Diese Seite behandelt alte, möglicherweise nicht mehr bestehende Infrastruktur des BKA. Das BKA bastelt gerade (2017-2019) in großem Stil an seiner EDV (und der der Länder), und es ist unklar, was eigentlich derzeit wie läuft. Mehr Infos bei PIAV. Wer konkrete Informationen hat, möge sie bitte hier (oder an geeigneter Stelle) einarbeiten.

DNA-Auskunftsdatei, eine Verbunddatei innerhalb von INPOL (vgl. Datenbanken BKA) zur Speicherung "genetischer Fingerabdrücke", auch Gendatenbank genannt. Dabei wurden bislang acht Merkmale der DNA gespeichert. In Zukunft hinsichtlich auf den europäischen Datenaustausch nach dem Vertrag von Prüm werden zwölf Merkmale angestrebt um falsche Treffer zu vermeiden (vgl fingerwegvonmeinerdna).

Eine Einführung in die Problematik der DAD (txt) ist in der Zeitung der Roten Hilfe 2/2005 erschienen.

Das Gen-ethische Netzwerk hat (teilweise in Kooperation mit datenschmutz.de) das Buch Identität auf Vorrat (Volltext) herausgegeben, das einen ausgezeichneten Überblick über die Thematik bietet.

Rechtslage

Die Errichtungsanordnung legt für die Datensätze folgende Felder fest:

  • Identifizierungsmuster (die acht Merkmale)
  • Name, Geburtsdatum, Geburtsort der zugeordneten Person, alternativ Spurennummer und -bezeichnung für Tatortspuren
  • Tatvorwurf incl. nähere Bezeichnung der Straftaten (ob das Freitextfelder umfasst, ist nicht bekannt)
  • Aktenzeichen, aktenführende Dienststelle, Herkunft des Datensatzes
  • Erfassungsdatum, Aussonderungsprüfdatum

Die Wahrscheinlichkeit, dass bei zwei Menschen die acht kodierten Merkmale gleich sind, liegt laut BKA bei 1:700.000.000. Die Chance, dass eine untersuchte DNA-Probe einer falschen Person zugeordnet werden könnte, ist damit äußerst gering, jedoch nicht ausgeschlossen. Allerdings ist einzuräumen, dass diese Chance im Vergleich mit anderen, viel wahrscheinlicheren Verfahrensfehlern tatsächlich verschwindend ist.

Zweckbestimmung der Datei ist offensichtlich der Abgleich von Spuren und Personen (auch untereinander -- das BKA träumt immer eifrig vom Profilen, und in der Tat ist es ja nicht uninteressant, auf welchen Demos sich die Leute so rumtreiben). Etwas mysteriös ist die Zweckbestimmung der "Gewinnung von Erkenntnissen über polizei- und krimaltaktisches Vorgehen" (Errichtungsanordnung 2.3). Man könnte das als Freibrief zum Data Mining lesen.

Anzahl gespeicherter Daten

Die DAD legt ein auch für Überwachungsverhältnisse rasantes Wachstumsverhalten an den Tag:

  • April 1998: 0 Datensätze (die Datenbank wird eingerichtet)
  • Ende 2000: 72.300 Personendatensätze, 8800 Spurendatensätze.
  • Anfang 2002: 150.000 Datensätze.
  • November 2002: 236.000 Datensätze.
  • Dezember 2004: 386.000 Datensätze (davon 17% Spuren).
  • April 2005: über 400.000 Datensätze (lt. Zeitungsbericht; aus Bayern kamen davon allein 65000, 21. TB LfD Bayern)

  • Oktober 2006: 1018815 (Bt-DS 16/2875)

  • Le Monde Diplomatique Juni 2008 gibt für Anfang 2008 nur 672352 Datensätze an, allerdings ohne Quellenangabe. Selbst für den Fall, dass sich diese Zahl ausschließlich auf Personendatensätze beziehen sollte, würde das auf massive Löschungen schließen lassen. Das ist zwar denkbar, aber nicht allzu glaubhaft.
  • November 2009: Die BKA-Auskunft gibt 820194 Datensätze an, davon 658525 Personen. Wachstumsrate sei ca. 10000/Monat, insgesamt seien seit Bestehen etwa 100000 Datensätze gelöscht und knapp 90000 Treffer erzielt worden (vgl. auch Heise dazu). Damit dürfte die dem Bundestag gegebene Zahl vom Oktober 2006 irgendwas seltsam genommen worden sein.

