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Autor: LilaBlume
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Autor: anonym
Kommentar: Skandale -> SIS
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Das Schengener Informationssystem, in Betrieb seit 1995, ist das größte
polizeiliche und nachrichtendienstliche IT-System auf europäischer
Ebene.

Sinn von SIS war ursprünglich, die Abschaffung der Grenzkontrollen im
[[http://europa.eu/legislation_summaries/justice_freedom_security/free_movement_of_persons_asylum_immigration/l33020_en.htm|Schengenland]]
(a.k.a. AFSJ) zu kompensieren ("Schutz der Grenzen und Kontrolle von
Personenbewegungen"). Die Vorstellung war, Kram, der bisher bei
Grenzkontrollen auffliegen konnte (unerwünschte Migration, Kfz-Diebstahl)
durch Aufnahme in einer Datenbank überall prüfbar zu machen, und zwar
insbesondere auch außerhalb des Staates, dem etwas aufgefallen ist. Zu
Zeiten der Planung SIS haben sich die Polizeien noch weniger getraut als
jetzt, was den Entwurf eines funktionierenden Systems schwer gemacht hat.
## page was renamed from SIS
<<TableOfContents>>

[[SIS]] hat eine lange Geschichte; auf dieser Seite sammeln wir die
Informationen von SIS nach dem originalen Schengener
Durchführungs-Übereinkommen (SDÜ). Das heutige SIS (ex SIS II),
geregelt nach dem Lissabon-Vertrag, ist auf einer [[SIS|separaten
Seite]] beschrieben. Für aktuelle(re) Infos siehe dort.
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SIS wurde durch [[http://www.datenschmutz.de/li/docs/SDUe-KapIV.pdf|Kapitel IV des Schengener-Durchführungsabkommens]]
(im Folgenden: SDÜ, engl. Convention Implementing the Schengen Agreement, CISA) sowie seine nationalen Umsetzungsgesetze
(in der BRD derzeit offenbar das [[http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/108/1610816.pdf|SIS II-Gesetz]])
geregelt ([[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:42000A0922(02):DE:HTML|Schengen-Konvention komplett]]).

Da Schengen insgesamt ein Projekt der "erste Säule" der EU (gemeinsame
Wirtschaftspolitik; dazu zählt mithin insbesondere das Migrationsregime) ist, gehörte auch SIS ursprünglich dort hinein.
Die Ausweitung von SIS für die "gemeinsame Rechts- und Innenpolitik"
(also Repression gegen EU-Bürger``Innen) lässt zunehmend Funktionen der
[[http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/cig/g4000s.htm|dritte Säule]] relevant
erscheinen. Das ist vor allem aufgrund der verschiedenen Beschlussregeln
in den verschiedenen Säulen relevant.

Wesentlichste Erweiterung war die
[[http://www.datenschmutz.de/li/docs/2002-spanischeIni.pdf|Spanische Initiative]] (2002, also lang vor den Anschlägen von Madrid); sie nahm
bereits einige der Erweiterungen vor, die für [[SIS II]] geplant sind.


Art 93 SDÜ erklärt die öffentliche Sicherheit und Ordnung inkl Staatssicherheit
zum Zweck von SIS. Dies ist, zumal angesichts der "ersten Säule", ein
Geburtsfehler von SIS, denn die Zweckbestimmung ist so nebulös, dass sie
de facto kein Regulativ bietet.


= Struktur =

Physisch existiert eine Datenbank bei C-SIS in Straßburg. Für [[SIS II]] ist
ein Spiegel in Österreich geplant, ob sowas schon für SIS selbst läuft, wissen
wir nicht. Artikel 92 (2) SDÜ sieht vor, dass Spiegel davon ("inhaltlich identisch") jeweils national vorgehalten werden ("N-SIS").
C-SIS hat (Art. 92 (3) SDÜ) neben der Funktion als Synchronisationsserver
noch die Aufgabe, gelöschte Daten für ein Jahr weiter zu halten, um eine
datenschutzrechtliche Prüfung nach Art. 113 (2) SDÜ zu erlauben.

Jeder Schengen-Staat unterhält ein [[SIRENE]]-Büro (in der BRD ist das das BKA),
das die Kommunikation mit SIS abwickelt und wohl in aller Regel auch das N-SIS
laufen lässt. Lokale Behörden fragen SIS als das N-SIS beim BKA ab. Vermutlich
können sie dort auch Speicherungen vornehmen, jedoch ist der
Ausschreibungsprozess glücklicherweise kompliziert (vgl. die Seite zu
[[SIRENE]]), so dass das "Hochladen" zum C-SIS (jedenfalls für die besonders sinistren Artikel 99-Daten) vermutlich mit BKA-Handarbeit verbunden ist.

[[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:52009PC0294:DE:HTML|2009 will die Kommission]] den Betrieb der großen (z.T. künftigen) Datenbanken (etwa SIS II, EURODAC und VIS) auf auf eine "Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen
im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht" übertragen. Status und Details
sind unklar (TODO: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:52009DC0292:DE:HTML ansehen, vielleicht steht da mehr).

= Inhalt =

SIS enthält vor allem Daten über Einreiseversuche von Menschen, die nicht aus
der EU kommen; dazu gibt es Fahndungs- und Ausschreibungsdaten über Personen
und Gegenstände.

== Grundlagen ==

Art. 94 (3) SDÜ will Personen mit folgenden Merkmalen speichern:
== Übersicht über alle Rechtsakte zu Schengen ==

 * [[http://europa.eu/legislation_summaries/justice_freedom_security/free_movement_of_persons_asylum_immigration/l14544_de.htm| europa.eu: Rechtsakte zu SIS und SIS II]]

== SDÜ ==

Vor dem [[Lissabon-Vertrag]] war die Rechtsgrundlage von SIS <<Doclink(SDUe-KapIV.pdf,Kapitel IV des Schengener-Durchführungsabkommens)>>
(SDÜ, engl. Convention
Implementing the Schengen Agreement, CISA; [[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32006R1987:DE:NOT|SDÜ komplett]]) sowie seine nationalen
Umsetzungsgesetze.

De facto regelt das SDÜ auch 2011 noch den Betrieb von SIS. Die
Lissabon-kompatiblen Nachfolgegesetze beziehen sich alle auf SIS II, und das
ist noch nicht fertig.

Eine Ausweitung der SIS-Kompetenzen wurde durch
<<Doclink(2002-spanischeIni.pdf,Spanische Initiative)>> (2002) geregelt.

== Nationale Umsetzung des SDÜ ==

 * [[http://www.gesetze-im-internet.de/sisiig/BJNR122600009.html|SIS-II-Gesetz]] (html)
 * [[http://www.gesetze-im-internet.de/sch_bkd_bkg/BJNR101020993.html|Gesetz zu dem Schengener Übereinkommen vom 19. Juni 1990]] (html)


== SIRENE-Handbuch ==

Die verantwortlichen nationalen Stellen heißen [[SIRENE]]n. Ihre
Zusammenarbeit wird in Form des zwischenstaatlich ausgehandelten
<<Doclink(2003-SIRENE-Handbuch.pdf,SIRENE-Handbuchs)>> geregelt; es ist
quasi ein Protokoll zum SDÜ.

= Technische Struktur =

Physisch existiert eine zentrale Datenbank C-SIS in Straßburg. Artikel 92 [[#SDÜ|SDÜ]] sieht vor, dass Spiegel davon jeweils bei den nationaln Stellen vorgehalten werden ("N-SIS").
C-SIS hat (Artikel 92 SDÜ) neben der Funktion als Synchronisationsserver noch die Aufgabe, gelöschte Daten für ein Jahr weiter zu speichern, um eine datenschutzrechtliche Prüfung nach Artikel 113 SDÜ zu erlauben.

Jeder Schengen-Staat unterhält ein [[SIRENE]]-Büro (in der BRD ist das das [[BKA]]), das die für Kommunikation mit SIS verantwortlich ist und wohl und den nationalen Spiegel N-SIS unterhält. Lokale Polizeibehörden fragen SIS-Daten über den nationalen Spiegel N-SIS beim [[BKA]] ab. Einspeicherungen geschehen mit Unterstützung des BKAs.

Die Datenbank [[SIS II]] soll über das private [[sTesta]] Netzwerk der [[EU]] angebunden werden. 2006 wurde die EDV-Infrastruktur mit Blick auf SIS II für 27 Millionen aktualisiert (vgl [[http://web.archive.org/web/20050106150903/http://archiv.vol.at/tmh/zr/national/newswelt/APS_News_Welt-149317.shtm|Newswelt]]).


= Inhalt von SIS =

Die SIS Datenbank enthält vor allem Daten über Einreiseversuche von Menschen, die nicht aus der [[EU]] kommen. Zudem gibt es Fahndungs- und Ausschreibungsdaten von Personen und Gegenständen.

== Errichtungsanordnung ==

Nach Artikel 94 (3) [[#SDÜ|SDÜ]] werden folgende Personendaten gespeichert:
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 * PHW bewaffnet/gewalttätig,  * [[PHW]] bewaffnet/gewalttätig,
Zeile 80: Zeile 70:
Die spanische Ini fügt dem noch die Art der strafbaren Handlung hinzu,
sowie bei 95er und 99er-Ausschreibungen, ob der/die Gesuchte aus der Haft entflohen ist.

Manche SIS-Leute weisen beim Thema Datenschutz darauf hin, dass bisher weder
Ethnie, politische Überzeugungen, Gesundheitsprobleme noch sexuelle
Orientierung gespeichert werden.

Insgesamt ist das Datenmaterial überschaubar; angesichts der drakonischen
Wirkungen einer Ausschreibung (etwa: Einreiseverweigerung, verdeckte
Registrierung) kommts darauf aber auch schon fast nicht mehr
an (eher im Gegenteil: Wenn die prüfende Stelle nur sieht, ''dass'' eine
Ausschreibung vorliegt, weiß sie nicht, ob die Ausschreibung wegen
Polizistenmord oder politischer Demo vorgenommen wurde...).

Die Daten sollten mal aus nationalen Datenbanken kommen, mittlerweile wird aber
angeblich auch mal direkt und ausschließlich in SIS gespeichert. Die
SIS-Bestimmungen erfordern allerdings, dass, wer oder was immer in SIS zur
Fahndung ausgeschrieben ist, in mindestens einem Schengenstaat zur Fahndung
ausgeschrieben sein muss. Dennoch wird oft kritisiert, dass bei SIS-Einträgen
aus anderen Staaten die Grundlage des Eintrags nicht reproduzierbar ist.


== Kategorien ==

Die SDÜ kennt etliche Gründe für Ausschreibungen. Je nach Grund sind die
Regelungen leicht verschieden.

Grundsätzlich darf immer nur eine Ausschreibung aus einem Staat "aktiv" sein.
Versuchen mehrere Staaten, die gleiche Person auszuschreiben, evtl. noch
nach verschiedenen Artikeln, gibt es komplizierte Vereinbarkeitsregeln
(vgl. SIRENE-Handbuch, Abschnitt 4.3).

=== Art.95 ===

Ausschreibung zur Festnahme. Müssen gerichtlich angeordnet werden,
und die Gerichte müssen nach SDÜ prüfen, ob die Festnahme *in Zielländern* legal wäre (erhebet die Herzen).

Bei der Ausschreibung werden an die Sirenen nähere Infos
zur Tat übertragen ("Beschreibung der
Umstände", "Art der Täterschaft",
Die [[#Spanischen Initiative|Spanische Initiative]] weitete die
strafbaren Handlungen aus, die zu SIS-Ausschreibungen führen können,
aus. Bei Ausschreibungen nach Artikel 95 (Festnahme) und 99
(polizeiliche Beoabchtung) [[#SDÜ|SDÜ]] soll weiter ein Flag zeigen,
ob der/die Gesuchte aus der Haft entflohen ist.

In <<Ratsdokument(5635/1/12)>> (2012) beklagt sich die tschechise
Delegation allerdings, dass speziell die PHW nicht sehr konsistent
gesetzt sind.

== Auschreibungsarten nach SDÜ ==

=== Artikel 95 (Festnahme) ===

Ausschreibung zur Festnahme müssen gerichtlich angeordnet werden und die Gerichte müssen nach Artikel 95 [[#SDÜ|SDÜ]] prüfen, ob die Festnahme in den Zielländern legal wäre.

