Spurendokumentationsdateien (Spudok )
Spudok war ein Begriff, der in den 70er Jahren im Umfeld des BKA aufkam und Dateien bezeichnete, in denen verdachtsunabhängig Daten gesammelt wurden, also etwa Listen von Radikalen und Einschätzungen zu ihnen. Klarerweise ist das Anlegen von Dossiers über Menschen, gegen die noch nicht mal eines der windigen Ermittlungsverfahren der politischen Polizei zu konstruieren ist, mit dem Zweckbindungsprinzip des Datenschutzes nicht vereinbar. Entsprechend haben die Dateien, so ihre Existenz und ihr Inhalt öffentlich wurden, immer wieder für Skandale gesorgt, was wohl ein Grund für das Ausphasen des Begriffs ist.
Ein relativ späte Fundestelle für den Begriff ist eine Pressemitteilung des BKA, in der sie von der Rolle einer Spudok-Datei in der Post-9/11-Rasterfahndung berichtet. Sie diente als Puffer für 12000 Hinweise, die erst bei "Erhärtung" in andere Dateien übernommen wurden; hier klingt das System lebendiger als es das selbst damals war:
Das System Spudok hat sich bereits in der Vergangenheit in vielen, auch umfangreichen Verfahren - insbesondere in der Terrorismusbekämpfung - bewährt und steht den Dienststellen in den Ländern ebenso für die Eingabe und Recherche zur Verfügung wie dem BKA.
Heute werden die Funktionen der damaligen Spudok-Systeme von Fallbearbeitungen (beim BKA INPOL-Fall bzw. die BKA-Anpassung von rsCase) erfüllt -- mit ähnlich gut funktionierendem Grundrechtsschutz.
Skandale
Der Göttinger Spudok-Skandal
Dieser ist schön dargestellt in einem Artikel von Rolf Gößner in CILIP 64 (1999). Gößner berichtet, wie Anfang der 1980er Jahre in Terrorismus-Spudok-Dateien beispielsweise 2000 Personen (d.h. knapp 5% der dortigen Bevölkerung) im Wendland erfasst wurden. Interessant war aber natürlich auch die linke Szene Göttingens. Als die Datensammlung ruchbar wurde, hatte der damaligen niedersächsische Innenminister 1985 versprochen, die Daten seien schon 1983 gelöscht worden.
Um so größer die Überraschung, als nach einem Brandanschlag auf ein Arbeitsamt in Göttingen 1998 (also über 15 Jahre nach der angeblichen Löschung), ausweislich Auswahl und Schreibfehlern exakt die alte Spudok-Aufstellung politischer AktivistInnen in Göttingen wieder auftauchte. Ganz schlimm schließlich die komplette Missachtung von Grundrechten durch den 1999er-Innenminister in Niedersachsen, der den parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Thema blockierte und stattdessen verlauten ließ:
Wenn ein ähnlicher Brandanschlag erfolgen sollte, will ich auf das zurückgreifen können, was ich in der Vergangenheit ermittelt habe, damit ich schneller zu Ermittlungserfolgen komme. (Landtag Niedersachsen, Plenarprotokoll v. 17.6.1999, S. 2518)