Unterschiede zwischen den Revisionen 2 und 3
Revision 2 vom 2011-02-25 22:13:16
Größe: 63
Autor: anonym
Kommentar:
Revision 3 vom 2012-02-26 11:45:52
Größe: 5107
Autor: LilaBlume
Kommentar:
Gelöschter Text ist auf diese Art markiert. Hinzugefügter Text ist auf diese Art markiert.
Zeile 1: Zeile 1:
#redirect Länderübergreifende Software#Vorgangsverwaltungen = Polizeiliche Vorgangsverwaltung =

Ein [[Überblick#Typen|Typ polizeilicher EDV]], der zur
Dokumentation des Arbeitsaltags der Polizei dient. In VVen wird alles
gespeichert, was die Polizeibeamten aufnehmen, beispielsweise "Max Mustermann
ist mit dem Fahrrad durch die Fußgängerzone gefahren" oder "Marina
Mustermann hat Aufkleber auf eine Laterne geklebt". Dazu kann dann in
einem Freitextfeld noch stehen, Max Mustermann habe es an Respekt für
die Einsatzkräfte fehlen lassen. Natürlich werden alle Anzeigen
unabhängig vom Wahrheitsgehalt gespeichert, immerhin nach Anzeigender_m
und Angezeigtem_r. Auch Telefonkontakte, vor allem zu 110, finden sich
normalerweise in VVen wieder.

In aller Regel sind Vorgangsverwaltungen so geschrieben, dass Einträge
an Personen gebunden sind und durch Suche nach Namen auf gefunden
werden.

Vorgangsverwaltungen kamen mit der Ablösung der
schreibmaschinenbasierten Büroorganisation der Polizeibehörden Ende der
90er Jahre auf und wurden breit ausgerollt, als zwischen Terrorhysterie
und Budgetnot niemand über Menschenrechte nachdenken wollte. Daher
waren die VVen ein Schlachtfeld von Datenschutz-Irrsinn, Missbrauch und
Konfusion. Für viele hat sich das über Jahre nicht geändert.

So waren die Speicherfristen in den Vorgangsverwaltungen zuerst meist
nicht (oder nur ungenau) geregelt. In [[Bayern]] waren z.B. Meldungen
vom Typ "Vor meinen Haus plärrt seit 30 Minuten eine Auto-Alarmanlage"
noch nach über fünf Jahren über den Namen des/der Meldenden
recherchierbar. Inzwischen ist die Speicherfrist auf 1-5 Jahre
"fest"gelegt, 110-Anrufe sollen meist "nur" noch 3 Monate gespeichert
werden.

VVen sind praktisch allen Beamt``Innen frei zugänglich. Ein Bewusstsein
für die Brisanz dieser Tatsache scheint sich nur langsam zu entwickeln,
allenfalls gelegentlich beschweren sich Datenschutzbeauftragte
bescheiden über die namentliche Recherchierbarkeit bestimmter Vorgänge.

VVen basieren meist clientseitig auf haarsträubenden Hacks auf der Basis
von Office-Systemen (Formularwesen mit Word usf). Angesichts der
überschießenden Featureitis und der Präferenz von Bequemlichkeit
gegenüber Sicherheit in diesem EDV-Segment ist weiter mit
scheunentorgroßen Lücken zu rechnen, über die Beamt_innen oder dritte
jedenfalls einzelne Dokumente abziehen können. Andererseits
funktionieren VVen damit häufig nicht besonders gut...

VVen waren und sind häufig mit noch heikleren Systemen integriert, die
unter [[Fallbearbeitung]] laufen; es scheint, dass letztere in aller
Regel Daten der VVen integrieren.