Bei der 95er Ausschreibung werden an die [[SIRENE|SIRENEN]] nähere Infos zur Tat übertragen ("Beschreibung der Umstände", "Art der Täterschaft",
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95er Ausschreibungen können von den Einzelstaaten bis zu eine Woche "geprüft"
werden, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen; ansonsten muss begründet
werden, warum nicht festgenommen wird, außer es ist ihr eigener Staatsbürger
(Art 95 (6) SDÜ). Als Gründe kommen insbesondere auch Opportunitätswerwägungen
in Frage. Es wäre interessant, herauszukriegen, ob das schon mal passiert ist.
Art 95 (5) sieht übrigens vor, dass, wenn die Festnahme rechtswidrig ist,
zumindest der Aufenthalt des Betroffenen ermittelt werden muss.

Abschnitt 4.1.1 des [[SIRENE]]-Handbuchs erläutert das etwas konkreter. Für
diese Fallgruppe soll ''bei der Ausschreibung'' eine "Rechtliche Würdigung"
und eine "Beschreibung des Sachverhalts" incl. seiner "Folgen" mitgeliefert
werden, um eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ausschreibung zu
ermöglichen (d.h. diese Daten werden nicht gespeichert, sondern nur von den
SIRENE-Leuten daraufhin geprüft, ob sie was gegen die Ausschreibung einzuwenden
haben). Dabei soll das nicht zu ausführlich sein, damit das Netz nicht zu sehr belastet wird.

Weiter SIRENE-Handbuch: Widerspricht ein Staat der Ausschreibung, kann diese entweder ganz unterbleiben, oder der ausschreibende Staat schreibt aus und der widersprechende Staat kennzeichnet den Datensatz als bei ihm nicht gültig.

=== Art. 96 ===

Ausschreibung zur Einreiseverweigerung, vorgenommen durch Gerichte oder
Verwaltungsbehörden gemäß nationalem Recht. Hier geht es nur um
EU-AusländerInnen.

Wer ausgeschrieben ist, darf nicht einreisen oder ein Visum bekommen. Ist
er/sie schon in Schengenland, dürfen sie keine Aufenthaltsgenehmigungen
bekommen und müssen abgeschoben werden. Hier sind allerdings Fälle bekannt,
in denen nationale Behörden SIS-Ausschreibungen angefochten haben, insbesondere,
wenn die Betroffenen schon im Inland waren. Sowas geht aber nur aus
"gewichtigen Gründen" in Absprache mit dem ausschreibenden Staat.

96er-Ausschreibungen können auf nationales Recht gegründet werden, insbesondere
aber auch (Art 96 (2)) auf den Verdacht, jemand habe schwere Straftaten (i.S.v.
bedroht durch mehr als 1 Jahr Haft) begangen oder würde sowas planen; auch
Ausweisung oder Abschiebung wg. Verletzung von Einreise- und
Aufenthaltsbestimmungen gelten (Art. 96 (3)).

Während andere Ausschreibungskategorien in der Regel darauf zielen, dass der
ausschreibende Staat benachrichtigt wird (und diese Meldung auch verpflichtend
ist), müssen Matches bei 96er-Ausschreibungen dem ausschreibenden Staat nicht
gemeldet werden (d.h., mit der Einreiseverweigerung ist der Fall regelmäßig
erledigt).

In der [[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:92002E3309:DE:HTML|Parlamentsanfrage E-3309/02]] (21.11.2002) sorgt sich der griechische Abgeordnete Stavros
Xarchakos nach Fankrawallen zwischen, klar, Griechen und Türken, wie er
die Türken schneiden kann. Die Kommission empfiehlt 96er-Ausschreibungen.

Das VG München hat in der Entscheidung M 21 k 05.2136 vom 19.12.2006
festgehalten, dass auch nach einer Abschiebung eine Einzelfallprüfung erfolgen
muss und nicht automatisch eine 96er-Ausschreibung erfolgen darf.

Ein belgisches Urteil (2006-12-07, Cour d'Appel de Bruxelles, 2006/KR/223)
sagt, dass zumindest die dortigen Behörden nicht einfach nur aufgrund einer
96er-Ausschreibung die Einreise verwehren dürfen, sondern sie in jedem
Einzelfall die Gründe für die Ausschreibung prüfen müssen. Eine Umsetzung
dieses Urteils dürfte für die [[SIRENE]]n viel Spaß bringen -- oder,
wahrscheinlicher, zur Einbindung von Fallakten in SIS.


=== Art. 97 ===
VG München 19.12.2006, M 21 k 05.2136
Ausschreibung zum vorläufigen
Gewahrsam ("eigener Schutz oder
Gefahrenabwehr"). Diese Ausschreibungen werden durch Gerichte oder
"zuständige Behörden" (in der BRD die Polizeien?) vorgenommen.
Aus der SDÜ:. "Bei volljährigen
Vermissten bedarf die Mitteilung der
Einwilligung des Betroffenen."

Hier wären weitere Recherchen nicht schlecht: Sind das im Wesentlichen
davongelaufene Kids oder haben wir Fälle, wo das im Politbereich genutzt wurde?

97er-Ausschreibungen können von Einzelstaaten nach Art. 94 in ihren N-SIS als
unwirksam markiert werden.

=== Art. 98 ===

Ausschreibung von Menschen, die vor
Gericht erscheinen müssen (Zeugen,
Angeklagte) oder die einfahren sollen.
Die Ausschreibungen werden vo "competent judicial authorities" vorgenommen,
vermutlich also nicht direkt von der Polizei, möglicherweise aber von StAen.

=== Art. 99 ===

Ausschreibung zur verdeckte Registrierung oder gezielten Kontrolle von Personen,
Fahrzeugen (die spanische Ini fügt dem Container hinzu),
nach nationalem Recht (i.e., in der BRD durch die Polizei). In der BRD gibt
es keine allgemeine Rechtsgrundlage für die gezielte Kontrolle; daher werden
Ausschreibungen für diese im N-SIS in verdeckte Kontrollen umgewandelt.

Technisch sieht das so aus, dass Polizeien überall in der AFSL Ausgeschriebene
anhalten und Daten melden, insbesondere.(Art. 99 (4)) Ort, Zeit, Reiseweg und
-ziel, Begleitpersonen (Insassen!), Fahrzeug, mitgeführte Sachen (!),
weitere Umstände [also "wozu ihr gerade Lust habt"].

Bei verdeckter Registrierung sollen die Opfer
nichts davon merken (d.h., mit Durchsuchungen muss vorsichtig umgegangen
werden), bei gezielter Kontrolle muss durchsucht werden, wenn das nach
nationalem Recht ok ist (Art 99(5)).

99 (3) sieht diese vor bei Planung von "außergewöhnlich schweren" Straftaten"
oder ungünstiger Gesamtbeurteilung oder Bedenken der Staatssicherheitsorgane.

Auch 99er Ausschreibungen dürfen nach Art. 94 in einzelnen N-SIS mit Begründung ausgesetzt
oder als unwirksam markiert werden; auch hier ist uns nicht bekannt, ob das
schon mal passiert ist.

Art. 109 SDÜ schreibt vor, dass die Opfer nicht über die Ausschreibung
werden ''dürfen''.

Die Prozedur zur Ausschreibung nach 99 läuft über die Staatssicherheitsbehörden
der Einzelstaaten; die [[SIRENE]]n erfahren erst am Schluss, dass sie den
Kram eingeben sollen. Im Groben wabert hier der Nebel von Geheimdiensten.

Abschnitt 4.1.2 des SIRENE-Handbuchs sagt: "Dieser sehr sensible Bereich
erfordert ein besonderes Verfahren, um die Vertraulichkeit bestimmter
Informationen zu gewährleisten." -- also nicht etwa, weil
Gesinnungsschnüffelei demokratietheoretisch kitzlig ist. Drum kommunizieren
die jeweiligen Staatssicherheitsbehörden in diesen Fällen direkt, die
Sirenen bekommen am Ende nur das Ergebnis (d.h. Ausschreibung ja oder nein).

Für die BRD dürfte das recht Banane sein, weil die Staatssicherheit
aus polizeilicher Sicht vermutlich auch das BKA und nicht etwa der VS ist.


=== Art. 100 ===

Sachen zur Sicherstellung oder
Beweissicherung, z.B. Kfz incl.
Anhänger, Feuerwaffen, Identitätspapiere
incl. Blankos, Banknoten (span Ini: Kreditkarten, Wertpapiere); Aufzählung in
100 (3).


=== Sonstiges ===

[[http://gipfelsoli.org/Repression/Strasbourg_Baden-Baden_2009/7219.html|Ein Memorandum der Kommission von 2009]]
schlägt etwa eine Erweiterung der Regeln vor, um
"violent troublemakers" (d.h. auffällig gewordenen Politaktivistas) in größerem
Umfang speichern zu können.


= Datenschutz =

Ein grundsätzlicher Webfehler an SIS ist Artikel 105, nach dem die
datenschutzrechtliche Verantwortung beim speichernden Staat, d.h. insbesondere
Änderung oder Löschung von Daten nur durch Herkunftsstaat erfolgen kann und
dieser auch Einspruch bei Aukunft hat. Das bedeutet, dass nationale Polizeien
nach Daten handeln, über die sie keine Auskunft geben dürfen.

Art. 102 verbietet zwar das Kopieren ausländischer Daten in nationale
Datenbanken und sieht (nach nationalem Recht) Zweckbindung vor, erlaubt dann
aber doch eine Umkategorisierung ''bestehender'' Daten (im Gegensatz zur
ebenfalls Möglichen Neuausschreibung, die nach komplizierten Regeln
bestehende Ausschreibungen überschreiben könnte), und zwar wegen
Staatssicherheit oder einer Straftat von "erheblicher Bedeutung". Hindernis
ist da nicht der Datenschutz, sondern allenfalls Bedenken der ausschreibenden
Behörde. In [[http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/13/083/1308385.pdf|BRD 13/8385]] (1995)
spricht die Bundesregierung im Zusammenhang mit der schon damals bestehenden
Praxis, SIS-Ausschreibungen in das KAN des BKA zu übernehmen, von
"Weltrechtsprinzip".

Eine datenschutzrechliche "Kontrolle" soll durch eine gemeinsame Kommission ("Joint Supervisory Body", JSB; Art. 114) aus
Datenschutzbehörden der Mitgliedsstaaten erfolgen. [[http://www.bfdi.bund.de/cln_111/DE/Oeffentlichkeitsarbeit/Taetigkeitsberichte/Functions/TB_Schengen_table.html|Deren Berichte]] waren
bisher immer ausgesprochen inhaltsleer.

Tatsächlich wird etwa nur ein kleiner Teil der Streitfälle um
96er-Ausschreibungen vom JSB wahrgenommen
([[http://www.datenschmutz.de/li/docs/2008-brouwer-mun.pdf|Brouwer 2008]], S. 14)

== Auskunft ==

Geregelt in Artikel 109: Maßgeblich ist das Recht des Staates, in dem das
Auskunftsrecht beansprucht wird (d.h., wenn ein Staat Gebühren für eine
Auskunft erhebt oder Gründe verlangt, kann mensch auch beim BKA nachfragen).
Bezüglich der Daten hilft das aber nicht, weil die einstellenden Staaten
einer Auskunft zustimmen müssen (und dafür keine Gründe angeben müssen). Ausschreibungen zur verdeckten Registrierung werden nie zugegeben.

Auskunftsersuchen sind an ein nationales Sirene-Büro zu richten, wobei auch welche von Drittstaaten in Betracht kommen. Art. 114 erlaubt auch Anfragen an die Nationale Kontrollinstanz (in der BRD den BfD); da die aber ohnehin überlastet sind und jedenfalls deutlich netter als die Jungs von Sirene, sollte mensch aber eher davon absehen.

Nähere Regelungen dazu sind im SIRENE-Handbuch, 4.10. Auch hier bleiben die
Dinge vage; die angefragte SIRENE guckt, ob was matcht, und wenn, ersucht sie
die ausschreibenden SIRENEN um "Standpunkte". Dazu gibts Verweise auf
nationales Recht. Was passiert, wenn der "Standpunkt" mit nationalem Recht
nicht vereinbar sein sollte, bleibt offen (aber trotzdem muss niemand
raten).

Warum es so doof ist, dass nationale Stellen am Schluss "verantwortlich" bleiben, illustriert gut [[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:92001E2364:DE:HTML|die schriftliche Anfrage P-2364/01]] von Marco Cappato an den Rat (3.8.2001) zur Rolle von SIS bei der Repression anlässlich der Gipfel in Göteborg und Genua. In der Antwort schreibt der Rat, er könne zur Nutzung von SIS nichts sagen, da das Sache der schwedischen und italienischen Behörden sei.

