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Ein Eckpfeiler des durch das Volkszählungsurteil definierten Datenschutzkanons ist ein relativ weitgehendes Auskunftsrecht der in den Datenbanken erfassten Personen. Die generische Regelung steht in §19 BDSG, der verlangt, dass auf Antrag kostenfrei Auskunft gegeben wird über gespeicherte Daten, deren Herkunft, eventuelle Übermittlungen und den Zweck der Speicherung (was idR auch die Rechtsgrundlage umfassen wird). In §19 (2) BDSG gibt es dann zahlreiche Ausnahmetatbestände; so kann Auskunft verweigert werden, wenn die Funktion der Behörde oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet wäre.
Landesdatenschutzgesetzte, Polizeigesetze und viele weitere überschreiben die BDSG-Regelung (z.B. §491 StPO, §15 VerfschG); da die BDSG-Formulierung allerdings kaum mehr als das verfassungsmäßig gebotene Minimum kodifiziert, können sie kaum dahinter zurückbleiben.
In der Praxis ist Auskunftsverweigerung bei den Polizeien eher selten; passiert sie doch, können Daten von Spitzeln im Spiel sein, es kann aber auch nur eine Familienpackung Ermittlungstaktik oder hohldrehende Polizei vorliegen. In jedem Fall ist eine *polizeiliche* Auskunftsverweigerung eine Ausnahme. Wer eine bekommt, sollte damit in aller Regel zum/r zuständigen Datenschutzbeauftragten.
Anders ist die Situation bei etlichen Geheimdiensten, namentlich bei denen des Bundes (BND, MAD und BfV) sowie den Landesämtern „für” Verfassungsschutz von BaWü, Thüringen und Bayern. Für sie ist per (verfassungsrechtlich nicht so arg genau überprüftem) Gesetz das Auskunftsrecht faktisch ausgesetzt. In den Gesetzen ist dann meist die Rede von „Angabe von Gründen”. Dagegen vorzugehen lohnt sich nur mit sehr langem Atem, und der ist wahrscheinlich besser investiert in Arbeit für die Auflösung dieser Behörden.
Das heißt nicht, dass verschiedene Polizeien sich nicht doch regelmäßig das Auskunftsrecht behindern; in Thüringen beispielsweise kam um 2010 herum regelmäßig eine Rückfrage nach „Gründen” für die Anfrage, in NRW hat sie es durch Konfusionierung versucht, indem im Jahresrhythmus auskunftsgebene Stellen und Umfang der Auskunft geändert wurde und (eingestandenermaßen) auf lokaler Ebene geführte [[Datenbanken NRW#SKB-Datenbanken]] vom LKA nicht beauskunftet wurden. Wer solchen Zumutungen ausgesetzt ist, ist herzlich willkommen, gemeinsam mit uns dagegen vorzugehen.
Noch schlimmer ist Auskunfthandhabung allerdings auf Europäischer Ebene. Europol und SIS haben sehr niedrige Hürden zur Auskunftsverweigerung und lassen insbesondere zu, dass in bestimmten (oder allen) Fällen auch die Tatsache einer Speicherung vor den Anfragenden geheim zu halten ist; mithin kann dort gelogen werden. In der BRD ist uns bisher kein Fall bekannt geworden, in dem die Behörden bewusst gelogen hätten (es kommt aber schon vor, dass sie selbst nicht verstehen, was sie gespeichert haben).
Auskunftsgenerator
Als kleine Hilfe beim Stellen von Auskunftsersuchen gibt es auf dieser Webseite einen Auskunfts-Generator. Vgl. auch AuskunftErsuchen.
Auskunftsverweigerung
Eine gerade im Staatsschutz-Bereich mit häufigen Spitzeleinsätzen kommen Auskunftsverweigerungen vor; nicht alle Auskunftsverweigerungen deuten aber gleich auf Polizeispitzel hin, es kann auch einfach nur Polizeitaktik dahinterstecken. In einigen Fällen, in denen Auskunftsverweigerungen erfolgreich angefochten werden konnten, hatten sie z.B. die Sorge, ihre eigenen Strukturen könnten ausgeforscht werden. Der Albernheit behördlicher Fantasie in diesen Fragen sind keine Grenzen gesetzt, und so kann sich eine Anfechtung von Verweigerungen durchaus lohnen.
