Revision 3 vom 2010-02-03 19:16:37

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Ein Eckpfeiler des durch das Volkszählungsurteil definierten Datenschutzkanons ist ein relativ weitgehendes Auskunftsrecht der in den Datenbanken erfassten Personen zurück (in der am weitesten gültigen Fassung steht das heute in §19 Bundesdatenschutzgesetz).

Dabei ist Betroffenen von der speichernden Stelle grundsätzlich unentgeltlich Auskunft zu erteilen über die zu seiner Person gespeicherten Daten, oft auch den Zweck der Speicherung, eventuelle Übermittlungen usf.

Leider hängt die Auskunftspflicht stark davon ab, welche Behörde in welchem Bundesland die Datei führt (wobei nicht immer klar ist, wann verfassungsmäßige Grenzen überschritten werden). Besonders krass ist in diesem Zusammenhang (wenig überraschend) Bayern, wo der Verfassungsschutz das Recht auf Auskunftserteilung gänzlich negiert und nur ein paar Ausnahmetatbestände aufzählt, und im Polizeigesetz kurzerhand erklärt wird: "Art. 8 Abs. 1 , Art. 10 bis 13 , 15 Abs. 5 bis 8 , Art. 16 bis 22 und 26 bis 28 des Bayerischen Datenschutzgesetzes finden keine Anwendung." (Art. 49 im 3. Unterabschnitt) -- diese Artikel sind genau die, die überhaupt Anwendung finden könnten. Frech? Ja.

Noch schlimer ist dies auf Europäischer Ebene (wo das Volkszählungsurteil ja auch nicht wirklich einschlägig ist). Europol und SIS haben sehr niedrige Hürden zur Auskunftsverweigerung und lassen insbesondere zu (oder schreiben sogar vor), dass in bestimmten (oder allen) Fällen auch die Tatsache einer Speicherung vor den Anfragenden geheim zu halten ist.

Zur Problematik der Geheimdienste vgl. unten.

Als kleine Hilfe beim Stellen von Auskunftsersuchen gibt es auf dieser Webseite einen PDF-Generator, vgl. AuskunftErsuchen.

Auskunftsverweigerung

Eine gerade im politischen Bereich mit häufigen Spitzeleinsätzen ernsthafte Einschränkung des Auskunftsrechts ist, dass bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, bei Gefährdung von Ermittlungspersonal u.ä. die Auskunft unterbleiben darf. In solchen Fällen erfolgt eine Rechtsbehelfsbelehrung, und man sollte nicht zögern, mit solchen Nummern zum/zur zuständigen Datenschutzbeauftragten zu gehen, da eine solche Grundrechtsbeschränkung in jedem Fall ernst ist.

Identitätsprüfung

Zur Auskunft muss die Polizei die Identität des Anfragenden prüfen, was in der Regel durch eine beglaubigte Kopie des Personalausweises passiert. Weitergehende Anforderungen sind nicht statthaft (vgl. 6. TB des LfD MV). Die "Beglaubigung" kann für diese Zwecke (wiederum kostenlos) von der nächsten Polizeidienststelle vorgenommen werden; es ist nicht nötig, dafür irgendwelchen Bürgerämtern o.ä. Gebühren zukommen zu lassen.

Dienste

Einer Auskunftspflicht gegenüber den Betroffenen besteht auch für Gehiemdienste, hier insbesondere den Verfassungsschutz (§15 Bundesverfassungsschutzgesetz, viele verschieden lautende Regelungen für die Landesämter). Sehr häuft ist hier aber vorgeschrieben, dass ein Auskunftsersuchen nur unter Hinweis auf einen konkreten Sachverhalt und/oder eine besonderes Interessen an der Auskunft gestellt werden kann. Die Auskunftserteilung kann i.d.R. ohne Benennung eventueller Gründe unterbleiben. Immerhin ist das Opfer auf den Weg zum/zur zuständigen Datenschutzbeauftragten hinzuweisen (es ist dann also klar, dass es etwas gibt, nicht aber, was).

Es muss wohl nicht eigens betont werden, dass gerade in einem praktisch nicht kontrollierten Bereich wie den Geheimdiensten so etwas der Intention des Verfassungsgerichts beim Volkszählungsurteil ins Gesicht fliegt (immerhin ist für die perfekt legal, den Umstand des Auskunftsersuchens in ihren Datenbanken zu speichern). Brandenburg etwa macht außerdem vor, dass der Russe nur in recht überschaubaren Zahlen kommt, wenn man hier jedenfalls auf dem Papier etwas verfassungsgemäßer vorgeht.

Nach Lage der Dinge raten wir jedenfalls in der Regel von Auskunftsersuchen bei den Geheimdiensten, die keine allgemeine Auskunftspflicht haben. Der Deal, nach dem man zunächst selbst Information preiszugeben hat, um häufig banale und unvollständige Infos vom Verfassungsschutz zu bekommen und dann nicht viel gegen die Frechheit tun zu können, dieser Deal ist ein Mist.

Es gab in diesem Bereich schon etliche Verfahren; je nach Sachlage könnten wir uns vorstellen, auch mal eins zu betreuen und teilzufinanzieren, denn dieser Skandal gehört regelmäßig publik gemacht.

In seinem 36. TB (2008), 1/5.3.4, äußert sich der LfD Hessen relativ zufrieden über die Auskunftspraxis des VS in Hessen.

Akteneinsicht

Grundsätzlich bezieht sich das Auskunftsrecht erstmal nur auf Daten im Rechner. Diese sind in der Tat etwas qualitativ anderes als Daten in Akten, denn sie können mit vernachlässigbarem beliebig vervielfältigt, verbreitet indiziert und automatisch weiterverarbeitet werden.

Dennoch wurde schon eifrig diskutiert, ob Akten im Zeitalter von OCR und Massenscannern nicht einfach nur Datenkatastrophen sind, die aufs Passieren warten. Etwas rechtssystematischer ist natürlich auch für Daten in Akten u.ä. die Frage nach der Menschenwürde (aus der ja das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und also die Auskunftspflicht abgeleitet sind) zu stellen.

So hat das Bundesverfassungsgericht in 1 BvR 1130/ 98 (16.9.1998) argumentiert, es gebe einen der Auskunftspflicht aus Datenbanken analogen Anspruch auf Einsicht in Krankenakten (der natürlich eingeschränkt werden kann, aber immerhin).

Für Daten aus dem Repressionsbereich hat http://lexetius.com/2007,4090, es wolle die Frage nicht grundsätzlich klären, sprach aber dem Kläger (in dem Fall einem vom BND bespitzelten Journalisten) immerhin im konkreten Fall ein Auskunftsrecht zu.