== Speicherfristen ==

Artikel 112: Aussonderungsprüffristen in SIS: 3 Jahre für Artikel
96-Daten, 1 Jahr für Artikel 99-Daten, nationales Recht könnte das weiter verkürzen.

Die Speicherfristen sind derzeit weitgehend Makulatur, weil Ausschreibungen
offenbar in aller Regel summarisch verlängert werden
([[http://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/lfd/tb/2004/tb-2.htm#t2_1_2|Der LfD BaWue dazu]], 2004). Entsprechend ist für SIS II eine massive Ausweitung
geplant. Auch im 99er-Bereich ist Verlängerungen an der Tagesordnung. Von 376
Ausschreibungen aus Bawü 2006 [[http://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/lfd/tb/2006/tb-2.htm|fand der LfD]] 62, die länger als zwei Jahre in SIS gewesen
waren.

Die Fristüberwachung ist der Job von C-SIS, die offenbar regelmäßig Listen mit
zu prüfenden Datensätzen an die SIRENE-Büros der ausschreibenden Staaten
schickt. Es ist in diesem Prozess vermutlich einfacher, Kram weiter speichern
zu lassen als ihn zu löschen.

Artikel 113: Für Sachen normalerweise 10 Jahre Aussonderungsprüffrist, für
Identitätspapiere und Geld 5 Jahre, für Kfz, Schiffe, Container usf. 3 Jahre.

C-SIS kann Datensätze noch ein wenig länger speichern, etwa zu Prüfzwecken; sie werden dann aber nicht mehr an die N-SIS übertragen. C-SIS muss die Daten spätestens ein Jahr nach der Löschung der Ausschreibung löschen.

== Zugriff ==

Laut Art. 101 haben Zugriff auf SIS-Daten

 * Grenzkontrollen,
 * Polizei,
 * Zoll
 * für 96er-Daten nationale Pass- und Ausländerbehörden.

Der Zugriff erfolgt jeweils auf die Bestände des zuständigen N-SIS.

Laut 101 (4) sollen die Mitgliedsstaaten eine Liste der berechtigten Behörden
beim "Exekutivausschuss" (das ist heute wohl der Rat) eine Liste der im
jeweiligen Staat zugriffsberechtigten Behörden (samt der für sie
"freigeschalteten" Tatbestände) einreichen. Kommt man da irgendwie dran?

Ursprünglich sollte jede 10. Abfrage geloggt werden und für sechs Monate
gespeichert werden. Die spanische Ini lässt jetzt als Billigmaßnahme für
den Datenschutz (und weil offenbar der JSB eh nichts tut) alles loggen
und die Logs für 12 Monate aufheben.

Mit der spanischen Ini bekommt auch Europol Direktzugriff auf Daten nach 95, 99
und 100; Europol protokolliert selbst, darf aber kein N-SIS, also keinen
Spiegel machen. Weiterleitung von SIS-Daten kommt nur mit Genehmigung des
ausschreibenden Staates in Frage.

Die spanische Ini erlaubt weiter nationalen Eurojust-Behörden
die Recherche von 95er- und 98er-Daten in ihren N-SIS.

Der Zugriff der nationalen Zulassungsstellen auf Kfz-Daten war [[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2005:0250:FIN:EN:PDF|in der Diskussion]]. Ob der Kram so Praxis ist, dürfen Leute rauskriegen, die Auto fahren...


== Berichtigung ==

Art. 111 SDÜ erlaubt, in beliebigen Mitgliedsstaaten auf Löschung oder
Korrektur in SIS gespeicherter Daten zu klagen; es ist Aufgabe einzelner
Mitgliedstaaten, zu benennen, wer das ist. Wenn so ein Gericht feststellen
sollte, dass eine Speicherung in SIS rechtswidrig war, muss der Staat, in
dem das Gericht steht, versuchen, den speichernden Staat zur Löschung zu
bewegen. Sowas ist wirklich mal passert, etwa im Fall Van Straaten
gegen die Niederlande, der vom Europäischen Gerichtshof endete; Italien musste
daraufhin eine von einem niederländischen Gericht verhängte Löschung
durchführen.
95er Ausschreibungen können von den Einzelstaaten bis zu eine Woche "geprüft" werden, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen. Die Zweifel an der Rechtsmäßigkeit müssen begründet werden, außer es ist ihr eigener Staatsbürger. Als Gründe kommen insbesondere auch Opportunitätswerwägungen
in Frage. Der Aufenthalt des Betroffenen muss auch bei rechtswidriger Ausschreibung weitergegeben werden.



==== Vorgehensweise nach dem SIRENE-Handbuch ====

Das [[#SIRENE-Handbuch|SIRENE-Handbuch]] erläutert das Vorgehen bei 96er Ausschreibungen etwas konkreter. Für diese Fallgruppe soll ''bei der Ausschreibung'' eine "Rechtliche Würdigung" und eine "Beschreibung des Sachverhalts" inklusiv seiner "Folgen" mitgeliefert
werden, um eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ausschreibung zu ermöglichen (d.h. diese Daten werden nicht gespeichert, sondern nur von den
[[SIRENE]]-Leuten daraufhin geprüft, ob sie rechtliche Einwände gegen die Ausschreibung haben).

Weiter steht im SIRENE-Handbuch, dass der widersprechende Staat eine Ausschreibung entweder in seinem nationalen Spiegel (N-SIS) unterlassen kann oder den Datensatz in seinem Spiegel als nicht gültig kennzeichen kann.

=== Artikel 96 (Einreiseverweigerung) ===

Ausschreibung zur Einreiseverweigerung werden durch Gerichte oder Verwaltungsbehörden gemäß nationalem Recht vorgenommen bei Nicht EU-BürgerInnen vorgenommen. Sie werden bei versuchter (illegaler) Einreise oder beim abgeschobenen Straffälligen vorgenommen. Zudem kann die Einreise verweigert werden, wenn angenommen wird, dass die Person schwere Straftaten begehen würde. Hält die Person sich schon in Schengenstaat auf, darf sie keine Aufenthaltsgenehmigungen bekommen und muss abgeschoben werden.

Hier sind allerdings Fälle bekannt, in denen nationale Behörden SIS-Ausschreibungen angefochten haben, insbesondere, wenn die Betroffenen sich schon in dem anfechtenden Staat aufhielten.

Wenn Einreiseversuche von einem Schengenstaat bei 96er Ausschreibungen festgestellt wurden muss im Gegensatz zu anderen Ausschreibungen, nicht an das ausschreibende Land benachrichtigt werden.


==== Gerichtsurteile zu 96er Ausschreibungen ====

Das VG München hat in der Entscheidung M 21 k 05.2136 vom 19.12.2006 festgehalten, dass auch nach einer Abschiebung eine Einzelfallprüfung erfolgen muss und nicht automatisch eine 96er-Ausschreibung erfolgen darf.

Ein belgisches Urteil (2006-12-07, Cour d'Appel de Bruxelles, 2006/KR/223) sagt, dass zumindest die dortigen Behörden nicht einfach nur aufgrund einer 96er-Ausschreibung die Einreise verwehren dürfen, sondern sie in jedem Einzelfall die Gründe für die Ausschreibung prüfen üssen.

==== Erfahrungen der LfDIs mit Einreiseverweigerungen ====

Der hessische [[LfDI]] berichtet in seinem [[http://www.datenschutz.hessen.de/download.php?download_ID=180&download_now=1|37. TB LfD Hessen]], die Behörden hätten Personen nach Artikel 96 SDÜ ausgeschrieben, weil sie sie zum Verlassen der BRD aufgefordert und dann aus den Augen verloren hätten. Desweitern berichtet er von einer Prüfung der 96er-Ausschreibungen aus dem Kreis Bergstraße. Danach waren im Jahre 2008 fünf von 25 mindestens ein Mal verlängerten worden und hatten noch nicht mal die Ausschreibungsvoraussetzungen erfüllt. In 13 Fällen war nicht ersichtlich, dass irgendeine Prüfung zur Löschung vorgenommen worden wäre. In nur zwei Fällen wurde ordnungsgemäße Prüfung und dann auch eine Löschung verfügt.

Im <<Doclink(2004-LfDBaWue-TB25.pdf,25. TB des LfD BaWü)>> wird von einer Untersuchung von 96er-Ausschreibungen aus Ba``Wü berichtet. Ungefähr alles dabei war
falsch und verletzte elementare datenschutzrechtliche Bestimmungen. Die Ausschreibungen in SIS hatten teilweise überhaupt keine Grundlage, da die
Betroffenen weder ausgewiesen noch abgeschoben worden waren. In diesem Fall hatten die Behörden aber ein Einsehen, als sie merkten, was sie getan hatten und löschten die betreffenden r immerhin nicht in die DV-Anlagen gelangten, soweit
das zu erkennen ist).Einträge umgehend. Dazu wurden mit den Anforderungen zur Ausschreibung regelmäßig auch Bescheide mit hochvertraulichen Daten übersandt.



=== Art. 97 (Vermisste) ===

Ausschreibung zum vorläufigen Gewahrsam zum eigenen Schutz oder zur Gefahrenabwehr. Diese Ausschreibungen werden durch nationalen Gerichte oder
Behörden (Psychatrie) verfügt. Bei 97er-Ausschreibungen können von Einzelstaaten nach Art. 94 in ihren nationalen Spiegeln (N-SIS) als unwirksam markiert werden.

=== Art. 98 (Vorladung) ===

Ausschreibung von Menschen, die vor Gericht erscheinen müssen (Zeugen, Angeklagte). Die Ausschreibungen werden von [[Staatsanwaltschaften]] vorgenommen.


=== Art. 99 (polizeiliche Beobachtung) ===

Ausschreibung zur verdeckten oder offenen Beobachtung von Personen und Fahrzeugen. Dieses muss nach der [[#Spanischen Initiative|Spanischen Initiative]] nach nationalen Recht erfolgen.
Da es in der BRD keine länderübergreifende
Rechtsgrundlage für eine offene Beobachtung gibt werden alle Ausschreibungen nach Artikel 99 [[#SDÜ|SDÜ]] im nationalen Spiegel N-SIS in verdeckte Beobachtung umgewandelt.

Praktisch werden bei den 99er Ausschreibungen bei Kontrollen, der Ort, die Zeit, der Reiseweg und Ziel, die Begleitpersonen, das Fahrzeug und mitgeführte Sachen an den ausschreibenden Staat gemeldet werden.

99er Ausschreibungen dürfen nur bei Planung von "außergewöhnlich schweren" Straftaten" oder ungünstiger Gesamtbeurteilung oder Bedenken der Staatssicherheitsorgane erfolgen. Auch 99er Ausschreibungen dürfen nach Artikel 94 [[#SDÜ|SDÜ]] in einzelnen nationalen Spiegeln (N-SIS) mit Begründung ausgesetzt oder als unwirksam markiert werden.

Nationale Rechtsgrundlage für solche Ausschreibungen ist im Strafverfahren
§163e StPO (mit etwas geringeren rechtlichen Hürden) oder, für Menschen, gegen
die es zum Strafverfahren nicht reicht ("StPO-Unschuldige") diverse
Regelungen zur präventiven Ausschreibung zur Beobachtung (z.B. §17 HSOG in Hessen; §25 PolG in Baden-Württemberg, etc). Letztere setzen idR eine Prognose von "Straftaten von erheblicher Bedeutung" voraus. Diese kann auch allein aus "Tatsachen" abgeleitet sein, es muss also keine Verurteilungen gegeben haben.