Wir empfehlen nach wie vor, eine solche Anfechtung über den/die zuständige Datenschutzbeauftrage_n zu machen. Die werden zwar immer zahnloser, funktionieren aber doch dann und wann noch.
In einem bekannt gewordenen Fall um 2010 herum hatte die Polizei das Umfeld der "Freiheit statt Angst"-Demos beobachtet hat. Sie verweigerte einem Anfrager aus diesem Spektrum die Auskunft, weil sie vorbrachte, es gebe da eine "kriminelle Vereinigung", die losschlagen oder in den Untergrund abtauchen könnte, wenn sie wüsste, dass ihr das BKA auf der Spur ist. Hier half die Intervention des BfDI.
Auch im 31. TB des BfDI für 2022 wird von einer erfolgreichen Anfechtung berichtet:
Bereits vor mehreren Jahren hatte der Petent sich an mich gewandt, da eine Sicherheitsüberprüfung bei ihm nicht erfolgreich verlaufen war. Das Bundeskriminalamt (BKA) erteilte ihm keine Auskunft. Meine Überprüfung hatte ergeben, dass er polizeilich seit mehreren Jahrzehnten und beim BKA seit 1998 als sogenannte Kontakt- und Begleitperson in einer Datei gespeichert ist. […] Das BKA hatte mir keine tragfähigen Gründe benannt, nach denen die Aufgabenerfüllung und die öffentliche Sicherheit durch die Erteilung der Auskunft gefährdet wären.
In der Folge dieses Falles klagen das Innenministerium, das die ein Vierteljahrhundert Speicherung ohne ersichtlichen Grund – es ist ja nicht zu Straftaten gekommen in all der Zeit – klasse findet und sich hier vom BfDI nicht reinreden lassen möchte und der BfDI gegeneinander.
Der Klageweg gegen Auskunftsverweigerung steht natürlich auch Einzelpersonen offen, sowohl gegen Auskunftsverweigerung als auch gegen die Speicherung selst. Das kostet aber ernsthaft Geld, wenn ihr verliert und braucht einiges an juristischer Technik. Wenn das System der Datenschutzbeauftragten weiter so abbaut bzw. von den Innenbehörden sabotiert wird, wird sich irgendwer drum kümmern müssen, dass der Gang vors Verwaltungsgericht irgendwie erleichtert wird.
Bei Datenbanken der Staatsanwaltschaften wird regelmäßig die Auskunft verweigert, soweit laufende Verfahren betroffen sind. Das dürfte, jedenfalls ohne Einzelfallabwägung, rechtswidrig sein, aber soweit bekannt hat da noch niemand ein Verfahren führen wollen. Leider treibt die Polizei gelegentlich auch solche Spiele; die Polizei Hamburg etwa macht 2011 eine entsprechende Ansage (Antwort LKA Hamburg, Februar 2011), die sich aber ziemlich klar nicht mit der Auskunftspraxis deckt.
Sanktionen bei Verstößen
Wenn die Polizei eine Auskunft verschlafen oder gar bewusst unterschlagen hat (oft kommt es ja anderweitig raus), hat sie ordnungswidrig gehandelt; §43 (1) Nr. 8a bis 8c sind da trotz wirklich beeindruckender Veweiseritis, recht klar:
Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig [...]
8a. entgegen § 34 Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 3, entgegen § 34 Absatz 1a, entgegen § 34 Absatz 2 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, oder entgegen § 34 Absatz 2 Satz 5, Absatz 3 Satz 1
8b. entgegen § 34 Abs. 2 Satz 3 Angaben nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig übermittelt,
8c. entgegen § 34 Abs. 2 Satz 4 den Betroffenen nicht oder nicht rechtzeitig an die andere Stelle verweist,
-- als Bußgeldgrenze bietet das Gesetz 50000 Euro an.
Es ist nicht bekannt, dass mal wer auf diese Weise Geld bekommen hätte, aber wenn mal wer einen guten Fall hat, wäre es einen Versuch wert.