== Beurteilung ==

Primär werden in VVen riesige Datenberge praktisch unkontrolliert
aufgehäuft und auch indiziert. Im Gegensatz zu den noch halbwegs
geregelten Auskunfssystemen herrscht bei Vorgangsverwaltungen kompletter
Wildwuchs, es gibt keine Trivialitätsgrenzen für gespeicherte
Information (sogar Telefonkontakte werden erfasst) -- analog eben zur
alten Zettelwirtschaft. Im Gegensatz zum Zettelkasten sind die Daten VVen
aber auch wieder auffindbar, und zwar normalerweise von allen Beamten im
Land. Der nette Polizist im Amt wird also noch nach Monaten sehen,
dass sich ein Nachbar über euch beschwert hat, ihr
in eine Personalienkontrolle auf einer Demo geraten seid oder vor der
Tür einer Kneipe rauchen wart.

[Das folgende muss zu Fallbearbeitung, wenn die Seite kommt:]
Beispiel dazu: Marina Mustermann wird im April gespeichert, weil sie beim
Verkleben von Antifa-Aufklebern am Ort X erwischt wurde.
Aus Nachweissystemen ist sowas in aller Regel leicht zu löschen, in der
Vorgangsverwaltung bleibt es. Im Oktober wird die Nazikneipe 700 m weiter
durch Gaffitti verschönert, und Ermittler U zieht sich eine Karte hoch mit "allen Vorgängen aus linksmotivierter Kriminalität in 1 km Umkreis". Schon wird Marina Mustermann verdächtig.

Zwar dürfte diese Handlung der Zweckbindung widersprechen -- Vorgangsverwaltungen dienen der Verwaltung von Vorgängen, nur die in ihnen gespeicherten Daten dürfen zur Vorbeugung und Aufklärung von Kriminalität verwendet werden --, aber es gibt keine Möglichkeit, derartige Nutzungen zu verhindern (außer durch Verbot entsprechender Software, radikal verkürzte Speicherfristen und die Wandlung der Dokumente in nicht indizierungsfähiges Material; aber das will natürlich keiner).

=== Verwendete Software ===

 * [[ComVor]], Ein System zur Vorgangsverwaltung, das inzwischen in vielen Ländern läuft.
 * [[IGVP]] wird von [[Datenbanken Bayern|Bayern]], [[Datenbanken NRW|NRW]] und [[Datenbanken Thüringen|Thüringen]] verwendet.
 * EVA wird in [[Datenbanken Mecklenburg-Vorpommern#Vorgangsbearbeitung|Mecklenburg-Vorpommern]] verwendet
 * In [[Datenbanken Berlin|Berlin]] wird das integrierte System [[Poliks]] verwendet.
 * POLADIS, ein mit dem Microsoft [[http://en.wikipedia.org/wiki/.NET_Framework|.NET Framework]] programmiertes System, wird in [[Rheinland-Pfalz]] verwendet
 * IVO wird in [[Sachsen]] verwendet.
 * Nivadis wird in [[Niedersachsen]] verwendet

Polizeiliche Vorgangsverwaltung

Ein Typ polizeilicher EDV, der zur Dokumentation des Arbeitsaltags der Polizei dient. In VVen wird alles gespeichert, was die Polizeibeamten aufnehmen, beispielsweise "Max Mustermann ist mit dem Fahrrad durch die Fußgängerzone gefahren" oder "Marina Mustermann hat Aufkleber auf eine Laterne geklebt". Dazu kann dann in einem Freitextfeld noch stehen, Max Mustermann habe es an Respekt für die Einsatzkräfte fehlen lassen. Natürlich werden alle Anzeigen unabhängig vom Wahrheitsgehalt gespeichert, immerhin nach Anzeigender_m und Angezeigtem_r. Auch Telefonkontakte, vor allem zu 110, finden sich normalerweise in VVen wieder.

In aller Regel sind Vorgangsverwaltungen so geschrieben, dass Einträge an Personen gebunden sind und durch Suche nach Namen auf gefunden werden.