==== Empfehlungen der Ratspräsidentschaft zu 99er Ausschreibungen ====

Die [[EU]]-Ratspräsidentschaft hat im Jahr 2009 im [[http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/09/st07/st07557.en09.pdf|Ratsdokument 7557/09]] einen großzügigen Umgang mit 99er-Ausschreibungen propagiert:

{{{#!blockquote
As the Best Practice, it is recognized that use of an Article 99 alert should always be one of the measures considered when dealing with serious crimes and/or threats to public order or as a supportive measure when dealing with searches for dangerous criminals.
}}}

==== Erfahrungen der LfDIs mit 99er Ausschreibungen ====

Wie 99er-Ausschreibungen in der Praxis aussehen, zeigt der <<Doclink(2007-LfDBaWue-Bericht28.pdf,28. Tätigkeits des LfD BaWü)>>. Der LfDI hat zunächst die Ausschreibungen von 2006 geprüft und 376 99er-Ausschreibungen aus Ba``Wü in SIS gefunden. Die 67 Fälle, bei denen Leute bereits länger als zwei Jahre ausgeschrieben waren, kamen alle aus dem [[Staatsschutz]]-Bereich ([[Staatsschutz]] aus [[Datenbanken Baden-Württemberg|BaWü]] insgesamt 118). Die Prüfung des LfDI ergab, dass z.B. widerrechtlich Kontaktpersonen ausgeschrieben waren und blind verlängert wurde. Nach der Prüfung waren noch 249 Personen in SIS, über die Hälfte der [[Staatsschutz]]-Fälle (nämlich 67) mussten gelöscht werden. Dabei wurden einige Löschungen verzögert, weil das LKA auf [[SIS II]] mit seinen niedrigeren Anforderungen hoffte. Daraus wurde bekanntermaßen nichts und so musste die Polizei doch noch nach Gesetz löschen. Übrig blieben 74 Ausschreibungen, davon waren 22 von Justizbehörden und ''keine'' mehr durch den [[Staatsschutz]].

Demgegenüber äußerte sich sein hessischer Kollege in seinem
<<Doclink(2011-LfDHessen-TB35,35. TB (2006))>>, S.30f, über allem zufrieden
mit den Ausschreibungen aus Hessen (von denen es zum Prüfzeitpunkt immerhin
noch insgesamt 55 gab).

==== Ausschreibungen zur verdeckten Registrierung durch das BfV, BND und MAD ====

Seit dem [[Schäuble-Katalog]] (Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz) von 2007 ist es nach [[http://www.gesetze-im-internet.de/bverfschg/__17.html|§ 17 BVerfSchG]] den [[Geheimdienste]]n des Bundes der BRD möglich Personen zur verdeckten Beobachtung in SIS auszuschreiben.

=== Art. 100 (Sachfahndung) ===

Ausschreibung von Gegenständen zur Sicherstellung oder Beweissicherung, wie z.B. Autos, Feuerwaffen, Identitätspapier und Banknoten.


= Datenschutz =


== Technische Datenschutzkontrolle durch JSA ==


Wie die meisten [[Datenbanken EU]] wird auch das SIS durch einen [[JSB|JSA]]
([[http://www.schengen-jsa.dataprotection.org/|offizielle Webseite]])
kontrolliert. Beim SIS ist die JSA für die technische Kontrolle zuständig
und soll auftretenden Anwendungs- und Auslegungsschwierigkeiten untersuchen. Außerdem hat die JSA nach eigener Darstellung die Aufgabe, Stellungnahmen abzugeben und die Rechtsprechung und Rechtsauslegung auf nationaler zu harmonisieren.

Ausweislich der relativ inhaltsleereren JSA-Berichte ist das allerdings eine große Behauptung. So kritisiert auch
<<Doclink(2008-brouwer-mun.pdf,Brouwer 2008)>> (S. 14) die vernachlässigbare
Rolle der JSA bei den verschiedenen Skandalen rund um SIS-basierte Einreiseverweigerungen.

Aus der BRD senden sowohl der [[BfDI]] als auch die [[LfDI]]s je einen Vertreter in den JSA.

== Inhaltliche Kontrolle durch die Nationalen Datenschutzbeauftragten ==

Im Durchführungsübereinkommen ist festgelegt, dass jede Vertragspartei eine nationalen [[Datenschutzbeauftragten]] mit der unabhängigen Kontrolle zu beauftragen hat. In der BRD ist das der [[BfDI]].

== Datenschutzkritik ==

Ein grundsätzlicher Webfehler an SIS ist Artikel 105 [[#SDÜ|SDÜ]], nach dem die datenschutzrechtliche Verantwortung beim speichernden Staat liegt. D.h. das die Änderung oder Löschung von Daten nur durch Herkunftsstaat erfolgen kann und dieser auch Einspruch bei einem [[AuskunftErsuchen]] hat. D.h., dass nationale Polizeien nach Daten handeln, über die sie keine [[RechtsLage/Auskunftsrecht|Auskunft]] geben dürfen.

Artikel 102 [[#SDÜ|SDÜ]] verbietet zwar das Kopieren ausländischer Daten in nationale Datenbanken und sieht (nach nationalem Recht) [[Zweckbindung]] vor, erlaubt aber eine Umkategorisierung ''bestehender'' Daten (im Gegensatz zur ebenfalls Möglichen Neuausschreibung, die nach komplizierten Regeln bestehende Ausschreibungen überschreiben könnte) und zwar bei [[Staatsschutz]]-Delikten oder Straftaten von "erheblicher Bedeutung".

Einige Sicherheitsangehörige weisen beim Thema Datenschutz darauf hin, dass bisher weder Ethnie, politische Überzeugungen, Gesundheitsprobleme noch sexuelle Orientierung gespeichert werden. Angesichts der drakonischen Wirkungen einer Ausschreibung durch Einreiseverweigerung oder verdeckte Registrierung ist dieses allerdings unerheblich. Eher im Gegenteil, denn wenn die prüfende Stelle sieht nur, dass eine Ausschreibung vorliegt, weiß sie nicht, ob die Ausschreibung wegen eines Polizistenmordes oder wegen einer Teilnahme an einer politischen Demonstration vorgenommen wurde.

Personen die in der SIS-Datenbank ausgeschrieben sind sollten eigentlich auch in den jeweiligen nationalen Datenbanken ausgeschrieben sein, mittlerweile wird aber auch direkt und ausschließlich in SIS gespeichert. Obwohl die SIS-Bestimmungen anderes vorsehen.

== Teilweise fehlende Rechtsgrundlage in Deutschland ==

Einer Stellung nahme von Hans-Hermann Schild, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Wiesbaden ([[http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a04/Anhoerungen/Anhoerung14/Stellungnahmen_SV/Stellungnahme_05.pdf|Ausschussdrucksache 17(4)367 E]]) ist dazu folgendes zu entnehmen:

{{{#!blockquote
Dabei fällt auf, dass bereits die Umsetzung des Schengener Informationssystems große Probleme bereitet hatte und das Bundeskriminalamt, das Nationale Schengener
Informationssystem (N-SIS) als Teil der beim BKA geführten Verbunddatei führte, obwohl dies der Gesetzgeber bis zum 18.06.2009 gerade nicht geregelt hatte. Bis heute
fehlen Regelungen zur Ausschreibung der Ausländerbehörden im N-SIS; führen diese doch die Polizeibehörden der Länder wohl immer noch in der Form der Amtshilfe aus, wobei
die Verantwortlichkeiten verschwimmen.
}}}

= Auskunft =

Geregelt wird das Auskunftsrecht nach Artikel 109 [[#SDÜ|SDÜ]] und [[http://www.gesetze-im-internet.de/sch_bkd_bkg/art_5.html|Artikel 5 SchÜbkDG]]. Maßgeblich für die Auskunft ist danach das Recht des Staates, in dem das [[RechtsLage/Auskunftsrecht|Auskunftsrecht]] beansprucht wird.Dieses ist bezüglich der Daten relativ nutzlos, weil die einstellenden Staaten einer Auskunft zustimmen müssen (und dafür keine Gründe angeben müssen) und Ausschreibungen zur verdeckten Beobachtung nie zugegeben werden.

[[AuskunftErsuchen]] sind an ein nationales [[SIRENE]]-Büro zu richten (d.h. in der BRD das [[BKA]]). Artikel 114 [[#SDÜ|SDÜ]] erlaubt auch Anfragen an die Nationale Kontrollinstanz (in der BRD der [[BfDI]];
da die aber ohnehin überlastet sind, sollte mensch aber eher davon absehen).

Nähere Regelungen dazu sind im <<Doclink(2003-SIRENE-Handbuch.pdf,SIRENE-Handbuch)>> beschrieben. Auch hier bleiben die Dinge jedoch vage. Die angefragte [[SIRENE]] überprüft ob es Datenspeicherungen gibt und falls ja erbittet sie die ausschreibenden [[SIRENE]] um "Standpunkte" dazu. Zudem gibt es Verweise auf das nationale Recht des fragenden Staates. Was passiert, wenn der "Standpunkt" mit nationalem Recht nicht vereinbar sein sollte, bleibt allerdings offen.

<<Ratsdokument(16807/14)>> berichtet über eine Umfrage unter den
Datenschutzbehörden zu Auskunftspraktiken
in den Mitgliedsstaaten. Aus ihm geht u.a. hervor, dass es 2010 und 2011 aus
dem ganzen Schengenraum nur 6072 Anfragen gab (es ist aber unklar, ob
Anfragen, die z.B. in der BRD über das BKA statt über den BfDI laufen,
mitgezählt sind), von denen 371 Löschersuchen
waren; eine Person ersuchte um "Korrektur" (die Details würden uns
interessieren...). 4161 Ersuchen wurden gewährt, davon 328
Löschersuchen -- die relativ große Rate erfolgreicher Löschersuchen darf
wohl getrost als Ermutigung gelten.

Bemerkenswert an der Übersicht ist auch, das 18 von 24 Antworten sagen,
dass die Auskünfte die Form einer "Zusammenfassung" haben, eine Praxis,
die auch national sehr ärgerlich ist -- natürlich sollte "Auskunft"
eigentlich genau das umfassen, was auch Polizist_innen sehen. Niemand
beauskunftet routinemäßig die tatsächliche Ausschreibung, was schon
etwas erschütternd ist.

Vgl. auch [[http://www.bfdi.bund.de/cln_136/DE/EuropaUndInternationales/PolZusarb/Artikel/LeitfadenAuskunftsrechtSIS.html;jsessionid=E7A4701BE17F5387F75DF4C386AD74A7?nn=408908|Leitfaden SIS Auskunftrecht vom BfDI]]


= Speicherfristen =

Artikel 112 [[#SDÜ|SDÜ]] sieht Aussonderungsprüffristen in SIS von drei Jahre für Ausschreibungen nach Artikel
96 (Einreiseverweigerung) und ein Jahr für Ausschreibungen nach Artikel 99 (polizeiliche Beobachtung) vor.

Die Speicherfristen sind derzeit weitgehend Makulatur, weil Ausschreibungen offenbar in aller Regel automatisch verlängert werden. Auch im 99er-Bereich ist Verlängerungen an der Tagesordnung. Von 376 Ausschreibungen aus Bawü im Jahre 2006 fand der LfDI 62, die länger als zwei Jahre in SIS gewesen waren.
([[http://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/lfd/tb/2004/tb-2.htm#t2_1_2_6|25. Tätigkeitsbericht des LfDI BaWü, 2.2.6]]).

Die Fristüberwachung ist Aufgabe der zentralen Stelle (C-SIS). Dieses sendet offenbar regelmäßig Listen mit zu prüfenden Datensätzen an die nationalen SIRENE-Büros der ausschreibenden Staaten. Dabei ist eine Löschung bedeutend aufwändiger als eine Weiterspeicherung, weswegen die Löschung meistens unterbleibt.

Die Löschpraxis von 2007 beschreibt der hessische LfDI in seinem [[http://www.datenschutz.hessen.de/download.php?download_ID=180&download_now=1|37. Tätigkeitsbericht]]. Dabei ging bei der ersten Prüfung ein Opt-out-Formular (die Behörde muss reagieren, damit gelöscht wird), bei der zweiten Prüfung ein Opt-in-Formular vom BKA an die ausschreibende Behörde. Entsprechend haben sich jede Menge unrechtmäßige Ausschreibungen.



= Zugriffsberechtigte =

Laut Artikel 101 [[#SDÜ|SDÜ]] haben Grenzkontrollbeamte, Polizei, Zoll und für 96er-Daten (Einreiseverbote) auch die nationale Pass- und Ausländerbehörden Zugriff auf die Daten. Die Abfrage erfolgt jeweils über die nationalen Spiegel N-SIS.

