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Revision 3 vom 2009-12-19 19:39:30
Größe: 4065
Autor: LilaBlume
Kommentar: Grunds
Revision 30 vom 2011-11-04 20:34:46
Größe: 11496
Autor: LilaBlume
Kommentar:
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VIS soll eine Datenbank werden, in der die Schengenstaaten Informationen
über die von ihnen ausgestellten Visa austauschen, inklusive
Fingerabdrücke der Antragsteller (Größenordnung: 20 Millionen
Datensätze pro Jahr). 2009 lief noch nichts.
<<TableOfContents>>
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Die Datenbank dürfte Bürger``Innen der EU im wesentlichen nicht
bedrohen, da sie keine Visa für den Schengenraum beantragen dürften.
Ausländer``Innen trifft es allerdings hart; für sie kehrt diese
Datenbank die Unschuldsvermutung de facto um, jedenfalls im Bereich von
politischen und "schweren" Straftaten.
= VIS (Visa Informations System) =
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Nach 9/11 wollte der Rat eine Verschärfung der durch den Schengen-Acquis
vorgeschriebenen gegenseitigen Konsultation in Visafragen über ein
"Netzwerk" namens [[VISION]] (vgl.
[[http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/02/st05/st05148.en02.pdf|Ratsmitteilung 5148/02]]).
Dazu sollte eine Visa-Datenbank eingerichtet werden; genauere Pläne
dafür wurden beim Sevilla-Gipfel 2002 geschmiedet, der
[[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32004D0512:EN:HTML|Ratsbeschluss 2004/512/EC]]
hat dann die VIS-Entwicklung in die Wege geleitet.
VIS ist eine Datenbank der [[Datenbanken EU|EU]], in der die
Schengenstaaten Informationen über die von ihnen ausgestellten Visa
austauschen, inklusive Fingerabdrücke der Antragsteller (Größenordnung: 20
Millionen Datensätze pro Jahr).
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Nach diesem Beschluss lehnt sich VIS in seiner Struktur eng an SIS an (wahrscheinlich wird es
auch die gleich Infrastruktur nutzen, so wie VISION längst auf SISNET
aufsetzt): Es gibt ein CS-VIS und ein NI-VIS, die Behörden der
Mitgliedstaaten greifen auf ihre NI-VIS zu, die ihrerseits mit CS-VIS
synchronisieren (Art. 1). VIS sollte ursprünglich von der Kommission
betrieben werden (Art. 2); inzwischen (2009) gehen die
[[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:52009PC0294:DE:HTML Pläne aber zu einer eigenen Agentur]].
== Rechtsgrundlage ==
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Näheres zu VIS folgte dann 2005 in der
[[http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/05/st15/st15142.en05.pdf Beschlussvorlage 15142/05]]
(Gibts das irgendwo als Beschluss?).
VIS wird eingerichtet nach <<Doclink(2008-rat-vis.pdf,EU-Verordnung 767/2008)>>,
hier bezeichnet als VISV.

Vgl. auch [[http://europa.eu/legislation_summaries/justice_freedom_security/free_movement_of_persons_asylum_immigration/l14516_de.htm|europa.eu: Übersicht über die Rechtsakte zu VIS]]

=== Grundsätzliches zur VIS-Verordnung ===

Grundsätzlich folgt VIS in vielem [[SIS]], insbesondere in der Struktur einer
zentralen Datenbank, die national gespiegelt wird (VISV Art. 28). Allerdings
scheint es, als sei bei VIS nur ein Übergabepunkt ("NI-VIS", national
interface) definiert und die Systeme dahinter je nach Staat unterschiedlich
(Art. 28 (4) VISV).

Hinter dem national interface sitzt eine nationale Kontaktstelle analog zu den
SIRENEn. Offenbar waren die Erfahrungen mit Murks bei VISION so
traumatisierend, dass Art. 26 (5) allerlei eigentlich selbstverständliche
Forderungen an die nationalen Kontaktstellen formuliert ("back up and guarantee
the continuous functioning").

VIS untersteht der [[Datenbanken EU|EU]]-Kommission (Art. 26 VISV).

