VISION

Artikel 17 (2) der Schengen-Konvention sieht vor, dass Mitgliedsstaaten in bestimmten Fällen bei der Vergabe von Visa andere Mitgliedsstaaten konsultieren müssen. Die Details werden in den Gemeinsamen konsularischen Instruktionen an die diplomatischen Missionen und die konsularischen Vertretungen (Common Consular Instructions, CCI) geregelt, und zwar vor allem in Annex 5, der, klar, den BürgerInnen nicht zugemutet werden kann und drum vertraulich ist.

Es dürfte wohl primär um die üblichen Geschichten ("Terror", "OK") gehen. In Ratsmitteilung 5148/02 steht z.B.

  • Although consultation cases are numerically few, the information provided is qualitatively highly significant in security and prevention terms. The very fact that a journey has been made, the reason given for it, the references given in Member States, and so on, if properly processed and exploited, can in themselves help prevent, and in other cases provide guidance in combating terrorism and organised crime [Gähn...].

Allerdings sieht es so aus, als gäbe es auch Regelungen global für bestimmte Länder (Ratsentscheidung 2007/866/EG: "bei Visumanträgen von Angehörigen sensitiver Länder") ["Sensitiv" -- au weia, die hatten auch mal bessere ÜbersetzerInnen].

Diese Konsultationen sollen über ein "Netzwerk" namens VISION durchgeführt werden, das aber offenbar nur (mehr?) ein lose formalisierter Datenaustausch zwischen den Visabehörden ist. Faktisch wird der VISION-Verkehr bereits seit 2001 über das SISNET abgewickelt (Ratsmitteilung 11286/01 beklagt sich dabei darüber, dass die BRD die Umstellung nicht rechtzeitig auf Reihe bekommen hat).

Wie viel dabei in Handbetrieb bzw. mit Office-Murks zusammengepfuscht wird bzw. wurde, mag Ratsmitteilung 7146/01 von 2001 ahnen lassen: Statt neu eintippen wird der Versand von Excel-Dateien zur Automatisierung vorgeschlagen.

Auch ansonsten ist der Kram von Horrortechnologien geprägt. Um 2007 herum nahm der Rat zur Kenntnis, dass vom horrösen X.400 auf SMTP umgestellt wurde. Die Spezifikation der Vorgehensweise in dem zitierten Dokument ist übrigens ein schönes Beispiel für die krude Mischung aus Pragmatismus und Bürokratie, die es in dem Bereich gerne gibt (Großartig: "Since there is no common Domain Name Service, it is necessary to add records concerning every remote SMTP server").

Die Umstellung auf SMTP (und vermutlich auch billige PC-Hardware) lief indes nicht ohne Schwierigkeiten: Ratsbeschluss 2008/910/EG (2008) z.B. spricht von der Notwendigkeit "zu vermeiden, dass das Schengener Konsultationsnetz durch die Übermittlung einer hohen Zahl von Fehlermeldungen überlastet wird" (mensch will sich gar nicht vorstellen, was da hinter der Kulissen passiert ist). 2008/910/EG sieht deshalb u.a. vor: "The Schengen States are required to have a backup system" und "The Schengen States are required to equip their MTA with a preventative peripheral device to compensate any power malfunctions".