Laut Artikel 101 SDÜ sollen die Mitgliedsstaaten zudem eine Liste der
berechtigten Behörden beim "Exekutivausschuss" (das ist heute wohl der Rat)
eine Liste der im jeweiligen Staat zugriffsberechtigten Behörden (samt der für
sie "freigeschalteten" Tatbestände) einreichen. Diese Liste wird dann und wann
veröffentlicht. <<Doclink(2011-sis-comptetent-authorities.pdf,Die Liste von 2011)>> (Ratsdokument 7214/1/11)
sieht immer noch Ausweitungen des Kreises der Zugriffsberechtigten in vielen Ländern vor. Für die BRD werden dort angegeben (mit Fallgruppen nach SDÜ):

 * BKA (alle)
 * LKAen (alle außer Staatssicherheit)
 * Bundespolizei, -direktion (dito)
 * Parlamentspolizei (dito)
 * Zollkriminalamt, -fahndungsdienst (95, 98, 99 außer Stasi, 100)
 * Einwanderungsbehörden der Länder und des diplomatischen Dienstes (96, einige 100)
 * BA Asyl (96, einige 100)
 * Hauptzollämter (alle außer Stasi)
 * Kfz-Zulassungsbehörden, Flensburg (einige 100)
 * Generalbundesanwalt, Staatsanwaltschaften (95, 98)

Die Zusammenstellung ist auch ganz nützlich als Gruselkabinett, was es überall
so an furchtbar klingenden Behörden gibt.



Ursprünglich sollte jede 10. Abfrage geloggt werden und für sechs Monate gespeichert werden. Die Spanische Initiative (vgl. [[#SDÜ]]) sieht die Speicherung sämtlicher Abfragen für 12 Monate vor.

== Zugriff durch Europol ==

Mit der Spanische Initiative bekam auch [[Europol]] Direktzugriff auf Daten nach Artikel 95 (Fahndung), 99 (polizeiliche Beobachtung) und 100 (Sachfahndung) SDÜ. [[Europol]] protokolliert seine Zugriffe selber, darf aber keinen eigenen Spiegel betreiben.

= Zugriff auf KFZ-Daten per SIS =

Der Zugriff der nationalen Zulassungsstellen auf Kfz-Daten war eine Weile in der Diskussion und wurde mit der Verordnung 1160/2005 ab Anfang 2006 zugelassen (siehe [[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2005:0250:FIN:EN:PDF|eine Weile in der Diskussion]]).

Die Erfahrungen damit bis 2009 beschreibt [[http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/09/st17/st17432.de09.pdf|Ratsdokument 17432/09]]. Illustrativ für das Datenschutzverständnis der zuständigen Behörden ist Punkt 15 (S. 4) aus diesem Dokument:

{{{#!blockquote
 Darüber hinaus hatten einige Mitgliedstaaten (z.B. BE, DE) vor Inkrafttreten
 des Artikels 102a eine interne Lösung gefunden, um neu ausgestellte
 Zulassungsbescheinigungen im Hinblick auf SIS-Ausschreibungen durch die
 Behörden überprüfen zu lassen, die bereits Zugang zum SIS hatten. Dies könnte
 die Schwierigkeit erklären, einen wahrscheinlichen, auf die Anwendung des
 Artikels 102a zurückzuführenden Anstieg der Anzahl von Ausschreibungen und
 Treffern sichtbar zu machen.
}}}



= Berichtigung und Löschung der Daten =

Art. 111 [[#SDÜ|SDÜ]] erlaubt, in beliebigen Mitgliedsstaaten auf Löschung oder Korrektur in SIS gespeicherter Daten zu klagen. Es ist die Aufgabe der einzelner Mitgliedstaaten, zu benennen, wer das ist. Wenn so ein Gericht feststellen sollte, dass eine Speicherung in SIS rechtswidrig war, muss der Staat, in dem das Gericht steht, versuchen, den speichernden Staat zur Löschung zu
bewegen.
So etwas ist wirklich mal passert, etwa im Fall Van Straaten gegen die Niederlande, der vom Europäischen Gerichtshof endete. Italien musste
daraufhin eine von einem niederländischen Gericht verhängte Löschung durchführen.
Zeile 381: Zeile 325:
Ende 2001 speicherte SIS knapp 11 Millionen Falldaten.

In der [[http://dip.bundestag.de/btd/16/008/1600868.pdf|Bundestagsdrucksache 16/868]] berichtet die Regierung, SIS habe 2006 14.7 Millionen Einträge gehabt, davon 13.8 Millionen Sachen, 750000 Menschen, denen die Einreise verweigert wurde. Von diesen kamen 380000 aus Italien, 162000 aus der BRD.

In [[http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/108/1610816.pdf|BT-Durcksache 16/10816]],
berichtet die Bundesregierung, 2008 seien ca. 26 Millonen Fahndungen in
SIS gespeichert gewesen.

In der BRD wird die Zahl der SIS-fähigen Terminals 2006 auf 10500
geschätzt, 2005 wurden rund 70 Millionen SIS-Anfragen aus der BRD
getätigt.

2006 wurde die EDV-Infrastruktur mit Blick auf SIS II
[[http://web.archive.org/web/20050106150903/http://archiv.vol.at/tmh/zr/national/newswelt/APS_News_Welt-149317.shtm|für 157 ME]]
aktualisiert.

<<Anchor(raw99numbers)>>Im [[http://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/lfd/tb/2006/tb-2.htm#t2_1_1|27. TB (2008)]]
berichtet der LfD Bawü über Ausschreibungen zur verdeckten Registrierung
(Art. 99). Anfang 2006 waren von BRD-Behörden 1104 Personen so ausgeschrieben
worden. Die Verteilung nach Bundesländern war dabei aufschlussreich (vgl. auch [[#comment99lfd|Anmerkungen zu diesen Zahlen]]):
Ein zusammenfassender Überlick zu den Jahren 2007 bis 2009 findet sich im Anhang von [[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2010:0385:FIN:DE:HTML|52010DC0385]].

== Überblick ==

Stand 1.September 2016:
 * 818.217 Einträge zu Personen
 * 66.287.759 Einträge zu Sachen

Davon sind 74.444 Einträge zu Personeneinträge und 9.981.497 Einträge zu Sachen aufgrund deutscher Ausschreibung.
Quelle: [[http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/097/1809762.pdf|18/9569]]

== Nach Kategorien ==

Für 2011 gibt <<BtDS(17/7307)>> die Verteilung von in der BRD nicht
maskieren Personenausschreibungen ("NSIS-Personenfahndung") wie folgt:

|| 95 || 30387 ||
|| 96 || 701029 ||
|| 97 || 52011 ||
|| 98 || 88089 ||
|| 99 || 32257 ||

[[http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/11/st09/st09938.en11.pdf|Ratsdokument 9938/11]] hat eine Übersicht über die Verteilung erfolgreicher Anfragen ("hits") nach totalen Fallzahlen 1997-2010:

|| || Art 95 || Art 96 || Art 97 || Art 98 || Art 99 || Art 100/Autos || Art 100/Ausweise || Art 100/Waffen || Summe ||
|| Hits || 32 218 || 253 640 || 22 096 || 79 211 || 46 300 || 114 428 || 76 130 || 1 993 || 625 220 ||
|| Anteil || 5.15% || 40.56% || 3.53% || 12.66% || 7.4% || 18.30% || 12.17% || 0.31% || 100% ||


== Bericht der EU-Präsidentschaft 2011 ==

[[http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/11/st09/st09938.en11.pdf|Ratsdokument 9938/11]] enthält SIS-Statistiken für 2010.

Highlights daraus: 91351 SIS-Anfragen waren 2010 insgesamt erfolgreich, +7% gegenüber dem Vorjahr, +429% seit 1997; 35.7 Millionen Ausschreibungen insgesamt (+12.9% gegenüber Vorjahr).

Die Ausschreibungszahlen sind nach Fallgruppen:

|| Fallgruppe || #2009 || #2010 || Veränderung ||
|| 95 || 28666 || 31535 || +10% ||
|| 96 || 736868 || 716797 || -2.7% ||
|| 97 || 52319 || 50773 || -3% ||
|| 98 || 78869 || 82676 || +4.8% ||
|| 99 || 32824 || 36478 || +11.1% ||


== Ausschreibungen nach Art. 99 in der BRD ==

In seinem [[http://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/lfd/tb/2006/tb-2.htm#t2_1_1|27. Tätigkeitsbericht (2006), 2.1.1]] berichtet der LfD BaWü,
Anfang 2006 seien von BRD-Behörden 1104 Personen nach Art. 99 (damals noch
immer verdeckte Registrierung, da für die offene Kontrolle keine Rechtsgrundlage bestand). Für einzelne Bundesländer sah die Verteilung so aus:
Zeile 411: Zeile 385:
Anfang 2008 waren knapp 700000 96er-Ausschreibungen in SIS (Ratsdokument
5441/08), etwa 50000 weniger als Anfang 2007 (Ratsdokument 6178/07),
vermutlich, weil etliche der ausgeschriebenen im Rahmen der Erweiterungsrunden
EU-Bürger``Innen geworden sind.


CILIP 92 (1/2009), S. 83 hat eine aus den Ratsdokumenten 5239/06, 6178/07,
5441/08 und 5764/09 zusammengestellte Übersicht des Datenbestandes von SIS
publiziert:
Im <<Doclink(2011-LfDHessen-TB35,35. TB des LfD Hessen (2006))>>, S.30,
berichtet dieser von seiner Überprüfung der 99er-Ausschreibungen aus Hessen; er
fand nur noch 55 davon (ggü. den 67, die der LfD BaWü in der Tabelle oben
gibt). Er untersuchte 30 Fälle genauer. Von diesen waren 27 "präventiv", d.h.
gegen StPO-Unschuldige gerichtet (§17 HSOG), 3 gegen Verdächtige im Sinne der
StPO (§163e) gerichtet. Alle Ausschreibungen liefen für die Maximalfrist von einem Jahr, in immerhin zwei Fällen soll die unmittelbare Gefahrensituation über dieses eine Jahr hinaus vorgelegen haben. Der LfD erklärt sich mit der hessischen Praxis durchweg einverstanden.

== Anzahl Ausschreibungen für 2008 insgesamt ==

CILIP 92 (1/2009), S. 83 hat eine aus den Ratsdokumenten 5239/06, 6178/07, 5441/08 und 5764/09 zusammengestellte Übersicht des Datenbestandes von SIS publiziert:
Zeile 436: Zeile 411:

Ende 2009 [[http://praguemonitor.com/2009/09/02/police-detain-900-wanted-people-thanks-schengen-system|zitiert der Prague Daily Monitor]] einen Ticker der Tschechischen Nachrichtenagentur, nach dem Tschechien seit September 2007 (Tschechien ist seit 12/2007 Schengenland)
 * fast 2000000 Datensätze an SIS übermittelt hat (das scheint schwer glaublich -- wo sollen die überhaupt so viele Datensätze herhaben...?)
 * aufgrund von SIS-Matches 400 Vermisste, 1000 gestohlene Autos und 1800 verlorene "Dokumente" (vermutlich wohl Pässe u.ä.) "gefunden" hat (was etlichen der Vermissten wahrscheinlich nicht so recht war...)
 * aufgrund von SIS-Matches 900 Personen verhaftet hat.

== Anekdoten ==

Der Mun-Sekten-Mun wurde 1995 vom Grenzschutz in Koblenz nach Art. 96 wegen
Gefährdung der Jugend nach Art. 95 ausgeschrieben. Die Ausschreibung wurde
regelmäßig verlängert. Nach zwölf Jahren (2007) hatte Mun das Einreiseverbot
weggeklagt; er war dazu zwei Mal bis vors BVerfG
gegangen. Darauf brachte die BRD Frankreich dazu, ihn auszuschreiben. Das war
den Franzosen bei genauerer Überlegung wohl doch zu peinlich, und so haben sie
die Ausschreibung recht schnell wieder zurückgenommen.
[[http://www.datenschmutz.de/li/docs/2008-brouwer-mun.pdf|Die ganze Geschichte]] hat noch ein paar mehr Windungen.
Die Mun-Anwälte haben sich in dem Fall gern auf Religionsfreiheit berufen,
was einerseits doof ist, andererseits aber auch geschickt, weil sie so
Menschenrechte von EU-Bürger``Innen ins Spiel brachten statt "nur" der
von Koreaner``Innen. Das BVerfG hat aber am Ende aufgrund der absurden
Begründung der Ausschreibung entschieden.