=== Art der Daten ===


Artikel 5 und 8-14 VISV regeln, welche Daten über die Menschen gespeichert
werden sollen:

 * Eine Antragsnummer (aus dem Visumsantrag), ggf. Visumnummer
 * Statusinformation (Visum beantragt, erteilt, zuückgezogen, verweigert, verlängert)
 * Stelle, die den Antrag angenommen bzw. das Visum erteilt, verweigert oder zurückgezogen hat
 * ggf. Einlader``In: Name und Adresse
 * Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort (I)
 * Beruf, Arbeitsstelle (etwa auch: Schule, Uni bei Schüler``Innen und Studis)
 * Bei Minderjährigen Namen der Mutter und des Vaters (I)
 * Nationalität, aktuell und bei der Geburt (I)
 * Ausweispapiere mit Details zu Ausstellung und Gültigkeit (I)
 * Visumtyp, Gebiet, für das das Visum gültig ist, Gültigkeit
 * Reiseziel und -zweck, geplante Aufenthaltsdauer, Einreisedatum, Ausreisedatum
 * Eintrittsort
 * Wohnort (I)
 * Fotografien (bereits bei der Antragstellung)
 * Fingerabdrücke (bereits bei Antragstellung!)
 * ggf. Verweigerungsgründe (z.B. gefälschte Papiere, Risiko illegaler Immigration, SIS-Ausschreibung, "[[Terrorlisten]]" usf).

Diese Daten ''müssen'' von den Behörden, die Visa ausstellen, in VIS eingegeben
werden, und zwar für alle Mitreisenden (VISV, Art. 8).

=== Zugriff ===

Zugriff haben sollen nach der EU-Komission die Visa, Asyl und Grenzkontrollbehörden der Länder. D.h in Deutschland dürften dieses die [[Datenbanken der Bundespolizei|Bundespolizei]] und das [[Datenbanken Bundesamt für Migration und Flüchtlinge|Bundesamt für Migration]] sein.
Ob die europäische Grenzkontrollbehörde [[FRONTEX]] darauf Zugriff hat, ist nicht so klar.

Zugiff haben:

 * die Visumbehörden der Mitgliedsstaaten (VISV, Art. 6, wobei Art. 15 noch sagt, welche Felder suchbar sein sollen); wenn VIS mal läuft, wird eine Liste der berechtigten Behörden veröffentlicht.
 * die Grenzbehörden (Art. 18), die über Visumsnummer oder Fingerabdruck suchen und reglär Status, Fotos und Gültigkeitsdaten kriegen, aber Wunsch aber auch mehr.
 * Polizeien im Schengeninneren (Art. 19); sie werden im Wesentlichen wie Grenzbehörden behandelt, nur, dass nicht vorgeschrieben ist, dass sie drei Jahre nach VIS-Start über Fingerabdrücke zugreifen ''müssen''.
 * Asylbehörden suchen auch über Fingerabdrücke oder, wenn "the search with the fingerprints fail", mit fast allem anderen. Sie sollen so rauskriegen, wo jemand eingereist ist und wer den "Fall an der Backe" hat (Art. 21), oder ob es einfache Gründe gibt, das Ayslverfahren gleich abzubrechen (Art. 22). Sie bekommen einfache Daten über eventuelle Visa zurück. Das ganze soll über die nationalen Zentralstellen laufen, es ist also offenbar erstmal nicht dran gedacht, dass die Asylbehörden direkten Zugriff auf VIS haben.
 * Staatssicherheitsbehörden und Europol, wie in [[http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/05/st15/st15142.en05.pdf|Beschlussvorlage 15142/05]] noch gefordert, sind erstmal nicht in der ursprünglich geplanten Form dabei; während viel noch von "innerer Sicherheit" abgedeckt ist, ist die alte "Schwerkriminalität" derzeit nicht abgedeckt.

Speicherfrist (ab letzter Änderung des Datensatzes) in VIS ist fünf
Jahre (Art. 23); das ist keine Aussonderungsprüffrist, es muss also
gelöscht werden. Ebenfalls gelöscht wird nach Einbürgerung (Art. 25).

