, wenn die betroffene Person in ihrem Auskunftsantrag bereits ausdrücklich deutlich macht, dass sie keine Präzsisierung vornehmen will.

Wir sind schon neugierig auf das nächste Manöver der Verantwortlichen beim Zoll. Sollte jemand, der_die das hier liest, die Möglichkeit haben, diesen eine Datenschutzschulung anzudienen: Bitte tun Sie das.

Natürlich hat auch die 2021-Rüge das ZKA nicht wirklich zivilisiert, und so gab es 2023 eine Fortsetzung (bei freiheitsfoo erzählt). Der BfDI hat demnach im Februar 2023 mit großer Zuversicht erklärt:

Die GZD hat in diesem Zuge erklärt, in Zukunft in Fällen, in denen die Präzisierung des Auskunftsbegehrens gemäß Art. 15 Datenschutz-Grundverordnung von vornherein ausgeschlossen wird, auf eine dahingehende Bitte zu verzichten.

Schaun mer mal.

Big Brother Award für den Zoll

Der Zoll bekam 2011 den Big Brother Award, weil er außenhandelbetreibende Unternehmen rechtswidrig dazu aufgefordert hat, die Daten seiner Geschäftspartner und Angestellten mit der EU-Antiterrorliste abzugleichen.