<<Anchor(comment99)>>Der [[http://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/lfd/tb/2006/tb-2.htm#t2_1_1|LfD Bawü berichtet im 27. TB (2008)]]
von einer Überprüfung der SIS-Ausschreibungen des dortigen LKA (vgl. [[#raw99numbers|rohe Zahlen]]). Bei
einem Vergleich mit nationalen Ausschreibungen zur verdeckten Registrierung
ergab sich, dass Bawü 80% seiner 468 entsprechenden Ausschreibungen in INPOL
ins SIS gestellt hatte, Bayern aber nur 15% seiner überwältigenden 2208.
Der LfD hat ein wenig nachgesehen, woher die vielen Fälle aus Bawü kommen;
darunter waren 63 Personen, die eine Ermittlungsgruppe "Mobile Kinderbanden"
ausgeschrieben hat. Ansonsten gab es 62 Fälle, die bereits seit mehr als zwei
Jahren in SIS waren (also mindestens zwei Mal verlängert worden waren; eine
Ausschreibung war schon seit 2000 gelaufen). Alle diese Fälle kamen aus dem
"Staatsschutz"-Bereich, waren also politisch motiviert. Erwartungsgemäß hatte
die Polizei munter "Kontaktpersonen" ausgeschrieben oder sich noch nicht mal
die Mühe gemacht, irgendwelche Gefahren schwerer Straftaten
zusammenzufantasieren. Außerdem wurden einfach gleich mal alle namentlich
bekannten Funktionäre verschiedener Gruppen in SIS ausgeschrieben.


== Weitere Quellen ==
== Anzahl übermittelter Daten ==

Übersicht über die Zahl der Hits eigener Ausschreibungen ("Import") und von an ausschreibende Mitgliedsstaaten übermittelte Hits ("Export") zusammen mit der Zahl der Beschäftigten in den SIRENEn für 2008:

||'''Mitgliedsstaat'''||'''Hits Import 2008'''||'''Hits Export 2008'''||'''Leute bei SIRENE 2008'''||
||AUSTRIA||4641||3697||28||
||BELGIUM||1800||2792||43||
||DENMARK||379||285||25||
||FINLAND||252||335||32||
||FRANCE||4307||3498||20||
||GREECE||1711||1532||34||
||GERMANY||9091||10173||66||
||ITALY||14012||4426||39||
||ICELAND||6||7||11||
||LUXEMBURG||233||684||10||
||THE NETHERLANDS||2600||4099||70||
||NORWAY||422||233||14||
||PORTUGAL||863||1274||31||
||SWEDEN||674||644||10||
||SPAIN||6522||2252||39||
||CZECK REPUBLIC||2615||4072||19||
||HUNGARY||1133||2446||26||
||ESTONIA||189||228|| ||
||LATVIA||141||292||16||
||LITHUANIA||955||963||23||
||MALTA||0||0||18||
||POLAND||1725||9278||44||
||SLOVAKIA||4189||3327||17||
||SLOVENIA||249||6869||17||
||TOTAL||58709||63406||652||


== Personenausschreibungen von 2008 nach Ländern ==

||it||de||fr||hu||es||gr||cy||cz||at||pl||
||436000||130000||109085||70000||69875||53240||40175||28360||24370||22200||

Quelle: <<Doclink(2009-eurat-sisstat.pdf,Ratsdokument 5171/09)>>

= Technisches =

C.SIS (in Straßburg) läuft 2011 auf einer IBM pSeries mit AIX 5.3. Die
Software, gepflegt von Atos Origin, setzt auf IBM Websphere MQ 6 auf.

Die nationalen SISe bauen offenbar auch auf zentral von Atos
gepflegter Software auf -- wie weit das auf die nationale Seite geht, ist
nicht klar. Dabei nutzen verschiedene Staaten verschiedene Plattformen,
etwa (für 2011) AIX auf pSeries (z.B. Österreich, Finnland, Frankreich),
Red Hat Linux auf i386 (z.B Belgien), HP-UX auf PA-Risc (BRD, Niederlande),
HP-UX auf Itanium (z.B. Spanien), Solaris auf
Sparc (Italien)

= Anekdoten =

Umgezogen nach [[SIS#Skandale und Anekdoten]].

= Weitere Quellen =
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 * [[http://www.datenschmutz.de/li/docs/SpanischeIniParlament.pdf|Parlaments-Stellungnahme zur spanischen Initiative]] (lesenswert unter dem Aspekt "erhebet die Herzen")
 * [[http://www.datenschmutz.de/li/docs/2003-SIRENE-Handbuch.pdf|SIRENE-Handbuch]]
 *
http://de.wikipedia.org/wiki/Schengener_Informationssystem
 * http://
zone.noborder.org/x11/templ/artikel_det.php?itemid=15
 * http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/l33020.htm
 * http://www.no-racism.net/migration/sis_mehr_daten131003.htm

 * [[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:52008DC0502:DE:HTML|Bericht über Passdaten in SIS]] und Interpol. Lustige Zahlen und eine Umfrage, die zeigt, dass es die Gegenseite auch nicht immer leicht hat.
 * [[http://de.wikipedia.org/wiki/Schengener_Informationssystem|Wikipedia-Artikel zu SIS]]
 * [[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:52008DC0502:DE:HTML|EU Bericht]] über Passdaten in SIS und [[Interpol]] -- Lustige Zahlen und eine Umfrage, die zeigt, dass es die Gegenseite auch nicht immer leicht hat.

SIS hat eine lange Geschichte; auf dieser Seite sammeln wir die Informationen von SIS nach dem originalen Schengener Durchführungs-Übereinkommen (SDÜ). Das heutige SIS (ex SIS II), geregelt nach dem Lissabon-Vertrag, ist auf einer [[SIS|separaten Seite]] beschrieben. Für aktuelle(re) Infos siehe dort.

Rechtsgrundlage

Übersicht über alle Rechtsakte zu Schengen

SDÜ

Vor dem Lissabon-Vertrag war die Rechtsgrundlage von SIS Kapitel IV des Schengener-Durchführungsabkommens (SDÜ, engl. Convention Implementing the Schengen Agreement, CISA; SDÜ komplett) sowie seine nationalen Umsetzungsgesetze.

De facto regelt das SDÜ auch 2011 noch den Betrieb von SIS. Die Lissabon-kompatiblen Nachfolgegesetze beziehen sich alle auf SIS II, und das ist noch nicht fertig.

Eine Ausweitung der SIS-Kompetenzen wurde durch Spanische Initiative (2002) geregelt.

Nationale Umsetzung des SDÜ

SIRENE-Handbuch

Die verantwortlichen nationalen Stellen heißen SIRENEn. Ihre Zusammenarbeit wird in Form des zwischenstaatlich ausgehandelten SIRENE-Handbuchs geregelt; es ist quasi ein Protokoll zum SDÜ.

Technische Struktur

Physisch existiert eine zentrale Datenbank C-SIS in Straßburg. Artikel 92 SDÜ sieht vor, dass Spiegel davon jeweils bei den nationaln Stellen vorgehalten werden ("N-SIS"). C-SIS hat (Artikel 92 SDÜ) neben der Funktion als Synchronisationsserver noch die Aufgabe, gelöschte Daten für ein Jahr weiter zu speichern, um eine datenschutzrechtliche Prüfung nach Artikel 113 SDÜ zu erlauben.

Jeder Schengen-Staat unterhält ein SIRENE-Büro (in der BRD ist das das BKA), das die für Kommunikation mit SIS verantwortlich ist und wohl und den nationalen Spiegel N-SIS unterhält. Lokale Polizeibehörden fragen SIS-Daten über den nationalen Spiegel N-SIS beim BKA ab. Einspeicherungen geschehen mit Unterstützung des BKAs.

Die Datenbank SIS II soll über das private sTesta Netzwerk der EU angebunden werden. 2006 wurde die EDV-Infrastruktur mit Blick auf SIS II für 27 Millionen aktualisiert (vgl Newswelt).

Inhalt von SIS

Die SIS Datenbank enthält vor allem Daten über Einreiseversuche von Menschen, die nicht aus der EU kommen. Zudem gibt es Fahndungs- und Ausschreibungsdaten von Personen und Gegenständen.

Errichtungsanordnung

Nach Artikel 94 (3) SDÜ werden folgende Personendaten gespeichert:

  • Name, Vorname (Alias macht normalerweise extra-Record)
  • Erkennungszeichen
  • Geburtsort und -datum,
  • Geschlecht,
  • Staatsangehörigkeit,
  • PHW bewaffnet/gewalttätig,

  • Ausschreibungsgrund (nach SDÜ),
  • Maßnahme (Registrierung, Festnahme, Ausweisung, etc)

Die Spanische Initiative weitete die strafbaren Handlungen aus, die zu SIS-Ausschreibungen führen können, aus. Bei Ausschreibungen nach Artikel 95 (Festnahme) und 99 (polizeiliche Beoabchtung) SDÜ soll weiter ein Flag zeigen, ob der/die Gesuchte aus der Haft entflohen ist.

In Ratsdokument 5635/1/12 (2012) beklagt sich die tschechise Delegation allerdings, dass speziell die PHW nicht sehr konsistent gesetzt sind.

Auschreibungsarten nach SDÜ

Artikel 95 (Festnahme)

Ausschreibung zur Festnahme müssen gerichtlich angeordnet werden und die Gerichte müssen nach Artikel 95 SDÜ prüfen, ob die Festnahme in den Zielländern legal wäre.

Bei der 95er Ausschreibung werden an die SIRENEN nähere Infos zur Tat übertragen ("Beschreibung der Umstände", "Art der Täterschaft", "Folgen");

95er Ausschreibungen können von den Einzelstaaten bis zu eine Woche "geprüft" werden, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen. Die Zweifel an der Rechtsmäßigkeit müssen begründet werden, außer es ist ihr eigener Staatsbürger. Als Gründe kommen insbesondere auch Opportunitätswerwägungen in Frage. Der Aufenthalt des Betroffenen muss auch bei rechtswidriger Ausschreibung weitergegeben werden.

Vorgehensweise nach dem SIRENE-Handbuch

Das SIRENE-Handbuch erläutert das Vorgehen bei 96er Ausschreibungen etwas konkreter. Für diese Fallgruppe soll bei der Ausschreibung eine "Rechtliche Würdigung" und eine "Beschreibung des Sachverhalts" inklusiv seiner "Folgen" mitgeliefert werden, um eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ausschreibung zu ermöglichen (d.h. diese Daten werden nicht gespeichert, sondern nur von den SIRENE-Leuten daraufhin geprüft, ob sie rechtliche Einwände gegen die Ausschreibung haben).

Weiter steht im SIRENE-Handbuch, dass der widersprechende Staat eine Ausschreibung entweder in seinem nationalen Spiegel (N-SIS) unterlassen kann oder den Datensatz in seinem Spiegel als nicht gültig kennzeichen kann.

Artikel 96 (Einreiseverweigerung)

Ausschreibung zur Einreiseverweigerung werden durch Gerichte oder Verwaltungsbehörden gemäß nationalem Recht vorgenommen bei Nicht EU-BürgerInnen vorgenommen. Sie werden bei versuchter (illegaler) Einreise oder beim abgeschobenen Straffälligen vorgenommen. Zudem kann die Einreise verweigert werden, wenn angenommen wird, dass die Person schwere Straftaten begehen würde. Hält die Person sich schon in Schengenstaat auf, darf sie keine Aufenthaltsgenehmigungen bekommen und muss abgeschoben werden.

Hier sind allerdings Fälle bekannt, in denen nationale Behörden SIS-Ausschreibungen angefochten haben, insbesondere, wenn die Betroffenen sich schon in dem anfechtenden Staat aufhielten.

Wenn Einreiseversuche von einem Schengenstaat bei 96er Ausschreibungen festgestellt wurden muss im Gegensatz zu anderen Ausschreibungen, nicht an das ausschreibende Land benachrichtigt werden.

Gerichtsurteile zu 96er Ausschreibungen

Das VG München hat in der Entscheidung M 21 k 05.2136 vom 19.12.2006 festgehalten, dass auch nach einer Abschiebung eine Einzelfallprüfung erfolgen muss und nicht automatisch eine 96er-Ausschreibung erfolgen darf.

Ein belgisches Urteil (2006-12-07, Cour d'Appel de Bruxelles, 2006/KR/223) sagt, dass zumindest die dortigen Behörden nicht einfach nur aufgrund einer 96er-Ausschreibung die Einreise verwehren dürfen, sondern sie in jedem Einzelfall die Gründe für die Ausschreibung prüfen üssen.

Erfahrungen der LfDIs mit Einreiseverweigerungen

Der hessische LfDI berichtet in seinem 37. TB LfD Hessen, die Behörden hätten Personen nach Artikel 96 SDÜ ausgeschrieben, weil sie sie zum Verlassen der BRD aufgefordert und dann aus den Augen verloren hätten. Desweitern berichtet er von einer Prüfung der 96er-Ausschreibungen aus dem Kreis Bergstraße. Danach waren im Jahre 2008 fünf von 25 mindestens ein Mal verlängerten worden und hatten noch nicht mal die Ausschreibungsvoraussetzungen erfüllt. In 13 Fällen war nicht ersichtlich, dass irgendeine Prüfung zur Löschung vorgenommen worden wäre. In nur zwei Fällen wurde ordnungsgemäße Prüfung und dann auch eine Löschung verfügt.