VISV kennt umfangreiche Informationspflichten der Behörden gegenüber ihren
Opfern (Art. 37: Information über Speicherung, ihren Zweck, das Auskunftsrecht
usf). Das Auskunfts- und Berichtigungsrecht steht in Art. 38; merkwürdig ist
die Regelung "Each Member State shall record any requests for such access."
Was bedeutet das? Warum diese Regelung? An wen Auskunftsersuchen zu stellen
sind, ist erstmal unklar, aber der BfDI wäre nach Art. 39 (2) wohl die
erste Adresse. Er darf auch eine Kontrolle der Speicherungen aus der
BRD vornehmen (Art. 41). Das ganze Ding hingegen soll nicht von einer JSB
(wie bei SIS und Europol) begutachtet werden, sondern vom "European Data
Protection Supervisor" (Art. 42).

Die Daten in VIS sollen zweckgebunden sein, können aber in andere
Systeme kopiert werden (Art. 30), wenn diese den Zweck von VIS erfüllen.
Angesichts von Zwecken wie "innere Sicherheit" dürfte das kein Hindernis
sein. Auch an Drittstaaten können Daten übermittelt werden (Art. 31),
allerdings nur die in der Liste oben mit I markierten Daten.

Zwecks der Datenschutzkontrolle sollen sämtliche Operationen an VIS mit
Zweckbestimmung geloggt werden, also insbesondere auch Abfragen. Offenbar
wollten die Gesetzesmacher dokumentieren, wie ernst sie es meinen (oder
hatten wirklich keine Sorge, dass je wer nachguckt); jedenfalls sollen die
Zugriffsprotokolle ein Jahr ''länger'' aufgehoben werden als die betreffenden
Daten, was wohl die längste vorgeschriebene Speicherfrist für Log-Dateien
überhaupt ist (Art. 34).

Die VISV ist insofern bemerkenswert, als Haftungsregeln in Art. 33 formuliert
werden. Die sind zwar in der Regel
kaum einklagbar, aber es sieht doch gut aus. Art. 36 betont nochmal, dass
Missbrauch von VIS strafbar sein muss. Schade, dass das Papier den
Streicherteppich dazu nicht hergibt.

VIS wird physikalisch in Straßburg stehen, mit einem Backup in Sankt Johann im
Pongau/Österreich (VISV Art. 27); das deckt sich mit den Plänen für [[SIS II]].

=== Überarbeitung von VISV ===

Die VISV wurde bereits vor dem Start von VIS selbst überarbeitet. In der [[http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/08/st03/st03676.en08.pdf|EU-Verordnung 2008/0041 (COD)]]

''To Do: Was steht in der Überabeitung anderes ? ''