  • Juni 2009: 795.000 Objekte, 795.000 Personen, 2000 Vorgänge (Bt-DS 16/13563)

  • Oktober 2011: 738727 Einträge zur Gefahrenabwehr (Bundestags-Drucksache 17/7307)

  • Dezember 2022: 818000 Personen und 397000 Spuren (Bundestags-Drucksache 20/5781)

Entwicklungstendenzen

Im Dezember 2004 half die DAD den Mord an Rudolf Moshammer aufzuklären. In der Folge forderte die Law-and-Order-Fraktion, die Datenbank "in die Routine des Erkennungsdienstes" einzubauen und mithin die Bedingungen an die Entnahme bezüglich Richtervorbehalt und Tatvorwurf zu lockern oder zu streichen (z.B. http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/188/46142/print.html).

Die folgende Gesetzesverschärfung hielt zwar am Richtervorbehalt fest (siehe aber unten), erweiterte aber den Katalog der Anlassstraftaten von besonder schweren und Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu auch weniger schwerwiegenden Straftaten, sofern diese in ihrer Wiederholung einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichkommen.

In seinem 28. TB, 2.1/4 berichtet der LfD BaWü von einer Prüfung einer Stichprobe von 493 Datensätzen, ausgewählt nach Speicherungen aus Baden-Württemberg mit Speichergründen aus eher nicht nach Schwerkriminaliät klingenden Vorwürfen. Nach der Prüfung löscht die Polizei freiwillig 42% der Speicherungen. Der LfD kommentiert:"Es liegt jedenfalls auf der Hand, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Speicherung von Tatverdächtigen in dieser sensiblen Datei vielfach nicht ausreichend geprüft wurden. Ob dies in Zukunft geschieht, bleibt offen."

2017 scharren etliche Länderinnenminister mit den Hufen, um die vom Verfassungsgericht aufgerichteten Hürden gegen Verwandtensuche und die Nutzung von DNA-Spuren zum Raten von, nach ministerieller Fantasie “rassischen” Kriterien (Haar-, Haut-, Augenfarbe) niederzureißen. Das gen-ethische Netzwerk hat eine noch recht milde Erklärung zu diesen in jeder Hinsicht widerlichen Vorhaben herausgegeben.

Speicherfirst

Die Errichtungsanordnung legt eine Aussonderungsprüffrist von 10 Jahren (5 Jahre bei Jugendlichen) fest -- dies ist nach gängigem Verständnis die maximal zulässige Frist (was angesichts der Bekundung, es solle ohnehin nur bei Schwerkriminalität gespeichert werden, vielleicht noch vertretbar wäre, wenn die Bekundung denn mit den Fakten verträglich wäre). Grundsätzlich wird bei Verurteilten auf keinen Fall gelöscht, solange die Person noch in Haft ist oder noch eine Bewährungsfrist läuft.

Ansonten sollen Daten gelöscht werden, wenn

  • der/die Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen worden ist
  • das Hauptverfahren gar nicht erst eröffnet wird
  • das Verfahren eingestellt wird und aus der Einstellungsbegründung hervorgeht, dass der/die Beschuldigte die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat.
  • "kein Grund mehr" besteht, anzunehmen, der/die Beschuldigte könnte nochmal Straftaten erheblicher Bedeutung begehen.

Das ist im Groben die Regelung in anderen Datenbanken, und mithin ist speziell im politischen Bereich nicht davon auszugehen, dass die Prüfung zur Weiterspeicherung jemals negativ ausgehen wird ("die Gesinnung des Angeklagten lässt erwarten, dass er bald wieder plakatieren wird").

Zur Speicherfrist von Spuren sagt die Errichtungsanordnung nichts aus.

Gerichtsvorbehalt

Die Entnahme von Körpermaterial ist immer ein schwerwiegender Grundrechtseingriff. Dazu kommt im Fall von Proben zur genetischen Analyse die Möglichkeit weitergehender Untersuchungen, vor allem aber das Fakt, dass wir alle permanent relativ langlebige DNA-Spuren legen, dass also eine Erfassung in der DAD mit einer de-facto-Umkehr der Unschuldsvermutung einhergehen kann ("Wir haben Ihre Spuren am Hauptbahnhof gefunden, und Sie sind als Unruhestifter bekannt -- jetzt beweisen Sie mal, dass Sie nicht die Schmähschriften ausgelegt haben").