Im 25. TB des LfD BaWü wird von einer Untersuchung von 96er-Ausschreibungen aus BaWü berichtet. Ungefähr alles dabei war falsch und verletzte elementare datenschutzrechtliche Bestimmungen. Die Ausschreibungen in SIS hatten teilweise überhaupt keine Grundlage, da die Betroffenen weder ausgewiesen noch abgeschoben worden waren. In diesem Fall hatten die Behörden aber ein Einsehen, als sie merkten, was sie getan hatten und löschten die betreffenden r immerhin nicht in die DV-Anlagen gelangten, soweit das zu erkennen ist).Einträge umgehend. Dazu wurden mit den Anforderungen zur Ausschreibung regelmäßig auch Bescheide mit hochvertraulichen Daten übersandt.

Art. 97 (Vermisste)

Ausschreibung zum vorläufigen Gewahrsam zum eigenen Schutz oder zur Gefahrenabwehr. Diese Ausschreibungen werden durch nationalen Gerichte oder Behörden (Psychatrie) verfügt. Bei 97er-Ausschreibungen können von Einzelstaaten nach Art. 94 in ihren nationalen Spiegeln (N-SIS) als unwirksam markiert werden.

Art. 98 (Vorladung)

Ausschreibung von Menschen, die vor Gericht erscheinen müssen (Zeugen, Angeklagte). Die Ausschreibungen werden von Staatsanwaltschaften vorgenommen.

Art. 99 (polizeiliche Beobachtung)

Ausschreibung zur verdeckten oder offenen Beobachtung von Personen und Fahrzeugen. Dieses muss nach der Spanischen Initiative nach nationalen Recht erfolgen. Da es in der BRD keine länderübergreifende Rechtsgrundlage für eine offene Beobachtung gibt werden alle Ausschreibungen nach Artikel 99 SDÜ im nationalen Spiegel N-SIS in verdeckte Beobachtung umgewandelt.

Praktisch werden bei den 99er Ausschreibungen bei Kontrollen, der Ort, die Zeit, der Reiseweg und Ziel, die Begleitpersonen, das Fahrzeug und mitgeführte Sachen an den ausschreibenden Staat gemeldet werden.

99er Ausschreibungen dürfen nur bei Planung von "außergewöhnlich schweren" Straftaten" oder ungünstiger Gesamtbeurteilung oder Bedenken der Staatssicherheitsorgane erfolgen. Auch 99er Ausschreibungen dürfen nach Artikel 94 SDÜ in einzelnen nationalen Spiegeln (N-SIS) mit Begründung ausgesetzt oder als unwirksam markiert werden.

Nationale Rechtsgrundlage für solche Ausschreibungen ist im Strafverfahren §163e StPO (mit etwas geringeren rechtlichen Hürden) oder, für Menschen, gegen die es zum Strafverfahren nicht reicht ("StPO-Unschuldige") diverse Regelungen zur präventiven Ausschreibung zur Beobachtung (z.B. §17 HSOG in Hessen; §25 PolG in Baden-Württemberg, etc). Letztere setzen idR eine Prognose von "Straftaten von erheblicher Bedeutung" voraus. Diese kann auch allein aus "Tatsachen" abgeleitet sein, es muss also keine Verurteilungen gegeben haben.

Empfehlungen der Ratspräsidentschaft zu 99er Ausschreibungen

Die EU-Ratspräsidentschaft hat im Jahr 2009 im Ratsdokument 7557/09 einen großzügigen Umgang mit 99er-Ausschreibungen propagiert:

As the Best Practice, it is recognized that use of an Article 99 alert should always be one of the measures considered when dealing with serious crimes and/or threats to public order or as a supportive measure when dealing with searches for dangerous criminals.

Erfahrungen der LfDIs mit 99er Ausschreibungen

Wie 99er-Ausschreibungen in der Praxis aussehen, zeigt der 28. Tätigkeits des LfD BaWü. Der LfDI hat zunächst die Ausschreibungen von 2006 geprüft und 376 99er-Ausschreibungen aus BaWü in SIS gefunden. Die 67 Fälle, bei denen Leute bereits länger als zwei Jahre ausgeschrieben waren, kamen alle aus dem Staatsschutz-Bereich (Staatsschutz aus BaWü insgesamt 118). Die Prüfung des LfDI ergab, dass z.B. widerrechtlich Kontaktpersonen ausgeschrieben waren und blind verlängert wurde. Nach der Prüfung waren noch 249 Personen in SIS, über die Hälfte der Staatsschutz-Fälle (nämlich 67) mussten gelöscht werden. Dabei wurden einige Löschungen verzögert, weil das LKA auf SIS II mit seinen niedrigeren Anforderungen hoffte. Daraus wurde bekanntermaßen nichts und so musste die Polizei doch noch nach Gesetz löschen. Übrig blieben 74 Ausschreibungen, davon waren 22 von Justizbehörden und keine mehr durch den Staatsschutz.

Demgegenüber äußerte sich sein hessischer Kollege in seinem 35. TB (2006), S.30f, über allem zufrieden mit den Ausschreibungen aus Hessen (von denen es zum Prüfzeitpunkt immerhin noch insgesamt 55 gab).

Ausschreibungen zur verdeckten Registrierung durch das BfV, BND und MAD

Seit dem Schäuble-Katalog (Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz) von 2007 ist es nach § 17 BVerfSchG den Geheimdiensten des Bundes der BRD möglich Personen zur verdeckten Beobachtung in SIS auszuschreiben.

Art. 100 (Sachfahndung)

Ausschreibung von Gegenständen zur Sicherstellung oder Beweissicherung, wie z.B. Autos, Feuerwaffen, Identitätspapier und Banknoten.

Datenschutz

Technische Datenschutzkontrolle durch JSA

Wie die meisten Datenbanken EU wird auch das SIS durch einen JSA (offizielle Webseite) kontrolliert. Beim SIS ist die JSA für die technische Kontrolle zuständig und soll auftretenden Anwendungs- und Auslegungsschwierigkeiten untersuchen. Außerdem hat die JSA nach eigener Darstellung die Aufgabe, Stellungnahmen abzugeben und die Rechtsprechung und Rechtsauslegung auf nationaler zu harmonisieren.

Ausweislich der relativ inhaltsleereren JSA-Berichte ist das allerdings eine große Behauptung. So kritisiert auch Brouwer 2008 (S. 14) die vernachlässigbare Rolle der JSA bei den verschiedenen Skandalen rund um SIS-basierte Einreiseverweigerungen.

Aus der BRD senden sowohl der BfDI als auch die LfDIs je einen Vertreter in den JSA.

Inhaltliche Kontrolle durch die Nationalen Datenschutzbeauftragten

Im Durchführungsübereinkommen ist festgelegt, dass jede Vertragspartei eine nationalen Datenschutzbeauftragten mit der unabhängigen Kontrolle zu beauftragen hat. In der BRD ist das der BfDI.

Datenschutzkritik

Ein grundsätzlicher Webfehler an SIS ist Artikel 105 SDÜ, nach dem die datenschutzrechtliche Verantwortung beim speichernden Staat liegt. D.h. das die Änderung oder Löschung von Daten nur durch Herkunftsstaat erfolgen kann und dieser auch Einspruch bei einem AuskunftErsuchen hat. D.h., dass nationale Polizeien nach Daten handeln, über die sie keine Auskunft geben dürfen.

Artikel 102 SDÜ verbietet zwar das Kopieren ausländischer Daten in nationale Datenbanken und sieht (nach nationalem Recht) Zweckbindung vor, erlaubt aber eine Umkategorisierung bestehender Daten (im Gegensatz zur ebenfalls Möglichen Neuausschreibung, die nach komplizierten Regeln bestehende Ausschreibungen überschreiben könnte) und zwar bei Staatsschutz-Delikten oder Straftaten von "erheblicher Bedeutung".

Einige Sicherheitsangehörige weisen beim Thema Datenschutz darauf hin, dass bisher weder Ethnie, politische Überzeugungen, Gesundheitsprobleme noch sexuelle Orientierung gespeichert werden. Angesichts der drakonischen Wirkungen einer Ausschreibung durch Einreiseverweigerung oder verdeckte Registrierung ist dieses allerdings unerheblich. Eher im Gegenteil, denn wenn die prüfende Stelle sieht nur, dass eine Ausschreibung vorliegt, weiß sie nicht, ob die Ausschreibung wegen eines Polizistenmordes oder wegen einer Teilnahme an einer politischen Demonstration vorgenommen wurde.

Personen die in der SIS-Datenbank ausgeschrieben sind sollten eigentlich auch in den jeweiligen nationalen Datenbanken ausgeschrieben sein, mittlerweile wird aber auch direkt und ausschließlich in SIS gespeichert. Obwohl die SIS-Bestimmungen anderes vorsehen.

Teilweise fehlende Rechtsgrundlage in Deutschland

Einer Stellung nahme von Hans-Hermann Schild, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Wiesbaden (Ausschussdrucksache 17(4)367 E) ist dazu folgendes zu entnehmen:

Dabei fällt auf, dass bereits die Umsetzung des Schengener Informationssystems große Probleme bereitet hatte und das Bundeskriminalamt, das Nationale Schengener Informationssystem (N-SIS) als Teil der beim BKA geführten Verbunddatei führte, obwohl dies der Gesetzgeber bis zum 18.06.2009 gerade nicht geregelt hatte. Bis heute fehlen Regelungen zur Ausschreibung der Ausländerbehörden im N-SIS; führen diese doch die Polizeibehörden der Länder wohl immer noch in der Form der Amtshilfe aus, wobei die Verantwortlichkeiten verschwimmen.

Auskunft

Geregelt wird das Auskunftsrecht nach Artikel 109 SDÜ und Artikel 5 SchÜbkDG. Maßgeblich für die Auskunft ist danach das Recht des Staates, in dem das Auskunftsrecht beansprucht wird.Dieses ist bezüglich der Daten relativ nutzlos, weil die einstellenden Staaten einer Auskunft zustimmen müssen (und dafür keine Gründe angeben müssen) und Ausschreibungen zur verdeckten Beobachtung nie zugegeben werden.

AuskunftErsuchen sind an ein nationales SIRENE-Büro zu richten (d.h. in der BRD das BKA). Artikel 114 SDÜ erlaubt auch Anfragen an die Nationale Kontrollinstanz (in der BRD der BfDI; da die aber ohnehin überlastet sind, sollte mensch aber eher davon absehen).

Nähere Regelungen dazu sind im SIRENE-Handbuch beschrieben. Auch hier bleiben die Dinge jedoch vage. Die angefragte SIRENE überprüft ob es Datenspeicherungen gibt und falls ja erbittet sie die ausschreibenden SIRENE um "Standpunkte" dazu. Zudem gibt es Verweise auf das nationale Recht des fragenden Staates. Was passiert, wenn der "Standpunkt" mit nationalem Recht nicht vereinbar sein sollte, bleibt allerdings offen.

Ratsdokument 16807/14 berichtet über eine Umfrage unter den Datenschutzbehörden zu Auskunftspraktiken in den Mitgliedsstaaten. Aus ihm geht u.a. hervor, dass es 2010 und 2011 aus dem ganzen Schengenraum nur 6072 Anfragen gab (es ist aber unklar, ob Anfragen, die z.B. in der BRD über das BKA statt über den BfDI laufen, mitgezählt sind), von denen 371 Löschersuchen waren; eine Person ersuchte um "Korrektur" (die Details würden uns interessieren...). 4161 Ersuchen wurden gewährt, davon 328 Löschersuchen -- die relativ große Rate erfolgreicher Löschersuchen darf wohl getrost als Ermutigung gelten.

Bemerkenswert an der Übersicht ist auch, das 18 von 24 Antworten sagen, dass die Auskünfte die Form einer "Zusammenfassung" haben, eine Praxis, die auch national sehr ärgerlich ist -- natürlich sollte "Auskunft" eigentlich genau das umfassen, was auch Polizist_innen sehen. Niemand beauskunftet routinemäßig die tatsächliche Ausschreibung, was schon etwas erschütternd ist.