== Geschichte ==

Nach 9/11 wollte der Rat eine Verschärfung der durch den Schengen-Acquis vorgeschriebenen gegenseitigen Konsultation in Visafragen über ein "Netzwerk" namens [[VISION]] (vgl. [[http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/02/st05/st05148.en02.pdf|Ratsmitteilung 5148/02]] (pdf)).
Dazu sollte eine Visa-Datenbank eingerichtet werden. Genauere Pläne dafür
wurden beim Sevilla-Gipfel 2002 geschmiedet, der
[[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32004D0512:EN:HTML|Ratsbeschluss
2004/512/EC]] (html) hat dann die VIS-Entwicklung in die Wege geleitet. Nach
diesem Beschluss soll sich VIS in seiner Struktur eng an [[SIS]] anlehnen.
Näheres zu VIS folgte dann 2005 in [[http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/05/st15/st15142.en05.pdf|Ratsdokuemnt 15142/05]].
Zeile 34: Zeile 128:
 1. Die Staatssicherheitsbehörden der Mitgliedsstaaten sollen auf jeden Fall Zugriff auf VIS haben.
 2. Europol soll Zugriff auf VIS haben.
 3. Aber natürlich nur, wenn sie Terrorismus schreiben können. VIS soll erstmal keine "regular crime fighting database" werden.
 1. Die [[Staatsschutz]]-Behörden der Mitgliedsstaaten sollen auf jeden Fall Zugriff auf VIS haben.
 2. [[Europol]] soll Zugriff auf VIS haben.
 3. Aber natürlich nur, wenn es Anzeichen für Terrorismus gibt. VIS soll erstmal keine "regular crime fighting database" werden.
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Zu diesem Zweck sollen Daten zu 20 Millionen Visa-Anträgen pro Jahr
gespeichert werden, inklusive Fingerabdrücke. Bei einer Speicherfrist
von fünf Jahren rechnet die Kommission mit 70 Millionen
Fingerabdrucksätzen, die in VIS vorliegen sollen. Um das Nehmen von
Fingerabdrücken mit dem Vorsatz "individuals whose data are processed in
the VIS [...] are to be treated as innocent individuals and not as
suspects in a criminal investigation" (15142/05, S. 6)
zusammenzubringen, fordert der Rat die Mitgliedsstaaten auf, "to lay
down effective, proportionate and dissuasive sanctions to be imposed in
case of infringement of data protection provisions, including criminal
sanctions for particularly serious and intentionally committed
infringements," was durch einen jährlichen Audit unterstützt werden
soll. Ob der Rat an diese Sorte Märchen glaubte, ist nicht überliefert,
aber die Audit-Berichte sollen immerhin öffentlich sein (Art. 8 (6)).
Alle VIS-Zugriffe durch Staatssicherheitsorgane sollen geloggt werden
(Art. 10 (1)).
Zu diesem Zweck sollten Daten zu 20 Millionen Visa-Anträgen pro Jahrgespeichert werden, inklusive Fingerabdrücke. Bei einer Speicherfrist
von fünf Jahren rechnete die Kommission mit 70 Millionen Fingerabdrucksätzen, die in VIS vorliegen sollen. Das Nehmen der
Fingerabdrücken soll gemäß [[http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/05/st15/st15142.en05.pdf|Ratsdokument 15142/05]] unter Annahme der Unschuld der Opfer geschehen:
Zeile 55: Zeile 136:
Tatsächlich sieht Artikel 5 (1b) vor: "access for consultation must be
necessary for the purpose of the prevention, detection or investigation
of terrorist offences ''or other serious criminal offences''"
(Hervorhebung datenschmutz). Also: Die Fingerabdrücke werden so oder so
in die normale Mühle gehen.
{{{#!blockquote
individuals whose data are processed in the VIS [...] are to be treated as innocent individuals and not as suspects in a criminal investigation [...]
Zeile 61: Zeile 139:
Die Staatssicherheitsbehörden und Europol sollen folgenden Datensatz
bekommen (Art. 5 (2)):
to lay down effective, proportionate and dissuasive sanctions to be imposed in case of infringement of data protection provisions, including criminal sanctions for particularly serious and intentionally committed infringements,
}}}
Zeile 64: Zeile 142:
 * Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort
 * Nationalität
 * Daten zu Ausweisdokumenten, Visumtyp, Visumnummer
 * Reiseziel und -zweck, geplante Aufenthaltsdauer, Einreisedatum, Ausreisedatum
 * Eintrittsort
 * Wohnort
 * Fotografien
 * Fingerabdrücke
Zeile 73: Zeile 143:
Im Wesentlichen beliebige weitere Daten können auf Anfrage übermittelt
werden (Art. 5 (3)).
Dieses soll durch einen jährlichen Audit unterstützt werden.

Parallel wurde am so genannten Schengen Border Code (SBC) gearbeitet,
der 2006 als
[[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2006:105:0001:0032:EN:PDF|EU-Verordnung 562/2006]]
verabschiedet wurde. Der SBC ist sozusagen das rechtliche Fundament
für eine gemeinsame Grenzpolitik. Seit [[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:035:0056:0058:EN:PDF|Verordnung 81/2009]] hat
die EU 2009 da auch die Verpflichtung reingeschrieben, VIS zu verwenden.
Sie erlaubt aber, die Prüfung von Fingerabdrücken in der ersten drei Jahren von
VIS mal kurz auszusetzen, wenn die Schlangen zu lang werden und sonst alles
im grünen Bereich ist; vermutlich ist das die in Gesetzesform gegossene
Erfahrung, dass solche Projekte, wenn sie überhaupt mal laufen, recht
massive Kinderkrankheiten zeigen.

2008 verabschiedeten Rat und Parlament dann die
<<Doclink(2008-rat-vis.pdf,Verordnung 767/2008)>>,
die die Rechtsgrundlage von VIS darstellt.

2009 wird beschlossen, VIS von der
[[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:52009PC0294:DE:HTML|IT-Agentur betreiben zu lassen]], die auch [[SIS]] betreiben soll.

Anlässlich des Innenministertreffens im Dezember 2009 hieß es VIS sollte
Dezember 2010 an den Start gehen (vgl
[[http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/09/st16/st16883-re01.de09.pdf|Komissions-Mitteilung]] (pdf, S. 26).

