Diese Seite behandelt alte, möglicherweise nicht mehr bestehende Infrastruktur des BKA. Das BKA bastelt gerade (2017-2019) in großem Stil an seiner EDV (und der der Länder), und es ist unklar, was eigentlich derzeit wie läuft. Mehr Infos bei PIAV. Wer konkrete Informationen hat, möge sie bitte hier (oder an geeigneter Stelle) einarbeiten.

Das Violent Crime Analysis System wird als Verbunddatei innerhalb von INPOL betrieben, basiert aber auf einer eigenen, von der kanadischen RCMP gepflegten Plattform. Mittels eines 168 Fragen umfassenden Erfassungsbogens sollen die Delikte aus dem Bereich Straftaten gegen das Leben oder gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Vermisstenfälle sinnvoll strukturiert und wiedererkennbar abgebildet werden. Ziel ist, Verbindungen zwischen verschiedenen Vorgängen aufzudecken.

Rechtsgrundlage

Geschichte

ViCLAS ist als erster Versuch des BKA mit Data Mining (vgl. auch operative Fallanalyse) bzw Profiling zu werten. Das System läuft auch in vielen weiteren Staaten (u.a. Schweiz, UK, Schweden, Belgien, Österreich, CR, Niederlande). Es wurde während der ersten Hälfte der 90er Jahre von der kanadischen Staatspolizei RCMP ([[http://www.rcmp-grc.gc.ca/viclas/viclas_e.htm|Offizielle Webseite RCMP]]) auf der Basis von Erfahrungen mit einem offenbar weniger populären analogen System des amerikanischen FBI entwickelt.

Der Einsatz von ViCLAS in der BRD begann 1996 mit einer Instanz in Bayern, die auch laut Teilbericht(html) des LfDI gleich Anlass zur Sorge gab. Beim BKA läuft ViCLAS seit 2000.

Inhalt

Gespeichert sind schwere Straftaten inkl. Angaben zu Sozialverhalten des Täters und Merkmalen des Opfers. Die [Erichtungsanordnung]] gibt als Zweck der Datei an:

  • Erkenung von Tatzusammenhängen bei Gewaltdelikten
  • Täteridentifizierung zun Zusammenführung im Bereich der Schwerkriminalität
  • Gewinnung von Präventionsansätzen

  • Beobachtung der Kriminalitätsentwicklung im Bereich Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Verschwundene, "Ansprechen von Kindern und Jugendlichen, wenn ein sexuelles Gewaltmotiv vermutet werden kann".

Man darf allerdings beruhigt davon ausgehen, dass die Erfahrungen mit diesen Bereichen großzügig auf den politischen Bereich übertragen werden. ViCLAS scheint dazu strukturell bedingt kaum zu taugen, es ist offenbar kein generischer Data Miner, sondern mehr ein Hack auf der Basis der Erfahrungen von ProfilerInnen.

Dazu gibt Bundestags-Drucksache 17/8544 an:

{{{#blockquote Die Datenbank ViCLAS erkennt keine Zusammenhänge zwischen Verbrechen. Sie ist ein Hilfsmittel für besonders geschulte polizeiliche Fallanalytiker. (S. 34) }}}

Gespeichert werden Daten von Beschuldigten und Verdächtigen (soweit "Grund zu der Annahme einer positiven Rückfallprognose besteht", also vermutlich fast immer), von Vermissten, nicht identifizierten Leichen sowie potenzielle und tatsächliche Opfer. Bei letzteren ist in der Regel eine Einwilligung (nach Aufklärung) zur Speicherung nötig, die Einwilligung kann jedoch unterbleiben, wenn "der verfolgte Zweck gefährdet würde" (kann das wer erläutern? Meinen die hier Lockvögel?). Auch Altfälle können ("retrograd") erfasst werden.

Die Daten werden unterschieden nach Personendaten, Ereignisdaten, Untersuchtungsdaten, Institutionsdaten, Objektdaten, Sachdaten, Beziehungsdaten, Spuren und Hinweisen -- dies ist wohl aus Kanada so vorgegeben.

Im Einzelnen (grundsätzlich wäre es wünschenswert, jeweils die Wertebereiche der Attribute zu kennen. Es ist zu erwarten, dass diese bis auf die Freitextfelder jeweils aus einem kontrollierten Vokabular kommen, zumal die Datenerfassung wohl weitgehend mit Multiple-Choice-Fragen operiert -- andernfalls dürfte das Programm mit dem gewünschten "Linking" verschiedener Fälle heillos überfordert sein):

Personendaten: Neben den üblichen Personendaten wird auch hier eine "Volkszugehörigkeit" als sachdienlich angesehen. Dazu gibt es Angaben zu Beruf und Fertigkeiten, Hinweise auf ED-Behandlung, Fotos oder Haft, die Aufenthaltsorte der letzten 10 Jahre (ob das in der BRD aus Meldeämtern oder "polizeilichen Erkenntnissen" gespeist wird, ist nicht bekannt), ein Feld "allgemeiner Lebensstil" sowie recht grob umrissene "weitere Hinweise" (offenbar ein Freitextfeld, in dem wie üblich haarsträubende Daten zu erwarten sind). Bei (potenziellen) Opfern soll sich die Speicherung auf im Groben das, was auf dem Personalausweise steht sowie ggf. weitere zur Identifikation geeignete Merkmale sowie die Akten führende Dienststelle beschränken. Opfer, die nicht einwilligen, sollen anonym gespeichert werden.