Vgl. auch Leitfaden SIS Auskunftrecht vom BfDI

Speicherfristen

Artikel 112 SDÜ sieht Aussonderungsprüffristen in SIS von drei Jahre für Ausschreibungen nach Artikel 96 (Einreiseverweigerung) und ein Jahr für Ausschreibungen nach Artikel 99 (polizeiliche Beobachtung) vor.

Die Speicherfristen sind derzeit weitgehend Makulatur, weil Ausschreibungen offenbar in aller Regel automatisch verlängert werden. Auch im 99er-Bereich ist Verlängerungen an der Tagesordnung. Von 376 Ausschreibungen aus Bawü im Jahre 2006 fand der LfDI 62, die länger als zwei Jahre in SIS gewesen waren. (25. Tätigkeitsbericht des LfDI BaWü, 2.2.6).

Die Fristüberwachung ist Aufgabe der zentralen Stelle (C-SIS). Dieses sendet offenbar regelmäßig Listen mit zu prüfenden Datensätzen an die nationalen SIRENE-Büros der ausschreibenden Staaten. Dabei ist eine Löschung bedeutend aufwändiger als eine Weiterspeicherung, weswegen die Löschung meistens unterbleibt.

Die Löschpraxis von 2007 beschreibt der hessische LfDI in seinem 37. Tätigkeitsbericht. Dabei ging bei der ersten Prüfung ein Opt-out-Formular (die Behörde muss reagieren, damit gelöscht wird), bei der zweiten Prüfung ein Opt-in-Formular vom BKA an die ausschreibende Behörde. Entsprechend haben sich jede Menge unrechtmäßige Ausschreibungen.

Zugriffsberechtigte

Laut Artikel 101 SDÜ haben Grenzkontrollbeamte, Polizei, Zoll und für 96er-Daten (Einreiseverbote) auch die nationale Pass- und Ausländerbehörden Zugriff auf die Daten. Die Abfrage erfolgt jeweils über die nationalen Spiegel N-SIS.

Laut Artikel 101 SDÜ sollen die Mitgliedsstaaten zudem eine Liste der berechtigten Behörden beim "Exekutivausschuss" (das ist heute wohl der Rat) eine Liste der im jeweiligen Staat zugriffsberechtigten Behörden (samt der für sie "freigeschalteten" Tatbestände) einreichen. Diese Liste wird dann und wann veröffentlicht. Die Liste von 2011 (Ratsdokument 7214/1/11) sieht immer noch Ausweitungen des Kreises der Zugriffsberechtigten in vielen Ländern vor. Für die BRD werden dort angegeben (mit Fallgruppen nach SDÜ):

  • BKA (alle)
  • LKAen (alle außer Staatssicherheit)
  • Bundespolizei, -direktion (dito)
  • Parlamentspolizei (dito)
  • Zollkriminalamt, -fahndungsdienst (95, 98, 99 außer Stasi, 100)
  • Einwanderungsbehörden der Länder und des diplomatischen Dienstes (96, einige 100)
  • BA Asyl (96, einige 100)
  • Hauptzollämter (alle außer Stasi)
  • Kfz-Zulassungsbehörden, Flensburg (einige 100)
  • Generalbundesanwalt, Staatsanwaltschaften (95, 98)

Die Zusammenstellung ist auch ganz nützlich als Gruselkabinett, was es überall so an furchtbar klingenden Behörden gibt.

Ursprünglich sollte jede 10. Abfrage geloggt werden und für sechs Monate gespeichert werden. Die Spanische Initiative (vgl. #SDÜ) sieht die Speicherung sämtlicher Abfragen für 12 Monate vor.

Zugriff durch Europol

Mit der Spanische Initiative bekam auch Europol Direktzugriff auf Daten nach Artikel 95 (Fahndung), 99 (polizeiliche Beobachtung) und 100 (Sachfahndung) SDÜ. Europol protokolliert seine Zugriffe selber, darf aber keinen eigenen Spiegel betreiben.

Zugriff auf KFZ-Daten per SIS

Der Zugriff der nationalen Zulassungsstellen auf Kfz-Daten war eine Weile in der Diskussion und wurde mit der Verordnung 1160/2005 ab Anfang 2006 zugelassen (siehe eine Weile in der Diskussion).

Die Erfahrungen damit bis 2009 beschreibt Ratsdokument 17432/09. Illustrativ für das Datenschutzverständnis der zuständigen Behörden ist Punkt 15 (S. 4) aus diesem Dokument:

  • Darüber hinaus hatten einige Mitgliedstaaten (z.B. BE, DE) vor Inkrafttreten des Artikels 102a eine interne Lösung gefunden, um neu ausgestellte Zulassungsbescheinigungen im Hinblick auf SIS-Ausschreibungen durch die Behörden überprüfen zu lassen, die bereits Zugang zum SIS hatten. Dies könnte die Schwierigkeit erklären, einen wahrscheinlichen, auf die Anwendung des Artikels 102a zurückzuführenden Anstieg der Anzahl von Ausschreibungen und Treffern sichtbar zu machen.

Berichtigung und Löschung der Daten

Art. 111 SDÜ erlaubt, in beliebigen Mitgliedsstaaten auf Löschung oder Korrektur in SIS gespeicherter Daten zu klagen. Es ist die Aufgabe der einzelner Mitgliedstaaten, zu benennen, wer das ist. Wenn so ein Gericht feststellen sollte, dass eine Speicherung in SIS rechtswidrig war, muss der Staat, in dem das Gericht steht, versuchen, den speichernden Staat zur Löschung zu bewegen. So etwas ist wirklich mal passert, etwa im Fall Van Straaten gegen die Niederlande, der vom Europäischen Gerichtshof endete. Italien musste daraufhin eine von einem niederländischen Gericht verhängte Löschung durchführen.

Zahlen

Ein zusammenfassender Überlick zu den Jahren 2007 bis 2009 findet sich im Anhang von 52010DC0385.

Überblick

Stand 1.September 2016:

  • 818.217 Einträge zu Personen
  • 66.287.759 Einträge zu Sachen

Davon sind 74.444 Einträge zu Personeneinträge und 9.981.497 Einträge zu Sachen aufgrund deutscher Ausschreibung. Quelle: 18/9569

Nach Kategorien

Für 2011 gibt Bundestags-Drucksache 17/7307 die Verteilung von in der BRD nicht maskieren Personenausschreibungen ("NSIS-Personenfahndung") wie folgt:

95

30387

96

701029

97

52011

98

88089

99

32257

Ratsdokument 9938/11 hat eine Übersicht über die Verteilung erfolgreicher Anfragen ("hits") nach totalen Fallzahlen 1997-2010:

Art 95

Art 96

Art 97

Art 98

Art 99

Art 100/Autos

Art 100/Ausweise

Art 100/Waffen

Summe

Hits

32 218

253 640

22 096

79 211

46 300

114 428

76 130

1 993

625 220

Anteil

5.15%

40.56%

3.53%

12.66%

7.4%

18.30%

12.17%

0.31%

100%

Bericht der EU-Präsidentschaft 2011

Ratsdokument 9938/11 enthält SIS-Statistiken für 2010.

Highlights daraus: 91351 SIS-Anfragen waren 2010 insgesamt erfolgreich, +7% gegenüber dem Vorjahr, +429% seit 1997; 35.7 Millionen Ausschreibungen insgesamt (+12.9% gegenüber Vorjahr).

Die Ausschreibungszahlen sind nach Fallgruppen:

Fallgruppe

#2009

#2010

Veränderung

95

28666

31535

+10%

96

736868

716797

-2.7%

97

52319

50773

-3%

98

78869

82676

+4.8%

99

32824

36478

+11.1%

Ausschreibungen nach Art. 99 in der BRD

In seinem 27. Tätigkeitsbericht (2006), 2.1.1 berichtet der LfD BaWü, Anfang 2006 seien von BRD-Behörden 1104 Personen nach Art. 99 (damals noch immer verdeckte Registrierung, da für die offene Kontrolle keine Rechtsgrundlage bestand). Für einzelne Bundesländer sah die Verteilung so aus:

Land

Ausschreibungen

pro Mill. Einwohner

Baden-Württemberg

376

35

Bayern

348

28

Nordrhein-Westfalen

83

4.6

Hessen

67

11

Rheinland-Pfalz

26

21

Niedersachsen

18

2.3

Im 35. TB des LfD Hessen (2006), S.30, berichtet dieser von seiner Überprüfung der 99er-Ausschreibungen aus Hessen; er fand nur noch 55 davon (ggü. den 67, die der LfD BaWü in der Tabelle oben gibt). Er untersuchte 30 Fälle genauer. Von diesen waren 27 "präventiv", d.h. gegen StPO-Unschuldige gerichtet (§17 HSOG), 3 gegen Verdächtige im Sinne der StPO (§163e) gerichtet. Alle Ausschreibungen liefen für die Maximalfrist von einem Jahr, in immerhin zwei Fällen soll die unmittelbare Gefahrensituation über dieses eine Jahr hinaus vorgelegen haben. Der LfD erklärt sich mit der hessischen Praxis durchweg einverstanden.

Anzahl Ausschreibungen für 2008 insgesamt

CILIP 92 (1/2009), S. 83 hat eine aus den Ratsdokumenten 5239/06, 6178/07, 5441/08 und 5764/09 zusammengestellte Übersicht des Datenbestandes von SIS publiziert:

Artikel SDÜ

Fahndungszweck

1.1.2006

1.1.2007

1.1.2008

1.1.2009

95

Festnahme

15.460

16.047

19.119

24.560

96

Einreiseverweigerung

751.954

752.338

696.419

746.994

97

Vermisste

39.011

42.500

47.501

48.559

98

Aufenthaltsermittlung

45.189

50.616

64.684

72.958

99

Beobachtung

31.013

33.275

31.577

34.247

-

Personen gesamt

882.627

894.776

859.300

927.318

100

Banknoten

252.442

241.062

177.327

168.982

100

Blankodokumente

403.900

386.440

390.306

360.349

100

Schusswaffen

297.021

294.490

314.897

332.028

100

Ausweise

11.353.906

13.752.947

17.876.227

22.216.158

99/100

Kraftfahrzeuge

1.469.378

1.731.115

3.012.856

3.618.199

99/100

Wohnwagen

3.153

3.063

2.984

-

Sachen gesamt

13.779.800

16.409.117

21.774.597

26.695.716

Anzahl übermittelter Daten

Übersicht über die Zahl der Hits eigener Ausschreibungen ("Import") und von an ausschreibende Mitgliedsstaaten übermittelte Hits ("Export") zusammen mit der Zahl der Beschäftigten in den SIRENEn für 2008:

Mitgliedsstaat

Hits Import 2008

Hits Export 2008

Leute bei SIRENE 2008

AUSTRIA

4641

3697

28

BELGIUM

1800

2792

43

DENMARK

379

285

25

FINLAND

252

335

32

FRANCE

4307

3498

20

GREECE

1711

1532

34

GERMANY

9091

10173

66

ITALY

14012

4426

39

ICELAND

6

7

11

LUXEMBURG

233

684

10

THE NETHERLANDS

2600

4099

70

NORWAY

422

233

14

PORTUGAL

863

1274

31

SWEDEN

674

644

10

SPAIN

6522

2252

39

CZECK REPUBLIC

2615

4072

19

HUNGARY

1133

2446

26

ESTONIA

189

228

LATVIA

141

292

16

LITHUANIA

955

963

23

MALTA

0

0

18

POLAND

1725

9278

44

SLOVAKIA

4189

3327

17

SLOVENIA

249

6869

17

TOTAL

58709

63406

652

Personenausschreibungen von 2008 nach Ländern

it

de

fr

hu

es

gr

cy

cz

at

pl

436000

130000

109085

70000

69875

53240

40175

28360

24370

22200

Quelle: Ratsdokument 5171/09

Technisches

C.SIS (in Straßburg) läuft 2011 auf einer IBM pSeries mit AIX 5.3. Die Software, gepflegt von Atos Origin, setzt auf IBM Websphere MQ 6 auf.

Die nationalen SISe bauen offenbar auch auf zentral von Atos gepflegter Software auf -- wie weit das auf die nationale Seite geht, ist nicht klar. Dabei nutzen verschiedene Staaten verschiedene Plattformen, etwa (für 2011) AIX auf pSeries (z.B. Österreich, Finnland, Frankreich), Red Hat Linux auf i386 (z.B Belgien), HP-UX auf PA-Risc (BRD, Niederlande), HP-UX auf Itanium (z.B. Spanien), Solaris auf Sparc (Italien)

Anekdoten

Umgezogen nach SIS#Skandale und Anekdoten.

Weitere Quellen