Unterschiede zwischen den Revisionen 60 und 61
Revision 60 vom 2011-07-15 21:42:12
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Revision 61 vom 2011-11-18 08:34:55
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Kommentar: Etwas mehr zu Gefahren von VVen
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Mit Hilfe von [[Data Mining]] Programmen können dann Personen aus den Vorgangsdaten, Verdächtige werden. Wenn z.B. Marina Mustermann Antifa Aufkleber verklebt hatte und in der Nähe sich eine Nazi-Kneipe befindet, welche einige Monate später mit Graffiti verschönert wurde, wird sie zu einer Verdächtigen. Primär werden riesige Datenberge praktisch unkontrolliert aufgehäuft und auch
indiziert. Im Gegensatz zu den noch halbwegs geregelten Nachweissystemen
herrscht bei Vorgangsverwaltungen kompletter Wildwuchs, es gibt keine
Trivialitätsgrenzen für gespeicherte Information (sogar Telefonkontakte werden
erfasst) -- analog eben zur alten Zettelwirtschaft. In VVen wird der
Kram aber in aller Regel indiziert, so dass die Polizei im Prinzip noch
nach Monaten feststellen kann, dass wer sich mal über einen Nachbarn beschwert
hat oder evtl. auch in eine Personalienkontrolle auf einer Demo geraten ist.

VVen sind praktisch allen Beamt``Innen frei zugänglich. Ein Bewusstsein
für die Brisanz dieser Tatsachen besteht nicht, nur manchmal beschweren
sich Datenschutzbeauftragte bescheiden über die namentliche Recherchierbarkeit.

Dazu kommt, dass verschiedene Hersteller noch Programmkomponenten dazuverkaufen,
die unter [[Data Mining]] laufen. Dazu gehören insbesondere geographische
Visualisierungen, ggf. mit thematischen Bezug.

Beispiel dazu: Marina Mustermann wird im April gespeichert, weil sie beim
Verkleben von Antifa-Aufklebern am Ort X erwischt wurde.
Aus Nachweissystemen ist sowas in aller Regel leicht zu löschen, in der
Vorgangsverwaltung bleibt es. Im Oktober wird die Nazikneipe 700 m weiter
durch Gaffitti verschönert, und Ermittler U zieht sich eine Karte hoch mit "allen Vorgängen aus linksmotivierter Kriminalität in 1 km Umkreis". Schon wird Marina Mustermann verdächtig.

Zwar dürfte diese Handlung der Zweckbindung widersprechen -- Vorgangsverwaltungen dienen der Verwaltung von Vorgängen, nur die in ihnen gespeicherten Daten dürfen zur Vorbeugung und Aufklärung von Kriminalität verwendet werden --, aber es gibt keine Möglichkeit, derartige Nutzungen zu verhindern (außer durch Verbot entsprechender Software, radikal verkürzte Speicherfristen und die Wandlung der Dokumente in nicht indizierungsfähiges Material; aber das will natürlich keiner).

Software zur Datenspeicherung auf Landesebene

Bei den Länderpolizeien und den Bundespolizeien werden unterschiedliche Programme zu Datenverarbeitung der Daten in Datenbanken verwendet. Im Prinzip gibt es meist drei Datenverarbeitungssysteme, die Nachweisakten, die Vorgangsbearbeitung und die Fallbearbeitungs-Software. Der Artikel bietet einen Überblick.

Welche Datenbanken es gibt

Die "klassischen" Polizeidatenbanken sind "Nachweissysteme", d.h. Verdächtigenkarteien. Sie werden gepflegt, um einen Überblick über die Kriminalakten zu behalten und schnell auf deren wesentliche Inhalte zugreifen zu können. Dazu gehören die Teildateien von INPOL, die POLAS-Instanzen oder ihnen entsprechende Entwicklungen auf Länderebene. Der Bundespolizeiaktennachweis gehört auch dazu.

Seit Anfang des Jahrhunderts führen die Behörden zunehmend so genannte Vorgangsverwaltungen (VVen) ein. Bei ihnen ging es ursprünglich darum, die alte Schreibmaschinenwirtschaft durch den Rechner zu ersetzen. Die populärste Software dieser Art, ComVor, verwaltet aber, wie ihre diversen Schwestern, durchaus auch umfangreiche Datenbestände über all die Vorgänge bei der Polizei. Diese bleiben zwischen drei Monaten und fünf Jahren nach Namen recherchierbar. Auf diese Weise bekommen die Behörden eine Größenordnung mehr Daten.