Personenbeschreibung: Größe, scheinbares Alter, Geschlechte (Einrichtungsanordnung: "nach dem Eindruck des Beschreibers"), "Äußere Erscheinung", Motiv (!), diverse Angaben etwa zu Behinderungen oder Tätowierungen, Sprachfehler etc., "persönliche Verhaltensweisen", "andere Merkmale" -- und wieder ein Freitextfeld

Falldaten: Klassifikation, Sachverhalt, Besonderheiten, Tatort, -zeit, -mittel, Tatablauf, Nachtatverhalten, Absicherungsmaßnahmen, Kurzdarstellung und ein Freitextfeld

Untersuchungsdaten: Dienststelle, Ort, Datum, Obduktionsprotokoll (ist das nur ein Nachweis? Eine strukturierte Repräsentation?), Ergebnisse.

Institutionsdaten: Name, Abkürzung, Art der Institution, Erläuterung dazu, Rechtsform, Ort, Staat, Freitext

Objektdaten: Art, Erläuterung dazu, Namen, Standort, Land, Freitext -- "Objekt" meint hier wohl ein Gebäude o.ä., es wird offenbar nicht davon ausgegangen, dass sich seine Position ändern könnte.

Sachdaten: Art, Erläuterung dazu, Name, KfZ-Beschreibung (Modell, Hersteller, Kennzeichen, Fahrgestellnummer usf.), Herstellungsjahr, Herkunftsbezeichnung, Material, Farbe, Maße, Freitext.

Beziehungsdaten: Art, Bewertung, Zeitliche Einordnung, Freitext.

Spuren: Spurnummer, Bezeichnung, Art, Freitext (wie darauf Data Mining laufen soll, wissen die Götter)

Hinweise: Art, Bezeichnung, Freitext

Verwaltungsdaten: Eingangsdatum, Aktenzeichen, Dienststelle usf. Vermutlich werden die Verwaltungsdaten über n:m-Relation an die Nutzdatensätze gekoppelt.

Übermittlungen

ViCLAS-Daten werden von eigenen Dienststellen abgerufen (die RCMP schreibt, "they had to learn to ask the right questions"). Auf Antrag kann aber jede Polizeidienststelle Zugriff bekommen. Wie verbreitet das ist, ist nicht bekannt -- Bundestags-Drucksache 17/8544 (S. 34) erwähnt z.B. das PP München und das LKA Baden-Württemberg als ViCLAS-Nutzer, und weiter:

Die Erarbeitung von Tatzusammenhängen mit Hilfe der ViCLAS-Datenbank findet in der Regel nicht im BKA sondern bei den Fachdienststellen für Operative Fallanalyse der Länder statt.

Übermittlungen in Papierform finden an verschiedene "Sicherheits"behörden statt.

Elektronische Schnittstellen zu anderen Polizeidatenbanken bestehen laut Bundestags-Drucksache 17/8544 nicht, auch wenn des öfteren die Rede vom Austausch von Daten mit ViCLAS-Instanzen im Ausland ist.

Speicherfrist

Das Übliche: Nach 10 Jahren bei Erwachsenen, nach 5 Jahren bei Jugendlichen wird die Ausonderung geprüft.

Lediglich bei potenziellen Opfern, die ohne ihr Einverständnis gespeichert wurden, beträgt die Prüffrist fix ein Jahr, es gibt eine harte Obergrenze von drei Jahren bis zu Löschung.

Einsatz

Bundestags-Drucksache 17/8544 gibt an (S. 34), zwischen Februar 2004 und Mai 2010 seien mithilfe des BKA-ViCLAS 619 Tatzusammenhänge erkannt worden, von denen 211 bestätigt worden seien. Weiter seien die NSU-Morde als "ungeklärte Tötungsdelikte mit unklarer Motivlage" in ViCLAS erfasst gewesen und über die Tatwaffe verknüpft gewesen. Darüber hinausgehende Erkenntnisse habe ViCLAS nicht geliefert.

Zahlen

Jahr

Zahl der Datensätze

Quelle

2011

16351 (nur Prävention)

Bundestags-Drucksache 17/7307

Weiteres

Laut RCMP ist ViCLAS in Delphi (d.h. modernisiertem Turbo Pascal) geschrieben.