Vorgangsverwaltungen kamen mit der Ablösung der schreibmaschinenbasierten Büroorganisation der Polizeibehörden Ende der 90er Jahre auf und wurden breit ausgerollt, als zwischen Terrorhysterie und Budgetnot niemand über Menschenrechte nachdenken wollte. Daher waren die VVen ein Schlachtfeld von Datenschutz-Irrsinn, Missbrauch und Konfusion. Für viele hat sich das über Jahre nicht geändert.

So waren die Speicherfristen in den Vorgangsverwaltungen zuerst meist nicht (oder nur ungenau) geregelt. In Bayern waren z.B. Meldungen vom Typ "Vor meinen Haus plärrt seit 30 Minuten eine Auto-Alarmanlage" noch nach über fünf Jahren über den Namen des/der Meldenden recherchierbar. Inzwischen ist die Speicherfrist auf 1-5 Jahre "fest"gelegt, 110-Anrufe sollen meist "nur" noch 3 Monate gespeichert werden.

VVen sind praktisch allen BeamtInnen frei zugänglich. Ein Bewusstsein für die Brisanz dieser Tatsache scheint sich nur langsam zu entwickeln, allenfalls gelegentlich beschweren sich Datenschutzbeauftragte bescheiden über die namentliche Recherchierbarkeit bestimmter Vorgänge.

VVen basieren meist clientseitig auf haarsträubenden Hacks auf der Basis von Office-Systemen (Formularwesen mit Word usf). Angesichts der überschießenden Featureitis und der Präferenz von Bequemlichkeit gegenüber Sicherheit in diesem EDV-Segment ist weiter mit scheunentorgroßen Lücken zu rechnen, über die Beamt_innen oder dritte jedenfalls einzelne Dokumente abziehen können. Andererseits funktionieren VVen damit häufig nicht besonders gut...

VVen waren und sind häufig mit noch heikleren Systemen integriert, die unter Fallbearbeitung laufen; es scheint, dass letztere in aller Regel Daten der VVen integrieren.

Beurteilung

Primär werden in VVen riesige Datenberge praktisch unkontrolliert aufgehäuft und auch indiziert. Im Gegensatz zu den noch halbwegs geregelten Auskunfssystemen herrscht bei Vorgangsverwaltungen kompletter Wildwuchs, es gibt keine Trivialitätsgrenzen für gespeicherte Information (sogar Telefonkontakte werden erfasst) -- analog eben zur alten Zettelwirtschaft. Im Gegensatz zum Zettelkasten sind die Daten VVen aber auch wieder auffindbar, und zwar normalerweise von allen Beamten im Land. Der nette Polizist im Amt wird also noch nach Monaten sehen, dass sich ein Nachbar über euch beschwert hat, ihr in eine Personalienkontrolle auf einer Demo geraten seid oder vor der Tür einer Kneipe rauchen wart.

[Das folgende muss zu Fallbearbeitung, wenn die Seite kommt:] Beispiel dazu: Marina Mustermann wird im April gespeichert, weil sie beim Verkleben von Antifa-Aufklebern am Ort X erwischt wurde. Aus Nachweissystemen ist sowas in aller Regel leicht zu löschen, in der Vorgangsverwaltung bleibt es. Im Oktober wird die Nazikneipe 700 m weiter durch Gaffitti verschönert, und Ermittler U zieht sich eine Karte hoch mit "allen Vorgängen aus linksmotivierter Kriminalität in 1 km Umkreis". Schon wird Marina Mustermann verdächtig.

Zwar dürfte diese Handlung der Zweckbindung widersprechen -- Vorgangsverwaltungen dienen der Verwaltung von Vorgängen, nur die in ihnen gespeicherten Daten dürfen zur Vorbeugung und Aufklärung von Kriminalität verwendet werden --, aber es gibt keine Möglichkeit, derartige Nutzungen zu verhindern (außer durch Verbot entsprechender Software, radikal verkürzte Speicherfristen und die Wandlung der Dokumente in nicht indizierungsfähiges Material; aber das will natürlich keiner).

Verwendete Software