Wohl aus diesem Grund legt §81f fest: "Untersuchungen nach §81e dürfen nur durch den Richter angeordnet werden". Ein Gag an der Sache ist allerdings, dass die Entnahme des Materials bereits durch StA oder Polizei stattfinden darf, nur die Analyse selbst bräuchte eigentlich einen Gerichtsbeschluss. Als redaktionelles Versehen wird in der Praxis angesehen, dass §81f an sich auch Tatortspuren umfasst; niemand erwartet für diese Beschlüsse, was wohl ein wesentlicher Grund für die Inflation der Verwendung der DAD im Bereich der Trivialkriminalität ist (vgl. unten).

Leider dürfen "freiwillig" abgegebene Proben auch ohne Richterspruch analysiert werden. Wie das "freiwillig" zu interpretieren ist, mag aus Kapitel 7.9 des 21 TB des LfD Bayern (2005) hervor: In dieser Zeit haben meist im Zusammenhang mit Rauschgiftdelikten von der Bayrischen Polizei festgenommene Personen zu 98% (!) innerhalb von 15 Minuten (!) "freiwillig" DNA-Proben abgegeben. Leider gab es keine Folgeuntersuchung, wie die Polizei ein so wahnwitziges Ergebnis erzielt hat.

Wie der LfD Hamburg in seinem 20. TB anmerkt, dürfen sowohl Tatortspuren als auch "freiwillig" abgegebene DNS-Spuren natürlich in der DAD nicht nur gespeichert, sondern auch abgeglichen werden. Dem widerspricht partiell sein Kollege aus BaWü in seinem 28. TB (2007, 2.1.4. Er findet, auch bei Vorliegen eines Einverständnisses dürfe die Polizei nur speichern, wenn die Voraussetzungen aus §81g Abs. 1 StPO erfüllt sind.

Dennoch kommen, wie der 28. TB LfD BaWü (2007 fortfährt (S. 29), rund 90% der Speicherungen "mit Einverständnis" des/der Betroffenen zustande, d.h. die armen Leute haben allen Ernstes unterschrieben, sie hätten nichts gegen eine Speicherung. 90% der personenbezogenen Einträge in der DAD wären demnach ohne richterliche Prüfung zustandegekommen, was den Gerichtsvorbehalt de facto aushebelt.

Das Getöse um seine Abschaffung wäre aber auch schon auch wegen seiner generellen Wirkungslosigkeit im Allgemeinen als unsinnig oder allenfalls ein abseitiges Ablenkungsmanöver zu qualifizieren.

Europäischer Austausch

Im Rahmen des Vertrages von Prüm können europäische Polizeibehörden DNA-Profile von Verdächtigen und Tatorten austauschen.

Skandale

Grundsätzlich skandalös an allen (bekannten) Gendatenbanken ist, dass der mit ihrer Errichtung verbundene dramatische Grundrechtseingriff durchweg mit die bürgerliche Seele besonders heftig bewegender Schwerkriminalität begründet wird, während ihr Einsatz sich durchweg überwiegend gegen Trivialkriminalität richtet. In der BRD sind z.B. verifizierte Tefferfälle weit überwiegend Eigentumsdelikte.

Dazu tritt die besonders tiefe Eingriffintensität von DNA-Techniken, da alle Menschen ständig Zellen mit ihrer DNA hinterlassen, verbunden mit einer blinden DNA-Gläubigkeit von Polizei und Gerichten. Ein besonders krasses Beispiel findet sich in der taz vom 5.7.2023: Ein Mensch sitzt in Hamburg in Untersuchungshaft allein aufgrund von DNA-Spuren; genau nichts anderes deutet auf ihre Täterschaft hin. Dass hier noch haarsträubender Umgang mit ihrer sozialen Situation als junge Mutter hinzutritt, sorgt immerhin für Öffentlichkeit; viele andere Opfer DNA-gestützter Repression haben nicht mal die.

Überwiegend Speicherung von Bagatelldelikten

Für die ersten zehn Jahre DAD gab das BKA 2009 in seiner FAQ folgende Verteilung der (damals knapp 70000) Personentreffer in der DAD an:

Straftaten gegen das Leben

816

Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung

1.547

Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit

913

Straftaten gegen die persönliche Freiheit

84

Diebstahlsdelikte

56.058

Raub und Erpressung

4.748

Straftaten gegen die öffentliche Ordnung

252

Gemeingefährliche Straftaten

554

Betrug/Untreue

99

Beleidigung

99

Sachbeschädigung

314

Strafgesetzbuch

2.553

Nebengesetze (BtmG, WaffG etc.)