Diese Daten (und noch weitere) aus den beiden beschriebenen Datenbankenarten werden dann mit Hilfe von Data Mining Programmen (Fallbearbeitungssoftware) bei einzelnen Fällen ausgewertet.

Verdächtigenkarteien und Nachweissysteme

In einer Verdächtigenkartei stehen alle Personen, die nach Strafprozessordnung (StPO) verdächtigt oder verurteilt wurden. Allerdings bleiben teilweise auch eingestellte Verfahren in der Datenbank. Zudem stehen inzwischen dort auch Personen, die eine Straftat von erheblicher Bedeutung, nach Meinung der Polizei, in Zukunft begehen werden. Zudem dürfen bei Straftaten von erheblicher Bedeutung dort noch die Personendaten von Kontakt- und Begleitpersonen stehen.

Verwendete Software zur Verdächtigenspeicherung

  • Das Softwaresystem POLAS wird von den meisten Ländern als Verdächtigenkartei inzwischen verwendet.

  • In Bayern wird KAN verwendet.

  • In Berlin wird Poliks verwendet (Poliks ist ein integriertes System, d.h. sowohl Nachweis als auch Vorgangverwaltung)

  • Bremen verwendet ISA-Web, welches wie Poliks auch eine Vorgangsbearbeitung beinhaltet

Vorgangsverwaltungen

Vorgangsverwaltungen dienen zur Dokumentation des Arbeitsaltags der Polizei. Hier kommt alles rein, was die Polizeibeamten aufnehmen, wie z.B. Max Mustermann ist mit dem Fahrrad durch die Fußgängerzone gefahren oder Marina Mustermann hat Aufkleber auf eine Laterne geklebt. Dazu kann dann in dem Textteil noch stehen, dass Max Mustermann den Eindruck machte, dass er grundsätzlich etwas gegen die Polizei hat. Diese Fälle werden dann nach Personen suchbar gespeichert. Zudem werden alle Anzeigen (egal ob wahrheitsgemäß oder bloße Denuziation) dort gespeichert, wobei sowohl der Anzeigende als auch der Angezeigte suchbar sind. Zudem werden dort alle 110 Anrufe gespeichert.

Die Speicherfristen waren in den Vorgangsverwaltungen zuerst meist nicht (oder nur ungenau) geregelt, da bei der Einführung der Vorgangsverwaltungen der datenschutzrechtliche Aspekt zum größten Teil ignoriert wurde. In Bayern waren z.B. Meldungen vom Typ "Vor meinen Haus plärrt seit 30 Minuten eine Auto-Alarmanlage" noch nach über fünf Jahren über den Namen des/der Meldenden recherchierbar. Inzwischen ist die Speicherfrist auf 1-5 Jahre festgelegt und 110 Anrufen werden meist nur noch 3 Monate gespeichert.

Gefahren durch Vorgangsverwaltungen

Primär werden riesige Datenberge praktisch unkontrolliert aufgehäuft und auch indiziert. Im Gegensatz zu den noch halbwegs geregelten Nachweissystemen herrscht bei Vorgangsverwaltungen kompletter Wildwuchs, es gibt keine Trivialitätsgrenzen für gespeicherte Information (sogar Telefonkontakte werden erfasst) -- analog eben zur alten Zettelwirtschaft. In VVen wird der Kram aber in aller Regel indiziert, so dass die Polizei im Prinzip noch nach Monaten feststellen kann, dass wer sich mal über einen Nachbarn beschwert hat oder evtl. auch in eine Personalienkontrolle auf einer Demo geraten ist.

VVen sind praktisch allen BeamtInnen frei zugänglich. Ein Bewusstsein für die Brisanz dieser Tatsachen besteht nicht, nur manchmal beschweren sich Datenschutzbeauftragte bescheiden über die namentliche Recherchierbarkeit.

Dazu kommt, dass verschiedene Hersteller noch Programmkomponenten dazuverkaufen, die unter Data Mining laufen. Dazu gehören insbesondere geographische Visualisierungen, ggf. mit thematischen Bezug.