Ende 2010 [[http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/10/st15/st15427.de10.pdf|berichtet die Kommission ans EU-Parlament]] über die Ereignisse 2009 und ist immer noch optimistisch, den Kram 2010-12 an den Start zu kriegen. Offenbar hat die Entwicklung der nationalen Systeme gut geklappt, während beim Zentralen System, vor allem beim Biometrie-Matcher, Probleme auftraten. Insbesondere gingen Integrationstests schief, und zwar so drastisch, dass die Kommission Vertragsstrafen in Höhe von 7.6 ME verhängt hat.

Zur Sitzung der EU-Innenminister im Februar 2011 hat die Kommission die "Fertigstellung" von VIS für den 24.6.2011 (tatsächlich so genau) angekündigt.

Auch daraus wurde nichts, doch [[http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2011/10/schengen.html|verkündete im Oktober 2011 das Bundesinnenministerium]] schließlich den Start von VIS.

VIS (Visa Informations System)

VIS ist eine Datenbank der EU, in der die Schengenstaaten Informationen über die von ihnen ausgestellten Visa austauschen, inklusive Fingerabdrücke der Antragsteller (Größenordnung: 20 Millionen Datensätze pro Jahr).

Rechtsgrundlage

VIS wird eingerichtet nach EU-Verordnung 767/2008, hier bezeichnet als VISV.

Vgl. auch europa.eu: Übersicht über die Rechtsakte zu VIS

Grundsätzliches zur VIS-Verordnung

Grundsätzlich folgt VIS in vielem SIS, insbesondere in der Struktur einer zentralen Datenbank, die national gespiegelt wird (VISV Art. 28). Allerdings scheint es, als sei bei VIS nur ein Übergabepunkt ("NI-VIS", national interface) definiert und die Systeme dahinter je nach Staat unterschiedlich (Art. 28 (4) VISV).

Hinter dem national interface sitzt eine nationale Kontaktstelle analog zu den SIRENEn. Offenbar waren die Erfahrungen mit Murks bei VISION so traumatisierend, dass Art. 26 (5) allerlei eigentlich selbstverständliche Forderungen an die nationalen Kontaktstellen formuliert ("back up and guarantee the continuous functioning").

VIS untersteht der EU-Kommission (Art. 26 VISV).

Art der Daten

Artikel 5 und 8-14 VISV regeln, welche Daten über die Menschen gespeichert werden sollen:

  • Eine Antragsnummer (aus dem Visumsantrag), ggf. Visumnummer
  • Statusinformation (Visum beantragt, erteilt, zuückgezogen, verweigert, verlängert)
  • Stelle, die den Antrag angenommen bzw. das Visum erteilt, verweigert oder zurückgezogen hat
  • ggf. EinladerIn: Name und Adresse

  • Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort (I)
  • Beruf, Arbeitsstelle (etwa auch: Schule, Uni bei SchülerInnen und Studis)

  • Bei Minderjährigen Namen der Mutter und des Vaters (I)
  • Nationalität, aktuell und bei der Geburt (I)
  • Ausweispapiere mit Details zu Ausstellung und Gültigkeit (I)
  • Visumtyp, Gebiet, für das das Visum gültig ist, Gültigkeit
  • Reiseziel und -zweck, geplante Aufenthaltsdauer, Einreisedatum, Ausreisedatum
  • Eintrittsort
  • Wohnort (I)
  • Fotografien (bereits bei der Antragstellung)
  • Fingerabdrücke (bereits bei Antragstellung!)
  • ggf. Verweigerungsgründe (z.B. gefälschte Papiere, Risiko illegaler Immigration, SIS-Ausschreibung, "Terrorlisten" usf).

Diese Daten müssen von den Behörden, die Visa ausstellen, in VIS eingegeben werden, und zwar für alle Mitreisenden (VISV, Art. 8).

Zugriff

Zugriff haben sollen nach der EU-Komission die Visa, Asyl und Grenzkontrollbehörden der Länder. D.h in Deutschland dürften dieses die Bundespolizei und das Bundesamt für Migration sein. Ob die europäische Grenzkontrollbehörde FRONTEX darauf Zugriff hat, ist nicht so klar.