1.069

Mithin sind über 80% der Treffer allein Diebstahlsdelikte. Die zur Durchsetzung solcher Gesetze so populären Morde und Vergewaltigungen machen gerade gut 3% der Treffer aus. Und natürlich verrät der Deliktbereich "Strafgesetzbuch" (immerhin der drittwichtigste!) auch große Sorgfalt im Umgang mit heiklen Daten (eine ähnliche Aufstellung findet sich in Le Monde Diplomatique vom Juni 2008).

Gegenüber der in der öffentlichen Diskussion genannten Schwerkriminalität sieht übrigens schon das Gesetz einen ganzen Strauß von Tatbeständen vor, der die DNA-Analye rechtfertigt (§81g StPO). Aber das ist immer noch harmlos im Vergleich zur offenbar (andernfalls würde mit der DAD nicht überwiegend Diebstahl bekämpft) um sich greifenden Praxis, Tatortspuren weitgehend unabhängig von der Schwere der Tat untersuchen und abgleichen zu lassen.

Reizvoll: Auf http://www.bka.de/profil/profil5.html schreibt das BKA von "unkodierten" Teilen der DNA in der Gendatenbank -- offenbar sind da nicht nur Profis am Werk.

2007 untersuchte der LfD BaWü eine Stichprobe von Speicherungen in der DAD aus seinem Bundesland, bei denen die Anlassstraftaten nicht auf Anhieb die Speicherung rechtfertigten. Das Ergebnis: 493 Datensätze wurden untersucht, bei 83 war das Anlassdelikt falsch eingetragen worden, bei 80 konnte die Polizei den LfD überzeugen, die Anlasstat sie im Einzelfall tatsächlich schwerwiegend, bei 33 konnte die Polizei eine andere ausreichend schwere Straftat hochhusten, in 89 Fällen zauberte die Polizei noch ein Einverständnis zur Speicherung hervor. Die restlichen 208 Fälle (also etwa 42%) waren rechtswidrig gespeichert.

Aufschlussreich übrigens auch die Zusammensetzung der erwähnten Stichprobe:

Anlassstraftat

Zahl der Datensätze

Sachbeschädigung

161

strafbarer Eigennutz

17

Widerstand gegen die Staatsgewalt

216

falsche Verdächtigung

12

Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen

1

Entziehung elektrischer Energie

1

unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs

7

Unterschlagung

78

Phantom von Heilbronn

Nach jahrelangen Ermittlungen nach einer dubiosen weiblichen Person, die nach den DNA-Untersuchungen höchst professionelle bis total amateurhafte Verbrechen begangen haben sollte, stellte sich heraus, dass die Person nicht existiert. Die DNA stammte von einer Mitarbeiterin einer Wattestäbchenfabrik, welche die Wattestäbchen herstellte, die zur Probenentnahme benutzt wurden (vgl Telepolis: Anreize für das perfekte Verbrechen)

Ursprünglich hatte die Polizei auf Grund des Profils Sinti und Roma im Verdacht und deswegen willkürlich Strassenkontrollen u.a. bei Sinti und Roma durchgeführt, in deren Gefolge es sogar zu DNA-Analysen kam. Da bei den Kontrollen glücklicherweise, so meint der LfD BaWü in seinem Tätigkeitsbericht von 2009 andere Wattestäbchen verwendet wurden, geriet niemand Unschuldiges in Verdacht.

Der Fall wurde 2011 mehr oder minder zufällig aufgeklärt und als Täter stellten sich untergetauchte Neonazis aus Thüringen heraus vgljunge welt.

DNA-Abgleich erst nach über 6 Monaten

Bei einer im November 2010 in Schleswig-Holstein im Meer gefundenen Leiche, welche offensichtlich Selbstmord begangen hatte, wurde die DNA mit der Vermissten-Datenbank erst nach über einem halben Jahr getätigt.

dk-online: „Wir glauben, dass irgendjemand das ganz doll vermasselt hat“

Gendatenbanken der Länder

Hier ist uns nicht viel bekannt. Hessen unterhält auf jeden Fall eine (vgl. Datenbanken Hessen). In vielen Länder werden die Daten in der Vorgangsverwaltung gespeichert, so z.B. in der IGVP.

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