Beispiel dazu: Marina Mustermann wird im April gespeichert, weil sie beim Verkleben von Antifa-Aufklebern am Ort X erwischt wurde. Aus Nachweissystemen ist sowas in aller Regel leicht zu löschen, in der Vorgangsverwaltung bleibt es. Im Oktober wird die Nazikneipe 700 m weiter durch Gaffitti verschönert, und Ermittler U zieht sich eine Karte hoch mit "allen Vorgängen aus linksmotivierter Kriminalität in 1 km Umkreis". Schon wird Marina Mustermann verdächtig.

Zwar dürfte diese Handlung der Zweckbindung widersprechen -- Vorgangsverwaltungen dienen der Verwaltung von Vorgängen, nur die in ihnen gespeicherten Daten dürfen zur Vorbeugung und Aufklärung von Kriminalität verwendet werden --, aber es gibt keine Möglichkeit, derartige Nutzungen zu verhindern (außer durch Verbot entsprechender Software, radikal verkürzte Speicherfristen und die Wandlung der Dokumente in nicht indizierungsfähiges Material; aber das will natürlich keiner).

Verwendete Software

Data-Mining Software

Data Mining Software soll dazu dienen aus den Datenmengen das Wesentliche zu extrahieren und dient der Unterstützung der operativen Fallanalyse. Von den Kriminalbeamten wird dafür meist der Begriff Fallbearbeitungssoftware verwendet. In der Regel werden zur Fallbearbeitung Daten aus der Vorgangsverarbeitung, den Nachweisakten und zusätzlich noch weitere Daten, wie z.B. Daten aus Privat-Öffentlichen Datenbanken, Privaten Datenbanken und sonstiger durch Überwachungstechnik gesammelter Daten, ausgewertet. So können z.B. auch Bewegungsprofile aus GPS-Daten dargestellt werden. Teilweise stellen einige Vorgangsverwaltungen auch schon einige Verknüpfungen her, die Übergänge von der Vorgangsverwaltung zu Data-Mining Programmen sind daher fließend.

Verwendete Software

  • rsCase ist ein Software-Paket zur "praktische[n] Arbeit im Bereich operativer Ermittlungen von Behörden" und unterstützt "vernetzte Fallbearbeitung, Auswertung und weltweites Incident Reporting" (Produktbeschreibung), das von rola Security Systems für verschiedene Landespolizeien und das BKA angepasst wurde. In Bayern heißt das entsprechende System z.B. EASY, in Schleswig Holstein Merlin und in NRW CASE. Auch wenn es gerne als Data Mining System angepriesen wird, sind die Fähigkeiten noch nicht besonders weitreichend. Das verkleinert die Problematik, die durch solche Programme entsteht, allerdings nicht. Da die Fehleranfälligkeit bei schlechter Programmierung noch größer ist. Laut Telepolis geht die Vergabepraxis für die Programme nicht besonders koscher ab. Rola bekommt anscheinend die meisten Ausfträge, weil sie gute Beziehungen zum BDK (Bund Deutscher Kriminalbeamter) pflegt und öffentliche Ausschreibungen aus Sicherheitsgründen vermieden werden. Mehr zu rsCASE in einem ct-Artikel.

  • SPSS ist ein Data-Mining Programm, welches von der Hessischen Polizei und vermutlich noch weiteren Ländern verwendet wird.

  • ViCLAS ist eine Teildatenbank von INPOL welche teilweise Data Mining verwendet.

  • CRIME wird in Hamburg verwendet.

  • EFAS wird im Freistaat Sachsen verwendet.

Weitere Infos

Telepolis: Schon heute wissen, was morgen sein wird -- über Trends im Data Mining für die Sicherheitsbehörden

Sexualstraftäterdateien

Viele Länder haben meist aus populistischen Gründen Datenbanken für entlassene ehemalige Sexualstraftäter eingeführt. Diese sehen vor, dass das relevante Umfeld auch außerhalb der Polizei zwecks Prävention informiert wird.

Dateien der Länder

  • Bayern verwendet laut Krimpedia HEADS, wobei die Datenbank von rola entwickelt wurde.

  • In Hessen heißt das lautKrimpedia Argus.

  • In NRW wird dieses unter dem Namen Kurs NRW betrieben

Weitere Programme der Länder: Krimpedia zu den Sexualstrafäterdateien der Bundesländer