Zugiff haben:

  • die Visumbehörden der Mitgliedsstaaten (VISV, Art. 6, wobei Art. 15 noch sagt, welche Felder suchbar sein sollen); wenn VIS mal läuft, wird eine Liste der berechtigten Behörden veröffentlicht.
  • die Grenzbehörden (Art. 18), die über Visumsnummer oder Fingerabdruck suchen und reglär Status, Fotos und Gültigkeitsdaten kriegen, aber Wunsch aber auch mehr.
  • Polizeien im Schengeninneren (Art. 19); sie werden im Wesentlichen wie Grenzbehörden behandelt, nur, dass nicht vorgeschrieben ist, dass sie drei Jahre nach VIS-Start über Fingerabdrücke zugreifen müssen.

  • Asylbehörden suchen auch über Fingerabdrücke oder, wenn "the search with the fingerprints fail", mit fast allem anderen. Sie sollen so rauskriegen, wo jemand eingereist ist und wer den "Fall an der Backe" hat (Art. 21), oder ob es einfache Gründe gibt, das Ayslverfahren gleich abzubrechen (Art. 22). Sie bekommen einfache Daten über eventuelle Visa zurück. Das ganze soll über die nationalen Zentralstellen laufen, es ist also offenbar erstmal nicht dran gedacht, dass die Asylbehörden direkten Zugriff auf VIS haben.
  • Staatssicherheitsbehörden und Europol, wie in Beschlussvorlage 15142/05 noch gefordert, sind erstmal nicht in der ursprünglich geplanten Form dabei; während viel noch von "innerer Sicherheit" abgedeckt ist, ist die alte "Schwerkriminalität" derzeit nicht abgedeckt.

Speicherfrist (ab letzter Änderung des Datensatzes) in VIS ist fünf Jahre (Art. 23); das ist keine Aussonderungsprüffrist, es muss also gelöscht werden. Ebenfalls gelöscht wird nach Einbürgerung (Art. 25).

VISV kennt umfangreiche Informationspflichten der Behörden gegenüber ihren Opfern (Art. 37: Information über Speicherung, ihren Zweck, das Auskunftsrecht usf). Das Auskunfts- und Berichtigungsrecht steht in Art. 38; merkwürdig ist die Regelung "Each Member State shall record any requests for such access." Was bedeutet das? Warum diese Regelung? An wen Auskunftsersuchen zu stellen sind, ist erstmal unklar, aber der BfDI wäre nach Art. 39 (2) wohl die erste Adresse. Er darf auch eine Kontrolle der Speicherungen aus der BRD vornehmen (Art. 41). Das ganze Ding hingegen soll nicht von einer JSB (wie bei SIS und Europol) begutachtet werden, sondern vom "European Data Protection Supervisor" (Art. 42).

Die Daten in VIS sollen zweckgebunden sein, können aber in andere Systeme kopiert werden (Art. 30), wenn diese den Zweck von VIS erfüllen. Angesichts von Zwecken wie "innere Sicherheit" dürfte das kein Hindernis sein. Auch an Drittstaaten können Daten übermittelt werden (Art. 31), allerdings nur die in der Liste oben mit I markierten Daten.

Zwecks der Datenschutzkontrolle sollen sämtliche Operationen an VIS mit Zweckbestimmung geloggt werden, also insbesondere auch Abfragen. Offenbar wollten die Gesetzesmacher dokumentieren, wie ernst sie es meinen (oder hatten wirklich keine Sorge, dass je wer nachguckt); jedenfalls sollen die Zugriffsprotokolle ein Jahr länger aufgehoben werden als die betreffenden Daten, was wohl die längste vorgeschriebene Speicherfrist für Log-Dateien überhaupt ist (Art. 34).

Die VISV ist insofern bemerkenswert, als Haftungsregeln in Art. 33 formuliert werden. Die sind zwar in der Regel kaum einklagbar, aber es sieht doch gut aus. Art. 36 betont nochmal, dass Missbrauch von VIS strafbar sein muss. Schade, dass das Papier den Streicherteppich dazu nicht hergibt.

VIS wird physikalisch in Straßburg stehen, mit einem Backup in Sankt Johann im Pongau/Österreich (VISV Art. 27); das deckt sich mit den Plänen für SIS II.