Identitätsprüfung
Vlg. AuskunftErsuchen#Ausweisfragen.
BVerfG und xfDI zum Auskunftsrecht bei Geheimdiensten
Die Entscheidung 1 BvR 586/90 und 1 BvR 673/90 des BVerfG zum Auskunftsrecht vom 10.10.2000 hat die grundsätzliche Grundgesetzkonformität von §15 BVerfSchG (Angabe von Gründen) festgestellt. In der Entscheidung gibt es allerdings gleichzeitig eine genaue Handhabung, wie die Norm zu interpretieren sei. Danach sind auch Auskunftsersuchen ohne Angabe eines konkreten Sachverhaltes nicht pauschal abzulehnen. Desweiteren wird gesagt, dass die Auskunft bei Angabe eines konkreten Grundes nur in gravierenden Ausnahmefällen zu verweigern sei.
Der BfDI kritisiert in seinem 23. Tätigkeitsbericht (2011), 7.5.2 (S. 93), das BfV stelle zu hohe Anforderungen an den im Gesetz verlangten konkreten Sachverhalt stellt. Zudem würde das BfV bei einer Auskunftsverweigerung, keine angemessene und in den Akten nachvollziehbar dokumentierte Einzelfallabwägung vorgenommen, sondern die Auskunft pauschal verweigert und somit nicht nach der Entscheidung des BVerfG handelt.
In seinem 36. TB (2008) Kapitel 1/5.3.4 äußert sich der LfD Hessen relativ zufrieden über die Auskunftspraxis des LfV in Hessen
Missbrauch des Auskunftsrechts
"Erweiteres Führungszeugnis"
Zeitweise war es insbesondere bei Firmen im "Sicherheitsbereich" (Söldner, Schwarze Sherriffs) üblich, von Bewerbern die Ergebnisse eines Auskunftsersuchen zu fordern. Nicht selten hat die betreffende Firma den Papierkram selbst erledigt. Fälle dieser Art sind beschrieben im entsprechenden Abschnitt unserer Irren Geschichten.
Auskunftsrecht statt Benachrichtigung für Gefährder
Völlig verquere Logik und ein alarmierendes Rechtsverständnis legte die Bundesregierung 2011 an den Tag, als sie in der Antwort auf Frage 5 in Bundestags-Drucksache 17/4833 zur Begründung einer nicht vorhandenen Benachrichtigungspflicht von als "Gefährdern" gespeicherten Personen ausführte:
- Nach den Erfahrungen des BKA machen überwiegend Betroffene von diesem grundlegenden Datenschutzrecht [dem Auskunftsersuchen] Gebrauch, deren personenbezogene Daten auch tatsächlich gespeichert sind. Dies bestätigt die Grundannahme des Gesetzgebers, dass durch die gesetzlichen Vorschriften hinreichend erkennbar ist, unter welchen Voraussetzungen personenbezogene Daten durch die Polizei verarbeitet werden dürfen.
Die Argumentation nochmal in Zeitlupe:
(1) Fast alle, die fragen, sind auch gespeichert -- das ist nach Erfahrungen der Datenschutzgruppe eher unwahrscheinlich, aber soll das mal so sein
(2) Daher können sich die Leute, die gespeichert werden, eh ausrechnen, was los ist -- dieser Schluss könnte vielleicht dann gemacht werden, wenn fast alle, die gespeichert sind, auch anfragen würden; aber (1) sagt etwas ganz anderes, und so ist das kein Argument, sondern leere Rhetorik.
(3) Daher müssen diese Leute auch nicht benachrichtigt werden -- selbst wenn (2) wahr wäre, wäre dieser "Schluss" immer noch unzulässig, denn beim Rechtsschutz geht es ja gerade darum, den "Unschuldigen", die mithin also gar nicht zu der in (1) stipulierten Gruppe gehören, eine Chance zu geben, sich gegen Rechtsmissbräuche oder Fehler zu wehren.
Dass weder der Autor der Antwort noch der für ihn zuständige Minister für so horrenden Quatsch Probleme bekommen haben, erlaubt tiefe Einblicke in den Zustand der "demokratischen Kontrolle" der Exekutive.