Überarbeitung von VISV

Die VISV wurde bereits vor dem Start von VIS selbst überarbeitet. In der EU-Verordnung 2008/0041 (COD)

To Do: Was steht in der Überabeitung anderes ?

Geschichte

Nach 9/11 wollte der Rat eine Verschärfung der durch den Schengen-Acquis vorgeschriebenen gegenseitigen Konsultation in Visafragen über ein "Netzwerk" namens VISION (vgl. Ratsmitteilung 5148/02 (pdf)). Dazu sollte eine Visa-Datenbank eingerichtet werden. Genauere Pläne dafür wurden beim Sevilla-Gipfel 2002 geschmiedet, der [[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32004D0512:EN:HTML|Ratsbeschluss 2004/512/EC]] (html) hat dann die VIS-Entwicklung in die Wege geleitet. Nach diesem Beschluss soll sich VIS in seiner Struktur eng an SIS anlehnen. Näheres zu VIS folgte dann 2005 in Ratsdokuemnt 15142/05.

Darin werden u.a. folgende Punkte festgehalten:

  1. Die Staatsschutz-Behörden der Mitgliedsstaaten sollen auf jeden Fall Zugriff auf VIS haben.

  2. Europol soll Zugriff auf VIS haben.

  3. Aber natürlich nur, wenn es Anzeichen für Terrorismus gibt. VIS soll erstmal keine "regular crime fighting database" werden.

Zu diesem Zweck sollten Daten zu 20 Millionen Visa-Anträgen pro Jahrgespeichert werden, inklusive Fingerabdrücke. Bei einer Speicherfrist von fünf Jahren rechnete die Kommission mit 70 Millionen Fingerabdrucksätzen, die in VIS vorliegen sollen. Das Nehmen der Fingerabdrücken soll gemäß Ratsdokument 15142/05 unter Annahme der Unschuld der Opfer geschehen:

individuals whose data are processed in the VIS [...] are to be treated as innocent individuals and not as suspects in a criminal investigation [...]

to lay down effective, proportionate and dissuasive sanctions to be imposed in case of infringement of data protection provisions, including criminal sanctions for particularly serious and intentionally committed infringements,

Dieses soll durch einen jährlichen Audit unterstützt werden.

Parallel wurde am so genannten Schengen Border Code (SBC) gearbeitet, der 2006 als EU-Verordnung 562/2006 verabschiedet wurde. Der SBC ist sozusagen das rechtliche Fundament für eine gemeinsame Grenzpolitik. Seit Verordnung 81/2009 hat die EU 2009 da auch die Verpflichtung reingeschrieben, VIS zu verwenden. Sie erlaubt aber, die Prüfung von Fingerabdrücken in der ersten drei Jahren von VIS mal kurz auszusetzen, wenn die Schlangen zu lang werden und sonst alles im grünen Bereich ist; vermutlich ist das die in Gesetzesform gegossene Erfahrung, dass solche Projekte, wenn sie überhaupt mal laufen, recht massive Kinderkrankheiten zeigen.

2008 verabschiedeten Rat und Parlament dann die Verordnung 767/2008, die die Rechtsgrundlage von VIS darstellt.

2009 wird beschlossen, VIS von der IT-Agentur betreiben zu lassen, die auch SIS betreiben soll.

Anlässlich des Innenministertreffens im Dezember 2009 hieß es VIS sollte Dezember 2010 an den Start gehen (vgl Komissions-Mitteilung (pdf, S. 26).

Ende 2010 berichtet die Kommission ans EU-Parlament über die Ereignisse 2009 und ist immer noch optimistisch, den Kram 2010-12 an den Start zu kriegen. Offenbar hat die Entwicklung der nationalen Systeme gut geklappt, während beim Zentralen System, vor allem beim Biometrie-Matcher, Probleme auftraten. Insbesondere gingen Integrationstests schief, und zwar so drastisch, dass die Kommission Vertragsstrafen in Höhe von 7.6 ME verhängt hat.

Zur Sitzung der EU-Innenminister im Februar 2011 hat die Kommission die "Fertigstellung" von VIS für den 24.6.2011 (tatsächlich so genau) angekündigt.

Auch daraus wurde nichts, doch verkündete im Oktober 2011 das Bundesinnenministerium schließlich den Start von VIS.

Datenbanken EU